Braunschweig. Oberbürgermeister Ulrich Markurth schlägt dem Rat eine Neuausrichtung der städtischen Bodenpolitik vor. Wie die Stadt Braunschweig berichtet, soll zentraler Baustein eine aktivere Flächenakquise durch die Stadt sein. Ziel sei es, deutlich mehr Flächen für die Stadtentwicklung zu erwerben als bisher.
Bei Wohnbauprojekten in den Außenbereichen soll die Stadt Bauleitplanverfahren erst dann einleiten, wenn Eigentümer oder Investoren mindestens 50 Prozent des potenziellen Baugebiets an die Stadt zu definierten Bedingungen – zum Ankaufswert vor Einleitung der Planung – veräußern oder den Zugriff der Stadt auf diese Fläche vertraglich vereinbaren. Ein solches Verfahren wird in anderen Städten in Deutschland bereits angewendet.
Die Eckpunkte einer möglichen künftigen Konzeption hat die Verwaltung in einer dezernatsübergreifenden Arbeitsgruppe unter Begleitung des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) entwickelt und in einem baulandpolitischen Grundsatzbeschluss für den nächsten Gremienlauf zusammengefasst. Stimmt der Rat diesen Überlegungen zu, wird die Verwaltung Umsetzungsrichtlinien erarbeiten, wie und mit welchen finanziellen und personellen Ressourcen die strategische Flächenvorsorge und die Baulandentwicklung künftig effizient umgesetzt werden kann.
"Wir brauchen dringend mehr Handlungsoptionen für eine stärkere Steuerung der Stadtentwicklung", begründete Oberbürgermeister Ulrich Markurth die Initiative mit Verweis auf das Integrierte Stadtentwicklungskonzept (ISEK). Ziel sei es, eine sozial gerechte, nachhaltige und städtebaulich sinnvolle Baulandentwicklung insbesondere beim Thema Wohnen stärker zu beeinflussen. "Daher ist es wichtig, den Flächenvorrat für öffentliche Infrastruktur, Gewerbe und Forschungseinrichtungen sowie den dafür notwendigen naturschutzfachlichen Ausgleich nach und nach wieder aufzubauen."
Kaufen, bevor es teuer wird
Mit Blick auf den großen Bedarf solle die Bereitstellung von Bauland künftig schneller und preisgünstiger erfolgen, so der Oberbürgermeister. Mit den bisherigen Steuerungsinstrumenten des kommunalen Baulanderwerbs, städtebaulichen Verträgen mit Investoren und dem Flächennutzungsplan gelinge dieser steuernde Einfluss grade auch mit Blick auf bezahlbares Wohnen nicht mehr ausreichend. Die Stadt komme angesichts steigender Bodenpreise und zunehmend geringerer Verfügbarkeit gar nicht erst in den Besitz von ausreichend Flächen, die sie für die Stadtentwicklung brauche, und die "Vorräte" seien weitgehend erschöpft.
Markurth: "Wir wollen daher mehr Flächen frühzeitig erwerben und bevorraten. Flächen wollen wir künftig nicht immer erst dann erwerben, wenn wir sie für konkrete Vorhaben benötigen und dann oft teuer bezahlen müssen. Wir benötigen eine größere Flächenreserve für die mittel- und langfristige Stadtentwicklung." Flächen würden in Zukunft immer wieder gebraucht, nicht zuletzt für Erweiterungen und Neubauten von Schulen, Kitas, Turnhallen, oder unvorhergesehene Vorhaben wie 2015 mit den dezentralen Wohnstandorten für Geflüchtete.
"Wir wollen als Kommune stärker mitbestimmen können, was wo entsteht und zu welchen Konditionen", so der OB weiter. "Die Bereitstellung von Wohnbauland ist eine Aufgabe der kommunalen Daseinsvorsorge, da möchte ich eine noch stärkere Rolle der Stadt." Ziel sei, dass die Stadt für die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum vor Planungsbeginn das Eigentum an allen dafür benötigten Flächen erwirbt. "Mit den jetzt vorgeschlagenen Maßgaben einer aktiven Bodenvorratspolitik können wir preisdämpfend und spekulationshemmend auf den Markt einwirken. Dies geschieht, indem wir Flächen zum Bodenwert vor Einleitung einer Planung kaufen, den preisgünstigen Einkaufspreis weitergeben und uns gleichzeitig in die Lage versetzen, die Art des Wohnungsbaus zu steuern, z.B. mit Einfamilienhaus- oder Geschosswohnungsbau, mit mehr sozialem Wohnungsbau oder mit Konzeptvergaben für inklusives oder gemeinschaftliches Wohnen." Ein wichtiger Baustein des Grundsatzbeschlusses sei - ergänzend zur bisherigen Quote von 20 Prozent von Wohnungen für Menschen mit geringem Einkommen – zu prüfen, auf welche Weise zusätzlicher Wohnraum auch im mittleren Preissegment bereitgestellt werden kann.
