Braunschweig. Eine schöne Neujahrsüberraschung für die Stadt: Staatssekretärin Anka Dobslaw vom niedersächsischen Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz (MU) hat einen Förderbescheid über 2 Millionen Euro an Oberbürgermeister Dr. Thorsten Kornblum und Dr. Bernd Hoppe-Dominik, Vorsteher des Wasserverbands Mittlere Oker (WVMO), übergeben. Dies geht aus einer Pressemitteilung des WVMO hervor.
Ausgestattet mit einer 100-prozentigen Förderung (Vollfinanzierung) wird der WVMO die Biotop- und Auenvielfalt der Schunter im Bereich Querum wiederherstellen.
„Damit können wir eine langjährige Erfolgsgeschichte in der Revitalisierung der Braunschweiger Fließgewässer fortsetzen“, freut sich OB Kornblum. „Wir machen die Schunter auch in diesem Bereich wieder zu einem Lebensraum für viele seltene Tier- und Pflanzenarten und verbessern gleichzeitig den Hochwasserschutz. Zudem wird der Bereich als Erholungsgebiet aufgewertet und durch Aussichtspunkte ganz neu erlebbar.“
Umwelt-Staatssekretärin Anka Dobslaw: „Wir wollen die Gewässerentwicklung und den Naturschutz landesweit in unseren Städten und Dörfern fördern und gleichzeitig einen Beitrag leisten, um das Lebensumfeld für die Menschen vor Ort attraktiver zu gestalten. Ich freue mich, dass wir heute in Braunschweig ein wichtiges Projekt für mehr ökologische Vielfalt und zur Gestaltung eines attraktiven städtischen Erholungsumfeldes auf den Weg bringen können. Mit der weiterentwickelten Förderrichtlinie Naturnahe Entwicklung der Oberflächengewässer (NEOG) werden wir in den nächsten Jahren die Fließgewässerentwicklung in Niedersachsen mit rund 40 Millionen Euro (EU- und Landesmittel) weiter voranbringen. Dazu kommen jährlich weitere Landesmittel in Höhe von rund 10 Millionen Euro für verschiedene Renaturierungsprojekte. Wir freuen uns, wenn sich niedersachsenweit viele Akteure auf den Weg machen und dem Beispiel von Braunschweig und dem Wasserverband Mittlere Oker folgen.“
„Mit diesem Förderbescheid kann der Verband nun die Ausführungsplanung beauftragen“, verkündet Verbandsvorsteher Hoppe-Dominik und hebt hervor, dass der WVMO als eigenständiger und effektiver Ausbauverband damit bereits das 5. Großprojekt in 10 Jahren für die Stadt Braunschweig realisiert – stets in enger Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung und mit viel Unterstützung der Fachbehörden des Landes.
Wasserverband hatte im Frühjahr 2024 den Antrag gestellt
Der WVMO als kommunaler Gewässerausbauverband der Städte Braunschweig und Wolfenbüttel hatte im Frühjahr vergangenen Jahres für die Stadt Braunschweig einen entsprechenden Förderantrag gestellt. Die Untere Wasser- und die Untere Naturschutzbehörde der Stadt Braunschweig hatten zuvor in enger Abstimmung mit dem Gewässerkundlichen Landesdienst und dem Dezernat Binnenfischerei beim Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES) eine umfangreiche Genehmigungsplanung vorangetrieben, die u. a. mit den Naturschutzverbänden, den Heimatpflegern und der Landwirtschaft intensiv diskutiert wurde.
Das Projekt dient der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (EU-WRRL) und stellt den Lückenschluss zwischen den bereits von Stadt und Verband durchgeführten Schunterrenaturierungen im Bereich Hondelage/Dibbesdorf sowie Rühme (Butterberg) dar. Damit wird eine über mehr als 20 Jahre zielstrebig vorangetriebene Kampagne zur großmaßstäblichen ökologischen Aufwertung der Schunter finalisiert.
Mit der Anlage von Flutmulden wird ein ökologisch wirksamer Maßnahmenbaustein umgesetzt, indem hier die Gewässeraue mit der tief eingeschnittenen Schunter vernetzt wird. Durch die integrierten Altarme und Stillgewässer werden Lebensräume für Amphibien und Fische geschaffen. Gleichzeitig wird der Hochwasserschutz für die Schuntersiedlung verbessert, weil es gelingt, den Aufstau von Hochwasser vor dem Bienroder Weg abzubauen.
