Warum weibliche Genitalverstümmelung auch in Braunschweig ein Thema ist

Eine Fachtagung am heutigen Mittwoch war mit über hundert Anmeldungen ausgebucht. Ziel ist es, in Braunschweig eine Unterstützungs- und Hilfestruktur für betroffene Frauen zu entwickeln.

Die Veranstaltung fand im Haus der Kulturen statt. Symbolbild
Die Veranstaltung fand im Haus der Kulturen statt. Symbolbild | Foto: Alexander Dontscheff

Braunschweig. Die Fachtagung mit dem Titel „Weibliche Genitalverstümmelung in Medizin, Beratung und Prävention“ am heutigen Mittwoch war mit über hundert Anmeldungen ausgebucht und der große Saal im Haus der Kulturen entsprechend voll besetzt. Von diesem großen Interesse an einer interdisziplinären Weiterbildung zu einem gesellschaftlich noch stark tabuisierten Thema, zeigten die Veranstalterinnen sich beeindruckt. Das berichtet das Gleichstellungsreferat der Stadt Braunschweig in einer Pressemeldung.



Zehn Vertreterinnen unterschiedlicher Professionen schlossen sich 2022 zu einer Projektgruppe „FGM/C in Braunschweig“ (FGM/C ist die internationale Abkürzung für weibliche Genitalverstümmelung / Genitalbeschneidung) zusammen, um in Braunschweig eine Unterstützungs- und Hilfestruktur für betroffene Frauen anzustoßen. Hierzu gehören Henriette Wolf als Leiterin der Hebammenzentrale, die Ärztinnen Dr. Almuth Wollschläger (profamilia Braunschweig), Melek Gültepe (Krankenhaus Marienstift), Dr. Iris Witt (Gesundheitsamt), sowie Mitarbeiterinnen aus dem Büro für Migrationsfragen, dem Gleichstellungsreferat, dem Haus der Kulturen und der Braunschweiger Aidshilfe.

Wirksame Schutz- und Hilfestrukturen


Die Organisation dieses Fachtages war für die Projektgruppe ein wichtiger Baustein, um zu diesem Thema zu sensibilisieren und Fachleute aus Medizin, Geburtshilfe, Sozialarbeit und Pädagogik, die mit betroffenen Frauen in Kontakt kommen, zu schulen. Ein weiterer Baustein ist das im November 2022 gegründete Netzwerk, das helfen soll, Interventionsketten und wirksame Schutz- und Hilfestrukturen zu entwickeln. Die Sozialdezernentin Dr. Christina Rentzsch hielt ein Grußwort. Sie machte deutlich, warum für eine Stadt wie Braunschweig wichtig ist, ein solches Thema anzugehen.

Durch die vermehrte Zuwanderung aus Ländern, in denen die Genitalbeschneidung praktiziert wird, werden gerade in deutschen Großstädten die Frauen zahlreicher, die unter den Folgen dieses Eingriffs leiden. Die Folgen können von Schmerzen, Entzündungen und Blutungen bis zu Komplikationen in der Schwangerschaft und unter der Geburt führen.

Schwere Körperverletzung


In Deutschland gilt die weibliche Genitalbeschneidung als schwere Körperverletzung und ist strafbar. Die Gynäkologin Dr. Elke Schrage berichtete beim Fachtag von ihrem langjährigen Einsatz für betroffene Frauen rund um Schwangerschaft und Geburt. Mona Khogali, die den Verein „Mein Körper gehört mir!“ e.V. gründete, bietet mit ehrenamtlichen Mitstreiterinnen Beratung und Begleitung an. Sie beschrieb die Schwierigkeiten, hilfesuchende Frauen an geeignete Fachleute zu verweisen. Hierfür sind oft lange Wege nötig und diese bedeuten für die Betroffenen hohe Hürden und eine zusätzliche Belastung. Die Arbeit der Projektgruppe begrüßt Khogali daher, und sie unterstützt den Aufbau einer Hilfestruktur in Braunschweig mit ihrem Verein.

„Es geht darum, eine Versorgungslücke zu schließen“, erläuterte Marion Lenz, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Braunschweig. „Braunschweig steht hier noch ganz am Anfang. Das Interesse an der Weiterbildung macht jedoch deutlich, dass FGM/C für Braunschweig ein Thema geworden ist und dass die Fachleute in der Praxis sich Informationen und Handlungssicherheit wünschen, um betroffenen Frauen zu helfen.“

Weltweit in zahlreichen Ländern


Weibliche Genitalverstümmelung wird weltweit in zahlreichen Ländern praktiziert. In einigen Ländern liegt die Beschneidungsrate bei über 80 Prozent der Einwohnerinnen. Laut Terres des Femmes liegt nach einer aktuellen Dunkelfeldstudie die geschätzte Anzahl betroffener Frauen in Deutschland bei zirka 103.000, die Zahl der gefährdeten Mädchen bei 17.200. Weltweit sind mindestens 200 Millionen Frauen von weiblicher Genitalverstümmelung betroffen.


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