Braunschweig. Mit „emil“ und „emilia“ brachte die Technische Universität Braunschweig zwei Elektrofahrzeugprojekte auf die Straße, die das kabellose Laden von Akkus umsetzen. Im Forschungsschwerpunkt Mobilität geht sie mit LISA4CL einen Schritt weiter: Gemeinsam mit dem Projektpartner INTIS Gmbh werden erstmals Nutzfahrzeuge mit induktiver Technologie ausgestattet, können also ohne Kabel geladen werden. Ein Flottentest in Zusammenarbeit mit dem Berliner Logistik- und IT-Unternehmen Fairsenden GmbH soll zudem zeigen, dass diese Technologie die Elektrifizierung von Lieferverkehren sicher, zuverlässig und wirtschaftlich voranbringen kann. Hierüber berichtet die TU Braunschweig in einer Pressemitteilung.
Kein Kabelgewirr, keine Stecker: Beim Smartphone zählt induktives Laden bereits zum Standard. Im Alltag von Kurier-, Express- und Paketdienstleistern und anderen Logistikunternehmen spart der Verzicht auf Kabelverbindungen zum Aufladen ihrer Elektrofahrzeuge Zeit und Nerven. Aus diesem Grund bauen die TU Braunschweig und die INTIS GmbH in dem auf drei Jahre angelegten Forschungsprojekt LISA4CL erstmals induktive Ladetechnik in Nutzfahrzeuge eines innerstädtischen Logistikers ein. „Die TU Braunschweig hat eine lange Erfahrung mit dem induktiven Hochleistungsladen. Nach den erfolgreichen ‚emil‘-Bussen in Braunschweig wollen wir das bei LISA4CL kleiner, leichter und kostengünstiger für PKW und leichte Nutzfahrzeuge entwickeln und real erproben“, sagt Professor Bernd Engel vom elenia Institut für Hochspannungstechnik und Energiesysteme.
Vergleich von kabelloser und herkömmlicher Ladetechnik
Beim Flottentest mit Fairsenden GmbH in Berlin kommen Transportfahrzeuge zum Einsatz. Dabei wird ein Elektrofahrzeug vom Typ VW e-Crafter mit induktiver Ladetechnik ausgestattet und der Ladeplatz entsprechend vorbereitet, um eine praktische Erprobung zu ermöglichen. Um einen Vergleich von induktiver Technik zu dem bislang noch üblichen Stecker-Laden ziehen zu können, werden im Flottentest auch Fahrzeuge mit herkömmlicher Ladetechnik betrieben. Die induktive Ladetechnik soll nicht nur sicher und zuverlässig, sondern auch für Logistiker flexibel und wirtschaftlich sein.
Emissionsfreier Betrieb
Die Braunschweiger Forscherinnen und Forscher setzen sich noch weitere zentrale Projektziele: So entwickeln sie Konzepte, die das Laden der Fahrzeuge mit einem hohen Anteil an erneuerbarer Energie ermöglichen. Gleichzeitig wollen sie ein integriertes Lademanagement nutzen, um eine Überlastung der lokalen Verteilungsnetze zu verhindern.
Genormte Innovation
Damit jedes induktiv ladbare Fahrzeug auch jede induktive Ladestation nutzen kann, läuft die Standardisierung dieser Technik auf vollen Touren. Im Frühjahr 2022 wird die internationale Normungsorganisation International Electrotechnical Commission (IEC) weitere Normen veröffentlichen, sodass dann eine komplette Normenserie für das induktive Laden im öffentlichen Raum zur Verfügung stehen wird. Der Projektpartner INTIS ist davon überzeugt, dass sich mit diesem Normungsstand das induktive Laden von Fahrzeugen im öffentlichen Raum spätestens ab 2024 durchsetzen könnte.
Die Normen decken bisher den Leistungsbereich von 3,6 bis 11 Kilowatt ab. Ladesysteme mit einer Ladeleistung von bis zu 22 Kilowatt sind in den Normen vorgesehen, bezüglich ihrer Übertragungsspulen jedoch noch nicht vollständig ausgearbeitet. Im Interesse eines weiteren Standardisierungsfortschritts sollen LISA4CL-Fahrzeuge und -Ladestationen mit Übertragungsspulen der Leistungsklasse 22 Kilowatt ausgestattet werden. Dadurch werden sich die Ladezeiten verkürzen lassen, die Fahrer*innen verlieren weniger Zeit mit Ladevorgängen. Zudem werden mehr Fahrzeuge pro Tag eine Ladestation nutzen können.
Um die Auslastung induktiver Ladestationen dieser Leistungsklasse weiter zu erhöhen, arbeiten die Projektpartner an weitestgehender Abwärtskompatibilität ihrer Ladetechnik mit den bereits in den Normen berücksichtigten Leistungsklassen. „Kabelloses Laden ist für uns nicht nur eine Technologie, die das Laden von E-Fahrzeugen komfortabler machen wird, sondern vorrangig eine Technologie mit hohem Potenzial für das automatisierte Laden, zum Beispiel für autonome Fahranwendungen. Das Ziel der Abwärtskompatibilität mit bereits standardisierten Systemen macht LISA4CL für uns so spannend“, sagt INTIS-Geschäftsführer Dr. Ralf Effenberger.
Reicher Erfahrungsschatz
Die beiden Projektpartner können auf lange Erfahrungen beim Alltagseinsatz induktiver Ladesysteme zurückgreifen. Mit „emil“ und „emilia“ brachte die Technische Universität Braunschweig zuvor zwei Elektrofahrzeugprojekte auf die Straße, die das kabellose Laden von Akkus realisierten. Auch INTIS hat in der Vergangenheit verschiedene Serien-PKW mit kabelloser Ladetechnik ausgestattet, zuletzt einen BMW i3, der seit mehr als zwei Jahren störungsfrei im Einsatz ist.
Zur induktiven Ladetechnik
Beim induktiven kabellosen Laden übertragen zwei Magnetspulen die Energie zum Nachladen der Fahrzeugbatterie. Eine der Spulen ist unter dem Fahrzeug angeordnet, die andere im Boden eingelassen. Induktive Ladestationen sind wartungsfrei, unauffällig und mit robusten Bodenplatten nahezu überall einsetzbar. In Zukunft wäre sogar „Snack-Charging“ möglich. Das Fahrzeug lädt dann an einer roten Ampel beiläufig mal eben seine Akkus wieder auf.
Projekt wird vom Bund gefördert
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) fördert das Projekt LISA4CL für drei Jahre mit rund 1,6 Millionen Euro bis April 2023. Als Projektkoordinator erhält die TU Braunschweig über 1,3 Millionen Euro, aufgeteilt auf das elenia Institut für Hochspannungstechnik und Energiesysteme und das Institut für Elektrische Maschinen, Antriebe und Bahnen (IMAB). Neben dem Projektpartner INTIS GmbH sind Fairsenden, die Berliner Agentur für Elektromobilität und VW Nutzfahrzeuge assoziierte Partner. Die Umsetzung der Förderrichtlinie wird von der NOW Nationale Organisation Wasserstoff-und Brennstoffzellentechnologie koordiniert. Der Projektträger Jülich fungiert als Projektträger im Rahmen dieses Projektes.
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