Braunschweig. Knapp sechs Euro pro Stunde – so groß sei der statistische Unterschied bei der Bezahlung zwischen Betrieben mit und ohne Tarifvertrag. In Braunschweig mache das je nach Betrieb für viele der Beschäftigten ein Einkommensgefälle von monatlich mehreren Hundert Euro aus. Darauf hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hingewiesen.
„In tarifgebundenen Unternehmen verdienen Beschäftigte in Niedersachsen laut Statistischem Landesamt im Schnitt 17,32 Euro pro Stunde. In Betrieben ohne Tarifbindung sind es nur 11,59 Euro“, so Manfred Tessmann. Der Geschäftsführer der NGG Süd-Ost-Niedersachsen beklagt eine zunehmende „Tarifflucht“ vieler Unternehmen. Bundesweit verdienten zwar immerhin noch 57 Prozent aller Arbeitnehmer nach Tarif, die Quote drohe aber weiter zu sinken. „Auch manche Braunschweiger Arbeitgeber wollen sich um Branchenverträge drücken“, kritisiert Tessmann.
18,6 Prozent mehr Lohn
Die NGG mache sich deshalb für Flächentarifverträge stark. In der Region habe man solche etwa in der Zuckerindustrie, in der obst- und gemüseverarbeitenden Industrie und in der Brauwirtschaft durchgesetzt. Im niedersächsischen Gastgewerbe habe die Gewerkschaft zuletzt ein Lohn-Plus von 5,2 Prozent ausgehandelt. In allen NGG-Branchen erhielten Beschäftigte mit Tarifvertrag zwischen 2010 und 2016 Lohn- und Gehaltssteigerungen von insgesamt 18,6 Prozent (inflationsbereinigt zehn Prozent).
Ein Tarifvertrag bedeute nicht nur höhere Bezahlung mit mehr Weihnachtsgeld oder mehr Urlaubstagen, sagt Tessmann. Er sorge auch für bessere Arbeitsbedingungen, eine höhere Zufriedenheit bei den Mitarbeitern und ein gutes Betriebsklima, so eine Untersuchung des WSI-Tarifarchivs. „Das muss auch im Sinn der Unternehmen sein. Firmen, die nach Tarif zahlen, finden leichter Fachkräfte. Außerdem verhindern Tarifverträge einen Preiskampf nach unten und schieben der Schmutz-Konkurrenz einen Riegel vor.“
Gastgewerbe mit größten Unterschieden
Nach Angaben der NGG seien die Unterschiede bei der Bezahlung besonders im Gastgewerbe immens. So bekommen Hotelfachleute, die nach Tarif bezahlt werden, etwa 21 Prozent mehr als ihre Kollegen ohne Tarifvertrag. Das ergab eine Umfrage der Plattform lohnspiegel.de. Demnach profitieren gerade Frauen: Sie haben für alle Branchen im Schnitt 9,2 Prozent mehr in der Tasche, wenn ihr Betrieb sie tariflich bezahlt.
Die NGG fordert die Landes- und Bundespolitik auf, sich für eine stärkere Tarifbindung einzusetzen: „Wer sich um die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft sorgt, muss sich auch darum kümmern, dass die Sozialpartner gestärkt werden“, betont Tessmann. Unternehmen, die im Arbeitgeberverband seien, müssten dazu verpflichtet werden, sich an Tarifverträge zu halten.
Dabei werde der Staat auf der anderen Seite durch höhere Einkommen etwa bei der Renten-, Kranken- und Sozialversicherung entlastet. Tessmann: „Hunderte Tarifverträge allein in Niedersachsen zeigen, wie gute Arbeit und faire Bezahlung aussehen – eine Win-win-Situation für die Beschäftigten und für die Wirtschaft.“
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