Braunschweig. Sich nicht alles vom Chef gefallen lassen: Beschäftigte, die sich in Braunschweig über schlechte Arbeitsbedingungen ärgern, sollen sich stärker um ihre Interessen kümmern – und einen Betriebsrat gründen, wo es noch keine Arbeitnehmervertretung gibt. Dazu hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) anlässlich des 100-jährigen Bestehens von Betriebsräten in Deutschland aufgerufen.
„Gerade in kleinen Bäckereien, Restaurants und Pensionen brauchen wir mehr Betriebsräte. Denn ohne das Sprachrohr der Belegschaft ziehen Beschäftigte oft den Kürzeren – von der Arbeitszeit bis zur Personalplanung“, betont Katja Derer von der NGG Süd-Ost-Niedersachsen-Harz. Nach Angaben der Arbeitsagentur würden in Braunschweig 32.600 Menschen in Kleinbetrieben mit weniger als 50 Mitarbeitern arbeiten – Kleinstbetriebe mit bis zu fünf Beschäftigten ausgenommen. Die Gründung eines Betriebsrats ist in Firmen ab fünf Beschäftigten möglich.
„Betriebsräte helfen nicht nur, Jobs zu sichern. Sie geben auch kreative Impulse aus der Belegschaft an die Chefetage weiter und tragen dazu bei, Firmen fit für die Zukunft zu machen“, unterstreicht NGG-Geschäftsführerin Derer. Mit Blick auf die Digitalisierung seien die Arbeitnehmervertreter wichtiger denn je. Von neuen Rezepturen in der Lebensmittelherstellung bis hin zur Software-Umstellung in der Gastro-Kasse – „am Ende profitiert auch das Unternehmen“, so Derer. Nach einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung seien Firmen mit Betriebsrat durchschnittlich 18 Prozent produktiver als solche ohne. Der Grund: Arbeitnehmervertretungen erkennen Probleme im Arbeitsalltag schneller und sorgen für einen besseren Austausch zwischen Belegschaft und Management.
Unterstützung beim Aufbau einer Arbeitnehmervertretung
Trotzdem sei die Zahl der Betriebsräte in den letzten Jahren zurückgegangen. Konnten in Niedersachsen im Jahr 2002 noch 50 Prozent aller Beschäftigten auf einen Betriebsrat zählen, so waren es im Jahr 2018 nur noch 44 Prozent. Das gehe aus einer aktuellen Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Nach Einschätzung von Gewerkschafterin Derer seien vor allem in den Dienstleistungsbranchen die vielen befristeten Verträge und die zunehmende Fluktuation in den Belegschaften ein Problem, an denen Betriebsratsstrukturen scheitern können. Aber auch Verunsicherung oder Angst würden für die Beschäftigten eine Rolle spielen. „In Bäckereien, Hotels und Metzgereien schrecken Beschäftigte oft vor einer Betriebsratsgründung zurück. Doch niemand sollte sich um sein gutes Recht bringen lassen, man muss es aber behutsam angehen.“ Die NGG bietet Mitgliedern Unterstützung beim Aufbau einer Arbeitnehmervertretung.
Am 4. Februar 1920 trat das Betriebsrätegesetz, der Vorläufer der heutigen Mitbestimmung, in Kraft. Die Nationalsozialisten schafften die Arbeitnehmervertretungen 1934 ab. Seit 1952 sind die Pflichten und Rechte der Betriebsräte im Betriebsverfassungsgesetz festgeschrieben.