Markurth betonte, der Erwerb von Baulandflächen bleibe für private Investoren attraktiv. "Wir wollen künftig Flächen erwerben, bevor durch deren Überplanung eine Wertsteigerung erfolgt. Die dadurch geringeren Ankaufskosten können wir an Wohnungsbaugesellschaften, Investoren und private Bauherren weitergeben."
Dabei erhalten die Grundstückseigentümer von der Stadt einen Ankaufswert, der weiterhin deutlich über dem Bodenrichtwert für Ackerland liegt. Eine Planung wird jedoch nur eingeleitet, wenn die Stadt die Flächen zu diesen insgesamt günstigeren Konditionen als bisher erhält. Somit können wiederum auch die Investoren im Wohnungsbau günstiger an potenzielles Bauland gelangen. Der Gewinn aus der Entwicklung und Vermarktung des Baulands wird nicht geschmälert. Zudem wolle die Stadt den Investoren bei den vertraglichen Verpflichtungen zur Infrastruktur von neuen Baugebieten entgegenkommen. So wird für sie der Teilverzicht von Flächen zugunsten der Stadt kompensiert.
Von den Bodenwertsteigerungen durch Planungsrecht profitiere auch die Stadt selbst, so Markurth, wenn sie die Flächen an Investoren weiterveräußere oder in bewährter Weise über ihre Gesellschaften selbst vermarkte. Bisher habe sie oft hohe Preise bezahlen müssen, um an Bauland zu kommen. Mit gleichem Budget lasse sich somit zukünftig mehr Boden erwerben. Dennoch plane die Stadt höhere Ausgaben für die Grundstücksakquise, habe dafür jedoch bessere Einnahmemöglichkeiten. Zugleich könnten diese planungsbedingten Bodenwertsteigerungen auch für Investitionen in die nötige Infrastruktur oder andere Folgekosten genutzt werden.
Beitrag zur kommunalen Daseinsvorsorge
Erster Stadtrat Christian Geiger, zuständiger Dezernent für Liegenschaften, stellte heraus: "Die vorgeschlagene, stärker systematische Vorgehensweise einer vorausschauenden Bodenvorratspolitik bietet die Chance, einen wichtigen Beitrag zur kommunalen Daseinsvorsorge zu leisten. Der Schlüssel, damit dies möglichst effektiv gelingt, liegt in einer konsequenten strategischen Aufstellung des Konzerns Stadt Braunschweig. Neben optimierten internen Prozessen und organisatorischen Strukturen muss vor allem eine gute städtische Verhandlungsposition gegenüber den Eigentümern von Grundstücken und Investoren gesichert werden. Dies wird neben klaren und einheitlichen Regeln für alle Beteiligten vor allem dadurch gelingen, dass städtische Entwicklungsalternativen geschaffen werden, um Baulandentwicklungen vorzugsweise dort zu realisieren, wo ein wirtschaftlicher Flächenankauf gelingt."
Stadtbaurat Heinz Leuer betonte, ein wesentlicher weiterer Baustein des Konzepts werde die Innenentwicklung sein. Für Flächen innerhalb der Kernstadt solle keine Ankaufsquote vorgeschrieben werden, gleichzeitig solle ein starker Fokus darauf gerichtet werden, brachliegende gewerbliche Bereiche etwa aus der Gründerzeit im Sinne eines flächensparenden Bauens zu reaktivieren, ggf. zu erwerben, zu entwickeln und Kauf- oder Erbpachtverträge dafür abzuschließen. "Wir müssen die Potenziale im Siedlungsbestand stärker heben, um den laufenden Flächenbedarf decken zu können", so Leuer.
Die Erfahrungen aus anderen Städten zeigten, dass das hier vorgeschlagene stärkere kommunale Engagement bei der Baulandsicherung keineswegs dazu führe, dass weniger gebaut oder investiert werde, sagte Prof. Dr. Arno Bunzel, Leiter des Bereichs Stadtentwicklung, Recht, Soziales beim Deutschen Institut für Urbanistik (Difu). Vielmehr nutzten viele Städte diesen "Hebel" bereits erfolgreich. Er empfahl Politik und Verwaltung der Stadt Braunschweig daher sehr, auf diesem Feld neue Wege zu gehen.
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