Braunschweig. Gemeinsam mit der Polizeiinspektion Braunschweig und dem Städtischen Klinikum hat die Stadt Braunschweig ein auf zunächst zwei Jahre angelegtes Pilotvorhaben zur Ausnüchterung von stark alkoholisierten Menschen im Polizeigewahrsam entwickelt. Dieses Projekt soll ab dem 1. Oktober beginnen. Ziel ist es, künftig nur diejenigen alkoholisierten Patienten im Krankenhaus zu behandeln, die auch eine medizinische Therapie benötigen. Personen, die lediglich ausnüchtern müssen, sollen dies unter ärztlicher Überwachung im Polizeigewahrsam tun. Bisher war es so, dass Menschen, die insbesondere nachts und am Wochenende aufgrund von starker Alkoholisierung Hilfe benötigten, überwiegend ins Krankenhaus eingeliefert wurden und dort dann zur Ausnüchterung blieben. Dies berichtet die Stadt Braunschweig.
Die Eckpunkte dieses Konzepts hat die Verwaltung dem Rat jetzt zu seiner Sitzung am 14. Juli vorgelegt. Vorgesehen im städtischen Haushalt sind jährlich 60.000 Euro für das Pilotvorhaben.
"Niedersachsenweit einzigartige Lösung"
Mit der jetzt gefundenen Vereinbarung zu einem Braunschweiger Modell "Ausnüchterung intoxikierter Personen im Polizeigewahrsam", das sich an einem ähnlichen Vorhaben der Stadt Stuttgart orientiert, sei eine niedersachsenweit bisher einmalige Lösung zur Verbesserung des Ressourceneinsatzes aufseiten des Klinikums und bei der Polizei gemäß ihrer jeweiligen Zuständigkeit gefunden worden, erläuterte Erster Stadtrat Christian Geiger, zuständiger Dezernent für die Feuerwehr und damit den ebenfalls beteiligten Rettungsdienst und zugleich auch Aufsichtsratsvorsitzender des Städtischen Klinikums. Es seien in den vergangenen Jahren zunehmend mehr alkoholisierte Personen ins Klinikum eingeliefert worden, die keine besondere medizinische Behandlung benötigten. Dass sie künftig stärker bei der Polizei in Gewahrsam genommen werden und dort ausnüchtern, sei auch unter Sicherheitsaspekten notwendig. Die Ersteinschätzung, wo die Patienten am besten behandelt werden, treffe der Rettungsdienst, so Geiger. Ein ärztlicher Dienst sei gleichwohl auch bei der Polizei nötig, da durch Folgediagnosen doch eine therapeutische Behandlung im Klinikum angezeigt sein kann. Die Kosten für diesen medizinischen Dienst bei der Polizei sollen über die städtischen Gelder abgesichert werden, erläuterte Geiger. Bereits nach einem Jahr würden dem Rat erste Erfahrungen mit dem Projekt mitgeteilt.
"Schutz der Mitarbeiter muss gewährleistet sein"
Dr. Thomas Bartkiewicz, Ärztlicher Direktor des Städtischen Klinikums, geht davon aus, dass etwa 50 Prozent der stark alkoholisierten Personen, die im Klinikum derzeit noch behandelt werden, im Polizeigewahrsam ausreichend aufgehoben wären, zumal Menschen unter Alkoholeinfluss zunehmend Übergriffe und Gewalt gegenüber dem Klinikpersonal zeigten und zum Teil andere psychiatrische Notfallpatienten im Klinikum Braunschweig bedrohten. Auch Waffengewalt spiele dabei zunehmend eine Rolle. Zum Schutz der Mitarbeiter mussten bereits diverse Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden.
"Ich bin überzeugt, dass wir ein vielversprechendes Projekt auf den Weg bringen. Dies ist in seiner Konzeption und Umsetzung einzigartig in Niedersachsen. Für die Mitarbeitenden des Klinikums bedeutet es mehr Schutz vor eskalierenden Situationen durch betrunkene oder berauschte Menschen und für die Klinik für Psychiatrie mehr Zeit für die Menschen, die die Hilfe einer psychiatrischen Klinik benötigen“, fasste Dr. Bartkiewicz zusammen.
Ärztlicher Bereich wird in der Polizeiinspektion eingerichtet
Vorgesehen ist jetzt, dass im Polizeigewahrsam der Polizeiinspektion Braunschweig in der Friedrich-Voigtländer-Straße 41 ein für die Aufgaben des ärztlichen Dienstes geeigneter Bereich eingerichtet wird, erläuterte Inspektionsleiter Axel Werner. Dort werde dann ein ärztlicher Monitoring-Dienst betrieben, der die ärztliche Untersuchung und Überwachung während der Ausnüchterungsphase sicherstellen soll. In der Pilotphase von zwei Jahren solle das Polizeigewahrsam an bestimmten Zeiten am Wochenende und bei Bedarf (zum Beispiel Silvester, Himmelfahrt oder Schoduvel ) mit einem Arzt besetzt sein.
Werner: „Aus Sicht der Polizei Braunschweig erwarten wir durch das Projekt eine deutliche Entlastung durch den Wegfall von Fahrten Betrunkener oder sonst unter dem Einfluss berauschender Mittel stehender Menschen in ein Krankenhaus zur ärztlichen Begutachtung im Hinblick auf deren Gewahrsamsfähigkeit. Darüber hinaus sehe ich eine Reduzierung des Aufwandes aufseiten der Polizei bei der Entnahme richterlich angeordneter Blutproben. Dies insbesondere zu den sogenannten „Hot-Spot-Zeiten“ an den Wochenenden, bestimmten Feiertagen und bei Veranstaltungen. Ich freue mich sehr, dass es uns gemeinsam in verhältnismäßig kurzer Zeit gelungen ist, dieses in Niedersachsen einzigartige Projekt auf den Weg zu bringen.“
Ärzte entscheiden über Polizeigewahrsam
Das Medizinische Versorgungszentren am Städtischen Klinikum Braunschweig GmbH (MVZ) übernimmt dabei die Aufgabe der Organisation des Ärztlichen Dienstes bei der Polizei. Die Ärzte entscheiden aus medizinischer Sicht über den Verbleib im Gewahrsam oder einen Transport in die Klinik und stellen die ärztliche Überwachung der Personen im Polizeigewahrsam sicher. Bei einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes nehmen sie die erforderliche Krankenhauseinweisung vor.
Während die Polizei den Patienten, die im Polizeigewahrsams ausnüchtern, eine Gebühr von etwa 70 Euro in Rechnung stellt, kann die ärztliche Betreuung von ihr derzeit nicht abgerechnet werden. Dies soll daher während des Modellprojekts mit Blick auf Aufwand und Ertrag nicht auf die Nutzer umgelegt und eingetrieben werden. Bei einer Fortsetzung des Projekts nach erfolgreicher Evaluierung ist dann auch zu prüfen, inwieweit diese Kosten bei den Verursachern geltend gemacht werden.
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