Braunschweig. Für Pilzfans ist der Herbst die Hauptsaison, denn die feuchteren Bedingungen und sinkenden Temperaturen sind ideal für das Wachstum der Pilze. Wenn sich Dr. Henrik-Alexander Christ und Dr. Steffen Sydow vom Fraunhofer WKI auf die Suche nach Pilzen begeben, interessieren sie sich jedoch nicht nur für den Fruchtkörper. Für die Forscher ist vor allem das fadenförmige Geflecht der Hyphen, das sogenannte Myzel, spannend, wie es in einer Pressemitteilung heißt.
Das Myzel befindet sich unter der Erde und seine Fähigkeiten lassen sich für die Herstellung unterschiedlicher Materialien nutzen. Die beiden Forscher beschäftigen sich mit dem Potenzial myzelbasierter Werkstoffe zum Beispiel für den Einsatz in der Baubranche. Als Myzel wird die Gesamtheit der fadenförmigen Zellen eines Pilzes bezeichnet. Bei der Zersetzung von organischen Materialien bildet das Myzel ein dreidimensionales Netzwerk, aus dem sich eine selbsttragende Struktur ergibt. Im Rahmen des Stoffwechselprozesses werden Substrate wie Sägespäne vom Myzel durchzogen. Dabei entsteht ein weiches, schwammartiges und rein organisches Verbundmaterial, das in jede gewünschte Form gebracht werden kann. »Das Myzel hat sozusagen die Funktion eines biologisch gewachsenen Klebstoffs«, fasst Dr. Christ zusammen.
Eigenschaften können gezielt erzeugt werden
Am Fraunhofer WKI zeigen die Forscher, welche Potenziale im Bauen mit Myzel stecken. »Durch die Verwendung von organischen Substraten wie Fasern aus Elefantengras können wir Reststoffe nutzen, um einen zu 100 Prozent biobasierten, abbaubaren, nachwachsenden und energiearmen Baustoff herzustellen. Mithilfe verschiedener Verfahren können die gewünschten Eigenschaften und Leistungsmerkmale des Baustoffs, wie Textur, Festigkeit, Elastizität und Faserorientierung, gesteuert und gezielt erzeugt werden«, erläutert Dr. Steffen Sydow, Wissenschaftler am Fraunhofer WKI.
Bühnenbild für das Staatstheater
In Zusammenarbeit mit lokalen Kooperationspartnern aus Braunschweig konnten die Forscher bereits nachhaltige Wärmedämmstoffe für Gebäude herstellen. Auch ein Bühnenbild für das Staatstheater Braunschweig ist aus Elefantengrasfasern entstanden, die mit Myzel durchwachsen waren. Außerdem haben die Forscher Lampenschirme für die Leuchten auf der Bühne des Theaters hergestellt, berichtet Dr. Sydow: » Mit den Lampenschirmen konnten wir die Kompetenz des Fraunhofer WKI auf eine weitere Weise unter Beweis stellen. Die pilzartig geformten Schirme bestehen aus teilweise heißgepresstem Myzelmaterial. Es gibt zahlreiche weitere potenzielle Einsatzmöglichkeiten für heißgepresste Myzelmaterialien, an denen wir sehr gern weiterforschen würden.«