Über reaktivierte Flutmulden soll die Schunter bei höheren Abflüssen wieder besser mit ihrer Aue vernetzt werden. Hochwasserneutrale Einengungen sowie tiefere Bereiche in der Gewässersohle sollen den Organismen insbesondere bei Niedrigwasser (Über-)lebensräume sichern. Zugleich soll die Schunter auch stromaufwärts für Fische und andere Wasserlebewesen wieder durchgängiger werden.
Mit dem Einbau von Totholz und Kies wird die Schunter zudem zu einer eigendynamischen Entwicklung angeregt – dem Gewässer soll Gelegenheit gegeben werden, sich selbst zu helfen. Das klappt in der Regel viel besser, als der Mensch das planen und bauen kann. Die jetzt vom WVMO vorgesehenen Maßnahmen sind aber eine notwendige Starthilfe dafür, dass sich das Gewässer wieder zu einem artenreichen Biotop entwickelt.
Durch den Einbau neuer Strukturen im Gewässer werden neue Lebensräume für typische Arten der Fließgewässer geschaffen. Dazu gehören neben den Fischen auch diverse Arten der Eintags-, Stein- und Köcherfliegen, aber auch Libellen, Muscheln und viele mehr. Hinzu kommt die Herrichtung wasserabhängiger Biotope in der Aue wie Nass- und Feuchtwiesen oder Kleingewässer, die weiteren darauf angewiesenen Pflanzen- und Tierarten neuen Lebensraum bieten.
Maßnahme nicht nur für Fachleute
Der direkte Zugang zum Wasser der Schunter wird an 2 Stellen ermöglicht, hier kann man sich zukünftig die Schunter um die Beine streichen lassen und Fisch und Libelle „Auge in Auge“ erleben. Mit einigen Aussichtshügeln wird das Gebiet für die Naherholung zusätzlich aufgewertet: Von ihnen lässt sich der Bereich künftig gut überblicken.
Gewässerentwicklung steter Prozess
Sven Glodniok, Geschäftsführer des WVMO, skizziert das weitere Vorgehen: „Parallel zur Finalisierung des Planfeststellungsbeschlusses auf Seiten der Stadt wird nun die Ausführungsplanung durch den Wasserverband vorangetrieben, um noch im Spätsommer dieses Jahres die Baumaßnahmen beginnen zu können. Das Gesamtprojekt soll bis Ende 2026 abgeschlossen sein.“ Für Interessierte werde dann ein Bautagebuch in den sozialen Medien angeboten.
„Gewässer- und Auenentwicklung ist ein steter Prozess“, verdeutlicht Glodniok. Auch nach der Finalisierung einer Renaturierungsmaßnahme würde der jeweilige Gewässerabschnitt weiterhin überwacht, um die Auswirkungen der Eingriffe zu bewerten und gegebenenfalls Optimierungen vorzunehmen. Auch im Hinblick auf die bisher durchgeführten Maßnahmen an der Schunter hat der Verband bereits Projekte und Kooperationen in Vorbereitung, um die nun eigendynamische Entwicklung des Gewässers bestmöglich zu begleiten, so Glodniok.
Nach der Fertigstellung und mit dem Ablauf einer fünfjährigen Übergabefrist geht der renaturierte Gewässerabschnitt, wie zuvor bei anderen Renaturierungsmaßnahmen üblich, in die Unterhaltung durch den Gewässerdienst der Stadtentwässerung Braunschweig GmbH (SE|BS) über. „Durch eine extensive und bedarfsgerechte Unterhaltung ermöglichen wir dem Gewässer, sich natürlich zu entfalten“, beschreibt Geschäftsführerin Judith Kraft den Umgang mit den renaturierten Gewässerstrecken, da erst die Entwicklung der Folgejahre einen konkreten Einblick in die Auswirkungen der Maßnahmen ermöglicht. Die Unterhaltung findet in Abstimmung mit der unteren Wasser- und Naturschutzbehörde statt, um sowohl wasserwirtschaftliche als auch naturschutzfachliche Aspekte zu berücksichtigen und Raum für die Eigendynamik des Gewässers zu schaffen.
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