Braunschweig. Mit einer mehrteiligen Veranstaltungsreihe unter dem Titel "Memorial" erinnern die Stadt Braunschweig, die Jüdische Gemeinde Braunschweig und das Staatstheater Braunschweig anlässlich des 80. Jahrestags an die Pogromnacht und die Zerstörung der Braunschweiger Synagoge in der Nacht vom 9. November 1938.
Mit drei unterschiedlichen künstlerischen Beiträgen nähern sich die Kooperationspartner diesem Ereignis und schlagen gleichzeitig konzeptionell eine gedankliche Brücke zu dem 85. Jahrestag der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933. Das geht aus einer Pressemitteilung der Stadt Braunschweig hervor.
Den Auftakt bildet eine Lesung am Donnerstag, 8. November um 19 Uhr in der Jüdischen Gemeinde, Steinstraße 4, im Anschluss an die offizielle Kranzniederlegung an der ehemaligen Synagoge. Unter dem Leitgedanken "Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht..." (Heinrich Heine) lesen die Schauspielerin Sabine Waibel und der Schauspieler Götz van Ooyen Texte von jüdischen Autorinnen und Autoren wie Walter Benjamin, Gertrud Kolmar und Stefan Zweig. Sie erinnern an jene rund 200 Dichterinnen und Dichter, deren Werke verbrannt wurden, an die, die ermordet wurden, und an die, die nur durch die Flucht dem Schreibverbot, drohenden Repressalien oder dem Tod entkamen, verhaftet wurden oder in der inneren Emigration überlebten.
"Zerstörtes Denken" im Zentrum
Im Zentrum der Reihe steht das Konzert "III. temporäres Memorial" mit dem Titel "Zerstörtes Denken" am Samstag, 10. November, 18 Uhr. Unter der musikalischen Leitung von Alexis Agrafiotis wird das Staatsorchester Braunschweig die Suite für Kammerorchester, op. 37, von Erwin Schulhoff, "Lachrymae – Reflections on a Song of Dowland" op. 48a von Benjamin Britten, "The unanswered question" von Charles Ives und "Todesfuge" nach dem gleichnamigen Gedicht von Paul Celan in der Vertonung des in Braunschweig unvergessenen Komponisten Dieter Salbert spielen. Das letztgenannte Werk kommt unter Einbindung des Projektchores aus Mitgliedern des Schulchores Mkantat und des Konzertchores Braunschweig unter der Leitung von Matthias Stanze zur Aufführung. Als Solistinnen und Solisten treten auf: Sara Kim (Viola), Diana Dulska (Sopran) und Klaus Lembke (Sprecher).
Maschinenhalle als Konzertsaal
Für das Memorial wird die Maschinenhalle der Firma Cederbaum für diesen Abend als temporärer Konzertsaal genutzt. Die traditionsreiche Firma hat ihren Namen von dem aus einer Familie mit jüdischen Wurzeln stammenden Salomon Cederbaum, der sie in den Jahren 1947 bis 1967 zu einem über die Grenzen Braunschweigs expandierenden Unternehmen entwickelte. In der Halle, in der sonst Bücher geschreddert und gepresst werden, wird für das temporäre Memorial ein Auditorium zwischen Papierballen gestaltet, das auf die Zerstörung der Bücher während der Bücherverbrennung 1933 verweist: Das Papier als Kernmedium von Büchern und den in ihnen bewahrten Gedankenwelten, Partituren oder literarischen Werken, ist seiner Funktion beraubt, der Griff in die Lagen aus Papierfetzen macht das Zerstörungswerk fühlbar.
Durch das besondere Ambiente in der ungeheizten Maschinenhalle entsteht eine Atmosphäre, in der die Leiden, die Vertreibung und die existentielle Bedrohung der jüdischen Opfer wie auch die beabsichtigte Auslöschung ihrer Beiträge für Kunst und Kultur aus dem kollektiven Gedächtnis eindringlich erfahrbar werden.
Eintrittskarten für das Konzert können an der Kasse des Staatstheaters zum Preis von 18 Euro sowie an allen bekannten Vorverkaufsstellen erworben werden.
3. Sinfoniekonzert in der Stadthalle zum Abschluss
Den Abschluss der Veranstaltungsreihe bildet das 3. Sinfoniekonzert in der Stadthalle Braunschweig, bei dem das Braunschweiger Staatsorchester am Sonntag, 11. November, um 11 Uhr und am Montag, 12. November, um 20 Uhr Werke von Erich Wolfgang Korngold ("Lieder des Abschieds" op. 14) und Felix Mendelssohn Bartholdy (Sinfonie Nr. 2 "Lobgesang" op. 52 MWV A18) spielt.
2008 führten die Stadt Braunschweig, die Jüdische Gemeinde Braunschweig und das Staatstheater Braunschweig die erste Memorial-Veranstaltung durch, damals gab es ein besonderes Konzert unter den Eisenbahnbrücken an der Helmstedter Straße. Mit der Rekonstruktion der Einweihungsfeier vom 23. September 1875 der Braunschweiger Synagoge, die 1938 in Brand gesetzt wurde, wurde die Reihe im Jahr 2013 in der Stadthalle weitergeführt. Das diesjährige Projekt wird in Zusammenarbeit mit dem Verein Braunschweigische Landschaft e. V. umgesetzt.
Informationen zur Veranstaltungsreihe sind auch unter www.braunschweig.de/erinnerungskultur zu finden.
mehr News aus Braunschweig