Braunschweig. Zwei Menschen, ein Käfig und ein harter Kampf, bei dem ordentlich ausgeteilt wird – Mixed Martial Arts (MMA) ist eine moderne Art des Vollkontaktwettkampfes. Rippenbrüche, Platzwunden, verstauchte Gelenke? Darüber können David Karopetian und Kristan Lovric vom Team MMA Evolution Braunschweig nur müde lächeln – alles schon gehabt. Sie trainieren für ihren ersten öffentlichen Kampf am 4. Juli in Berlin bei "We Love MMA". RegionalBraunschweig.de hat die Beiden beim Training besucht.
Die Kämpfer beim MMA vereinen verschiedene Techniken. Sowohl Schlag- und Tritttechniken des Boxens und Kickboxens, Muay Thai und Karate als auch der Bodenkampf- und Ringtechniken des Jiu-Jitsu, Ringens oder Judo. Das auch im Bodenkampf geschlagen werden darf, ist das Hauptunterscheidungsmerkmal zu anderen Vollkontaktsportarten und sorgt für die meiste Kritik. Bis 2014 waren die Kämpfe in Deutschland sogar mit einem Fernsehverbot belegt. Ziel des MMA ist es, den Gegner in einem Kampf zu besiegen, bis er durch Abklopfen aufgibt, KO geht (ohnmächtig wird) oder der Schiedsrichter den Kampf abbricht. Gekämpft wird in einem Metall-Käfig. Stellt sich am Anfang die Frage, wie man überhaupt darauf kommt, solch eine Sportart auszuüben? Beide berichten, dass ihnen Kampfsport schon immer Spaß gemacht hat. Kristan Lovric ist dabei eher zufällig zum MMA gekommen. Er wollte vor sieben Jahren eigentlich zum Judo-Training gehen, war zu früh dran und traf auf eine Gruppe, die sich dem MMA verschrieben hatte. Dort traf er auch das erste Mal auf seine Trainer. Vorher hatte er schon Boxen und Thai-Boxen trainiert. Er probierte es aus und blieb dabei. David Karopetian trainiert nach eigener Aussage schon so lange Kampfsport, dass er sich an die Anfänge kaum noch erinnern kann.
"Die komplexeste Sportart überhaupt"
Doch was macht den Reiz der Sportart eigentlich aus? "MMA ist für mich die komplexeste Sportart überhaupt. Man muss so viele Techniken vereinen um gut zu sein, dass findet man nirgends anders. Dazu gibt es kaum Limitierungen. Es ist ein wirklicher Kampf zwischen zwei Sportlern", so Lovric. Den Vorwurf, dass der Sport überwiegend brutal sei, könne er nicht nachvollziehen. "Für mich ist Boxen zum Beispiel viel brutaler. Es gab viele Kämpfe, wo ein Kontrahent unterlegen war und nur Schläge kassiert hat." Dadurch das es kein wirkliches Ende gäbe, wenn ein Kämpfer einmal zu Boden gegangen wäre, würde er immer wieder etwas abbekommen. Beim Boxen werde dauernd auf den Kopf geschlagen, weil Körpertreffer weitgehend wirkungslos sind. "Da wird dann bis bis zehn gezählt und wenn man bis dahin wieder steht, dann geht es eben weiter.
Da ist es doch besser am Boden zwei bis drei Schläge abzubekommen und dann ist der Kampf vorbei", findet Lovric. Ein sofortiger KO ist doch besser, als diese permanente Schädigung des Gehirns durch Teilwirkungstreffer. Außerdem könne man sich auch am Boden noch sehr gut verteidigen. Ihm ist es wichtig herauszustellen, dass es bei der Sportart nicht darum ginge, Gegner zu verletzen oder jemanden zu verprügeln. "In erster Linie ist MMA eine Art der Selbstverteidigung. Bei einem Kampf zeigt sich eben auch, wer sich besser verteidigen kann. Ich muss mir keine Sorgen machen, mich und meine Liebsten zu beschützen, sollten wir einmal in eine brenzlige Situation kommen." Deshalb wäre der Sport auch für Frauen super geeignet, man wäre damit optimal auf mögliche Übergriffe vorbereitet. Eine der erfolgreichsten Sportlerin der Szene ist ebenfalls eine Frau. Ronda Rousey ist in den USA ein echter Star und kämpft im Ultimate Fighting Championship (UFC). Die US-amerikanische Mixed-Martial-Arts-Organisation ist der weltweit größte Veranstalter und Marktführer, wenn es um MMA geht. Gestützt werden diese Aussagen von einer Studie der John Hopkins Universität in Baltimore.
