Braunschweig. Die letzten Jahre meinten es nicht gut mit der Kneipen- und Ausgehkultur: Corona, Inflation und Wirtschaftskrise, aber auch das Internet und die sozialen Medien sorgten und sorgen dafür, dass deutlich seltener in Bars und Kneipen der direkte Kontakt mit den Mitmenschen gepflegt wird. Dabei hat gerade Braunschweig eine lebhafte und vielschichtige Kneipenszene zu bieten. Zu dieser ist jetzt ein Buch erschienen. regionalHeute.de sprach mit dem Autor.
"Braunschweiger Kneipengeschichten - Von Klauen, Enten und Gespenstern" heißt das Buch, das vom Wartberg Verlag veröffentlicht wurde. Dabei geht es weniger um eine Darstellung der kompletten Braunschweiger Kneipengeschichte, sondern vielmehr um selektive Anekdoten aus mehreren Jahrzehnten. Berichtet wird aus noch existierenden, aber auch aus inzwischen verschwundenen Lokalitäten. Autor ist der in Gifhorn geborene, aber seit vielen Jahren in Braunschweig wohnende Marc Halupczok, der nicht wenige dieser Anekdoten selbst erlebt hat.
Wolfsburg war schneller
Doch die Idee zu diesem Buch stammt gar nicht von ihm selbst. "Das war nicht meine Idee, sondern die meiner Agentur in München", gibt der 49-Jährige zu. Dort werde das Internet nach Reihen durchforstet, ob etwas für ihn dabei ist. Und da es im Wartberg Verlag bereits ein Buch über Wolfsburgs Kneipen gibt ("Wolfsburg Kneipengeschichten - Zwischen Tiffany und Hühner-Rudi" von Axel Bosse), wurde es Zeit, auch etwas zu Braunschweig zu machen.
"Da ich schon lange genug in verschiedenen Etablissements unterwegs bin, habe ich gleich zugesagt", so der Autor. "Es gibt einige Kneipen, in denen ich viele ulkige Sachen erlebt habe. Da lag es auf der Hand, diese zu Papier zu bringen." In der ehemaligen Studentenkneipe Funzel habe er zum Beispiel seinen 40. Geburtstag gefeiert und nicht nur zu diesem Anlass einige Geschichten erlebt. Doch auch seine Erfahrungen als DJ in der Klaue oder als Stammgast im Eintracht-verrückten Elvan hielten Einzug in das Buch.
Nur ein Drittel abgedeckt
Halupczok habe zunächst eine Liste mit Kneipen erstellt, die für das Buch in Frage kamen. Nach dem eigenen Brainstorming habe er auf das gehört, was Freunde sagen und was Freunde von Freunden sagen. Letztlich konnte aber nur ein Bruchteil – nicht einmal ein Drittel – der Kneipen abgedeckt werden, die auf dieser Liste standen.
Abgearbeitet wurde die Liste nach Möglichkeiten. Das heißt, Marc Halupczok habe sich die Frage gestellt: Wen kenne ich? Wo weiß ich, dass jemand greifbar ist? Damit angefangen, hätten sich auch andere Sachen ergeben. Bei einigen Namen habe sich aber einfach niemand gefunden, der etwas erzählen konnte, so etwa das Golem aus den 1970er Jahren, das als erster Alternativ-Rock-Schuppen in Braunschweig gilt. Häufiger sei es ein Problem gewesen, dass niemand verfügbar war, da die Verantwortlichen bereits verstorben sind.
Genug Material für Teil 2
Dass bei Weitem nicht alle Kneipen von der Liste berücksichtigt werden konnten, liege auch am geringen Umfang des Buches, der aber vom Verlag vorgegeben worden sei. "Ich könnte aus dem Stand einen zweiten Teil machen. Sofort. Material ist genug da", betont der Autor, den man auch unter seinem Pseudonym Till Burgwächter kennt. Ob es eine Fortsetzung gibt, hänge aber auch von den Verkaufszahlen des ersten Teils ab.
Die Grenze zu 100 Prozent zu ziehen, was eine Kneipe ist, sei manchmal schwierig gewesen. Er sei nach Gefühl gegangen, ob zum Beispiel ein Etablissement eher Club oder Kneipe ist. So finden zum Beispiel das Kottan oder die Klaue Erwähnung, obwohl es für viele eher Clubs waren beziehungsweise sind. Eine bestimmte Gaststätte wollte dagegen gar nicht dabei sein, weil man sich als Restaurant fühle. Das Elvan dagegen, das eigentlich als Eintracht-Restaurant bekannt war, ist mit einigen Geschichten vertreten. "Für mich war das eher eine Kneipe. Ich habe eine Zeit lang schräg gegenüber gewohnt und war Stammgast", so Halupczok.
Persönliche Gespräche am effektivsten
Das Buch schildert neben Erlebnissen mit tierischen Gästen, unangenehmen Besuchern oder den seltsamen Gewohnheiten von Prominenten teilweise auch recht detailliert die Geschichten der Kneipen, so etwa zur Silberquelle oder Tante Puttchen. Als Quellen seien dabei die persönlichen Gespräche am effektivsten gewesen. "Das geht natürlich nur, so lange jemand verfügbar ist", betont der Autor. Dabei sei es egal ob Wirt, Ex-Wirt oder Stammgast. Skurrile Anekdoten habe er überall zu hören bekommen. Und in fast jedem Laden auch die Worte: "Das kannst du jetzt aber nicht schreiben!"
In einigen Fällen habe der Autor auch im Internet geforscht. Dabei sei ihm aber ein Kuriosum aufgefallen. "Ich hatte eigentlich gedacht, im Internet wird alles aufbewahrt, aber Kneipen verschwinden einfach und sind weg", so der Autor. Nur in sehr seltenen Fällen gebe es einen Wikipedia-Eintrag oder eine Erinnerungs-Seite zu nicht mehr existierenden Lokalitäten.
Hat die Kneipe Zukunft?
Eine Frage liegt noch auf der Hand: "Gibt es in der heutigen Zeit noch einen Bedarf an Kneipen? Hat die Kneipe Zukunft?" Dies habe er sich beim Schreiben des Buches einige Male selbst gefragt, so Marc Halupczok. Denn viele Geschichten stammten aus der Vergangenheit. Das Kneipensterben sei spürbar.
Aber es gebe noch einen Bedarf, ist sich der Autor sicher. Bestes Beispiel sei die Barnaby´s Blues Bar, in der das Interview geführt wurde, und die sich auch an einem Dienstagabend gut füllte - mit überwiegend jungen Leuten. Der Erfolg hänge vom Standort ab, aber auch ganz besonders vom Wirt. Wenn der in der Lage sei, Leute zu binden, dann kämen die Leute auch häufiger, meint Halupczok.
"Es wird weniger"
Doch Fakt sei auch, dass die Leute nicht mehr so viel Geld für Bier in der Kneipe ausgeben. Es wird weniger. "Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es in den nächsten 20 Jahren komplett ausstirbt", so der Autor. Gerade auch Studenten würden weiter in die Kneipe gehen. Events wie Kneipenquiz, Bingo-Abend, Lesungen und kleine Konzerte könnten helfen, die Attraktivität zu steigern, wenn es nicht übertrieben wird. Sein 50. Geburtstag, der in diesem Jahr noch ansteht, wird von Marc Halupczok natürlich auch groß in einer Braunschweiger Kneipe gefeiert. Na dann, Prost!

