Braunschweig. Dr. Christian Frey ist im Glück. Der Historiker von der Technischen Universität Braunschweig (TU) steht auf einer Wiese im Kreis Gifhorn und freut sich: "Es ist ein echtes Jubelerlebnis, die Hände in diesen tausendjährigen Dreck zu stecken." Zusammen mit Geschichtsstudenten der TU und Archäologiestudenten aus Göttingen und Halle unter der Leitung von Dr. Felix Biermann von der Georg-August-Universitätin Göttingen hat er unter dem Dreck Teile der Burg Wahrenholz gefunden.
Einen Streifen nur haben die Studenten ausgegraben, den Radius der Burganlage haben sie genutzt, um in alle Teile der Burg Einblicke zu gewinnen - vom Graben über den Wall bis zum Innenbereich, wo gewohnt wurde. Gefunden haben sie Steine, die zeigen, wie die Burg aufgebaut war, Tonscherben von Keramik aus dem 10. Jahrhundert und, darüber freuen sich die Forscher am meisten, Holzbalken aus der Befestigungsanlage, an denen sich das Alter der Burg sehr genau bestimmen lässt.
Zusammen mit dem, was man bereits über die Burg weiß, ergibt sich so ein sehr genaues Bild. Sie ist, das liest man in Aufzeichnungen aus dem Mittelalter, von Bischof Bernward von Hildesheim zwischen 993 und 997 nach Christus gebaut worden, als Schutz der Bevölkerung von "Wirinholt" vor angriffslustigen Slawen. Bernward habe, heißt es in Aufzeichnungen über sein Leben, den "Ort höchster Bedrohung für das Volk Gottes zu einem Ort des Friedens" gemacht. Denn er ließ eine Burg bauen mit etwa 60 Metern Durchmesser, eine kreisrunde Wallanlage. Drinnen war Platz für etwa 15 Krieger samt Familien, im Angriffsfall mussten auch noch Menschen aus dem Umland darin unterkommen.
Dass es die Burg gab und wo ihre Reste liegen, war schon immer bekannt. Dank der Aufzeichnungen über Bernward von Hildesheim, aber auch dank der Arbeit des Archäologen Carl Schuchhardt, der 1919 schon an dieser Stelle Grabungen gemacht hatte. Lange war die Wallanlage auch gut zu sehen gewesen. "Bis dann in den 1930er Jahren ein ignoranter Landwirt die etwa 1,80 Meter hohen Wälle abgetragen und alles eingeebnet hat", erzählt Christian Frey. Nur wer genau hinschaut, kann heute noch eine leichte Beule im Gras entdecken, die sich über die Wiese zieht.
Nach einer Woche Grabung wird alles wieder zugeschüttet
Seit Montag graben die Studenten, fotografieren, vermessen und zeichnen ihre Funde und die Lage der Balken und Steine. Am Ende dieser Woche wird alles wieder zugeschüttet - zum Schutz der Funde. "Wir könnten das hier offen lassen, dann wäre aber das Holz innerhalb kurzer Zeit vermodert", sagt Felix Biermann. "Außerdem ist die Wiese in Benutzung, der Bauer will sie wiederhaben." Es würde sich zwar lohnen, weiter zu graben und besonders den Innenhof der Burg genauer unter die Lupe zu nehmen, doch dazu fehle unter anderem auch das Geld. Zudem wolle man das Denkmal schonen. "Der Burgwall wurde schon aus ökonomischen Gründen zerstört, die Ressource ist endlich", sagt Biermann. "Da müssen wir mit Bedacht drangehen. Die Wallfront kann hier so noch vier- bis fünftausend Jahre so liegen." Es genüge zunächst, einen Einblick bekommen zu haben.
Die Scherben, die im Burginnern gefunden wurden, geben Aufschluss über das Leben vor 1000 Jahren, aber Schönheiten sind sie nicht. "Erwarten Sie kein Meißner Porzellan und auch sonst kein ästhetisches Vergnügen", warnt Biermann. Einfache Tonscherben, manche nach slawischen Vorbild leicht verziert, haben die Forscher gefunden - und Werkzeug aus einer ganz anderen Zeit. Neolithische, also aus der Jungsteinzeit stammende Steinklingen lagen mit im Boden. Biermann nimmt an, dass sie aus dem dritten Jahrtausend vor Christus stammen und seitdem in der Erde lagen, die für den Burgbau verwendet wurde.
Mit den Funden dieser Woche, Schuchhardts Aufzeichnungen von vor 100 Jahren und der "Vita Bernwardi" von vor rund 1000 Jahren sowie dank geophysikalischer Untersuchungen und Luftbildern ergibt sich ein recht genaues Bild von der Burg zu Wirinholt oder Wahrenholz. Nun stehen noch die Ergebnisse der dendrochronologischen Untersuchung aus, die anhand der Holzbalken deren Alter zu bestimmen vermag.
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