Die Schwere und Häufigkeit von Verletzungen in regulierten Mixed Martial Arts Kämpfen unterscheiden sich demnach nicht von anderen Kampfsportarten. In ihrer 2008 veröffentlichten Studie hat das Team um Dr. Gregory H. Bledsoe insgesamt 635 Kämpfe der Ultimate Fighting Championship (UFC) untersucht, die unter dem Reglement der "Unified Rules of Mixed Martial Arts" stattgefunden hatten. Während der Wettkämpfe erlitten 300 der 1.270 Athleten Verletzungen. Die häufigsten aufgezeichneten Verletzungen waren Platzwunden und Verletzungen der oberen Extremitäten. Die Verletzungsrate lag dabei bei 23,6 pro 100 Kämpfen. Das entspricht in etwa der Verletzungsrate beim Boxen, die bei rund 20 liegt. Die Studie zeigt außerdem, dass die Knockoutquote bei regulierten MMA-Kämpfen nur rund die Hälfte der 11,3 Prozent im Boxen beträgt. Im MMA-Regelwerk steht: "Wenn der Gegner sich nicht mehr intelligent verteidigen kann, dann wird der Kampf sofort abgebrochen." Der Deutsche Ärztetag formulierte 2010 dagegen, dass primäres Ziel bei einem MMA-Kampf sei "die Verletzung des Gegners an Körper, Gesundheit und Leben". "We Love MMA"-Veranstalter Marcus Wortmeier sagte zu dem Thema in der Berliner Zeitung: "Das Risiko muss doch jedem bewusst sein, egal ob er Eishockey spielt, Fußball spielt, boxt oder MMA macht, oder Auto- beziehungsweise Motorradrennen fährt. Da kann es überall zu tödlichen Unfällen kommen. Die Frage ist eine andere: Ist das Risiko zu sterben bei MMA höher oder nicht? Und da haben Studien bewiesen, dass es nicht höher ist."
Blessuren gehören dazu
Ganz verletzungsfrei geht es in jedem Fall auch bei Lovric und Karopetian nicht zu: Rippen gebrochen, Ellenbogen angeknackst, Fußgelenk verletzt, Daumen, Zehen und Finger verstaucht oder Schlüsselbein angebrochen. Das gehöre eben dazu, erklären sie unisono. Beide trainieren im Übrigen hart für ihren ersten Kampf in Berlin. Fünf- bis sechsmal die Woche sind sie zu Gast im Studio von Georg Gedecke in der Eulenstraße. Dann wird bis zu drei Stunden lang an der eigenen Kampftechnik gefeilt. "Das passiert oft in Gruppen. Es ist wichtig, sich auf alle möglichen Gegner einzustellen. So trainieren wir mit leichteren, schnelleren und auch größeren und schwereren Partnern", erzählt Lovric. Wichtig für einen guten Kämpfer seien optimale Fähigkeiten im Ringen und im Jiu-Jitsu. Das sorge dafür, dass man nicht ohne weiteres auf den Boden geschickt werden könne. "Natürlich sollte man aber auch ganz gut schlagen können", ergänzt Lovric. Und wo soll es einmal hingehen? Karopetian sagt:
"Es ist mein Traum für die UFC zu kämpfen." Auch Lovric hat dieses Ziel: "Die besten Sportler treffen da aufeinander, natürlich möchte ich da einmal hin." Erst einmal treten die Beiden aber in Berlin an. Bei "We Love MMA" kamen zu den letzten Veranstaltungen rund 5.000 Zuschauer. Zahlen die zeigen, dass der Sport auch in Deutschland wieder auf dem Vormarsch ist. Der Einlass ist aber immer erst ab 18 Jahren gestattet. Lovric kämpft im Weltergewicht, Karopetian tritt im Leichtgewicht an. Im Studio in Braunschweig sind übrigens Sportler und Sportlerinnen aus allen gesellschaftlichen Schichten und verschiedenster Nationen zu Gast. Die Komplexität des Sports mit Techniken aus dem Boxen, Kickboxen, Muay Thai, Ringen, Judo und Brazilian Jiu Jitsu reizt immer mehr Menschen. Auch Anfänger sind willkommen.