Braunschweig. Ist die Rolle der Frau genetisch bestimmt oder eine Konstruktion unserer Gesellschaft? Sind Mütter zur Armut verurteilt, weil sie gleichzeitig arbeiten und Kinder erziehen müssen? Wie weit sind wir durch Archetypen geprägt wie Anima, Animus oder die große Mutter? Diese Fragen wurden am Montagabend, 15. Mai, im Haus der Wissenschaft erörtert.
Das Kolleg 88 und das Institut für Braunschweigische Regionalgeschichte hatten dazu den Psychologen Prof. Jochen Hinz und den Evolutionsbiologen Prof. Ulrich Kutschera eingeladen. Die Moderation übernahm Gerwin Bärecke, Chefredakteur bei TV 38, der die Diskussion aufzeichnete und später im Regionalfernsehen senden wird.
"Die Frau muss jung und attraktiv sein"
Im Vorfeld hatte es einige Interessenkonflikte um den umstrittenen Ulrich Kutschera gegeben, der in einem Spiegel-Interview behauptet hatte: „Männer mögen keine Emanzen. Die Frau muss jung und attraktiv sein und gut kochen können“. Nun fand sich keine Wissenschaftlerin, die bereit war, gegen ihn anzutreten, so dass das Frauenthema schließlich von zwei Männern behandelt werden musste. Jochen Hinz war freundlicherweise für die zuletzt erkrankte Professorin eingesprungen.
Er erklärte: Archetypen sind Kondensate von kollektiven Erfahrungen, die äonenlang durch ständige Wiederholung in unser Gehirn eingeprägt wurden. Sie sind im Unterbewusstsein angesiedelt, das C.G. Jung das Numinose, das Unerklärliche nannte. Im Modell der Totalpsyche steht das Selbst in der Mitte. Es verbindet die unbewusste innere Welt der Archetypen mit der bewussten äußeren Welt des Ich und der Persona, die wir der Welt präsentieren.
"Wir sind alle zweigeschlechtlich angelegt"
Wir Menschen tragen beide Geschlechts-Archetypen in uns, Androgynie heißt Doppelgeschlechtlichkeit. „Anima“ bedeutet die weibliche Präsentation im Mann, und „Animus“ ist der männliche Aspekt in der Frau. Wir sind alle zweigeschlechtlich angelegt und werden durch beide Seelenbilder geprägt. Während ein Geschlecht sich durchsetzt, bleibt das andere symbolisch erhalten.
90 Prozent der DNA sind Datenmüll
Unsere persönliche Lebenserfahrung kann nach neuesten Erkenntnissen weitervererbt werden, da sie sich im Genom niederschlägt. Nur 10 Prozent unserer DNA sind vorcodiert, die restlichen 90 Prozent sind frei für neue Programmierungen. Früher wurden sie als Junk-DNA angesehen, als Datenmüll.
Der Biophysiker Fritz Albert Popp habe Licht in jeder Zelle nachgewiesen, das durch Schwingungen und Resonanz als Informationsträger diene. Hier könnte die Verbindung von Erbcharakter und persönlichem Erleben stattfinden. Plötzliche Einfälle kommen aus diesem unbewussten Bereich, in dem ständig kommuniziert wird. Auch Synchronizitäten siedelt Hinz dort an, das sind Zufälle, die Sinn machen. Hier könnten auch Geschlechtsdifferenzen versöhnt werden, stellt er in Aussicht.
Ulrich Kutschera betrachtet die Geschlechtsunterschiede biologisch. Jungen sind von Natur aus aggressiv und frech, Mädchen sind unterwürfig und angepasst, behauptet er. In der Biologie gibt es zwei uralte Begriffe: Sex und Gender. Sex bedeutet immer zweigeschlechtliche Befruchtung, auch in der Pflanzenwelt. Gender dagegen ist die Ausbildung von Geschlechtsmerkmalen. Homosex bedeutet Eigenkopulation und –befruchtung. Statistisch sind 99 Prozent aller Lebewesen männlich oder weiblich, und ein Prozent unterliegt einer Störung, sagt der Biologe.
Die Veranstaltung im Haus der Wissenschaft war gut besucht.">
Die Veranstaltung im Haus der Wissenschaft war gut besucht. Foto: privat
Die Veranstaltung im Haus der Wissenschaft war gut besucht. Foto: privat
Werden Menschen geschlechtsneutral geboren?
Der Sexologe John Money hatte das Dogma aufgestellt, Menschen würden geschlechtsneutral geboren und sozio-kulturell zu Männern und Frauen gemacht. Zum Beweis habe er einen Jungen kastriert und mit weiblichen Hormonen gefüttert. Aber die vorhergesagte Geschlechtsumwandlung sei nicht eingetreten, sondern der künstlich zur Frau gemachte Mann habe später Selbstmord begangen.
Die Philosophin Judith Butler verfolge die gleiche Gender-Ideologie. Doch sei die Behauptung, Männer und Frauen seien grundsätzlich gleich, pseudowissenschaftlich und könne in der Realität nicht bestehen. Männer können nicht das gleiche wie Frauen, zum Beispiel können sie nicht gebären.
Aus diesem „Moneyismus“ entstand der „Psychoterror der indoktrinierten Mann-Weiber“ nach Judith Butler, schimpft Kutschera und macht seinem Ruf alle Ehre: „Frauen wollen überhaupt nicht berufstätig sein! Sie wollen, dass der Mann gut verdient, um die Kinder zu versorgen!“ Das sei überall auf der Welt so, nur Deutschland wäre eine Ausnahme.
Frauen denken anders
Männer und Frauen sind zu 98,5 Prozent genetisch identisch. Der gleiche Prozentsatz gilt auch für Menschen und Schimpansen. Also besteht ein erheblicher Unterschied. Frauen denken auch anders. Ihre Vernetzung im Gehirn verläuft quer, die der Männer ist längs ausgerichtet.
Das Geschlecht wird vorgeburtlich festgelegt. Das primäre Geschlecht ist das weibliche, das männliche ist sekundär. Ein Rollentausch ist nicht möglich. Die Vermännlichung erfolgt erst in der 6. Schwangerschaftswoche. Dann entsteht das männliche Y-Chromosom. Wenn bei diesem Vorgang eine Störung eintritt, fühlt sich der Mann als Frau. Homosexualität ist beim Mann angeboren und nicht aberziehbar, er hat keine Wahl. Bei der Frau ist sie zum Teil erworben durch schlimme Erfahrungen mit der männlichen Aggressivität. Auch Pflanzen können homosexuell sein.
In der Diskussion wurde die Frage gestellt, ob es irgendwo eine Verbindung gäbe zwischen der rein psychischen und der rein biologischen Sichtweise. Schließlich sind wir Menschen sowohl Körper als auch Geist. Wo ist die Schnittstelle zwischen Materie und Geist? Jochen Hinz konnte die Frage beantworten: In der rechten Gehirnhälfte wird Bewusstsein und psychisches Erleben konstelliert, in der linken Hemisphäre wird logisch-analytisch gedacht.
Text: Birgit Sonnek
mehr News aus Braunschweig