Wie Herpes hilft, das Immunsystem zu verstehen


3D-Illustration eines Mitglieds der Herpesvirus-Familie. Foto: Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung GmbH/Fotolia/Kateryna_Kon
3D-Illustration eines Mitglieds der Herpesvirus-Familie. Foto: Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung GmbH/Fotolia/Kateryna_Kon | Foto: Pixabay

Braunschweig. Ein Forschungsteam des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und der Technischen Universität Braunschweig hat ein Protein von Herpesviren entdeckt, das eine Komponente der Immunabwehr gezielt ausschaltet, einen anderen Teil jedoch für seine eigenen Zwecke nutzt. Dies ermöglicht es dem Virus, den Wirtsorganismus erfolgreich zu infizieren. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher nun im Fachjournal The EMBO Journal. Das teilt das HZI mit.


Herpesviren begleiten den Menschen seit Millionen von Jahren und haben in dieser Zeit gelernt, das Immunsystem so geschickt zu manipulieren, dass es sie nicht beseitigen kann. So verbleiben die Viren lebenslang im Körper. Wie sie dies erreichen, ist bislang unzureichend bekannt.

Ein wichtiger Vertreter der großen Familie der Herpesviren ist das Cytomegalievirus (CMV). Ungefähr die Hälfte der deutschen Bevölkerung ist mit diesem Virus infiziert. „Während der Schwangerschaft kann eine CMV-Infektion der Mutter für das ungeborene Kind eine große Gefahr darstellen. Das Virus kann auf den Fötus übertragen werden und schwere Schäden wie Taubheit und Entwicklungsstörungen verursachen“, sagt Prof. Melanie Brinkmann, die am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung die Arbeitsgruppe „Virale Immunmodulation“ leitet und seit Juli 2018 Professorin an der Technischen Universität Braunschweig ist.

Es gibt noch keinen Impfstoff


Ein Impfstoff gegen CMV existiert bislang nicht, da die Mechanismen, wie dieses Virus die Immunantwort manipuliert, noch nicht vollständig aufgeklärt sind. „Um CMV-Infektionen erfolgreich bekämpfen zu können, müssen wir verstehen, wie dieses Virus unser Immunsystem zu seinen Gunsten nutzt“, sagt Brinkmann. Im Rahmen des von der Helmholtz-Gemeinschaft geförderten Virtuellen Instituts „Virale Strategien der Immunevasion“ (VISTRIE) hat Brinkmanns Forschungsgruppe ein Werkzeug von CMV identifiziert, mit dem das Virus die antivirale Immunabwehr schon kurz nach Eintritt in den Wirt abschwächt.

Dieses Werkzeug ist ein Protein mit dem Namen „m152“. Das Angriffsziel von m152 in der Wirtszelle ist das Protein „STING“. Normalerweise wird STING bei einer Virusinfektion von einem Sensor aktiviert, der die virale Erbsubstanz erkennt. Daraufhin setzt STING eine Signalkaskade in Gang, die über ausgeschüttete Botenstoffe die infizierte Zelle und deren Nachbarzellen in Alarmbereitschaft versetzt. Dies verhindert, dass sich die virale Infektion ausbreitet, denn bereits vorgewarnte Zellen lassen sich nicht mehr infizieren.

So wird die Immunabwehr blockiert


Auf das Protein m152 sind die HZI-Forscher durch ein von ihnen entwickeltes Screening-Verfahren gestoßen: Damit haben sie mehr als 170 CMV-Proteine daraufhin untersucht, ob sie die antivirale Immunabwehr blockieren können. Mittels biochemischer und zellbiologischer Experimente konnten sie zeigen, dass m152 an das Protein STING bindet und deshalb die Aktivierung der von STING vermittelten Signalkaskade stark verlangsamt wird. „In CMV-infizierten Zellen konnten wir mithilfe von genetisch veränderten Viren in der Videomikroskopie sehen, dass die Aktivierung von STING deutlich langsamer erfolgt, wenn das Protein m152 intakt ist“, sagt Markus Stempel, Doktorand in Brinkmanns Team und Erstautor der Publikation. „So verschafft sich das Virus ein Zeitfenster, in dem es seine eigene Vermehrung in Gang bringen kann, bevor es vom Immunsystem angegriffen wird.“

Durch die detaillierte Studie dieses Mechanismus konnten die Forscher ebenfalls neue Einblicke in die Funktionsweise des Proteins STING während einer Infektion mit CMV erlangen: STING aktiviert zusätzlich eine weitere Signalkaskade, die jedoch nicht die Virusinfektion eindämmt, sondern sogar vom Virus genutzt wird, um neue Nachkommen zu produzieren. „STING hat sozusagen zwei Gesichter: Mit einer Signalkaskade bekämpft es die Virusinfektion, was CMV mithilfe von m152 jedoch elegant umgeht; mit einer zweiten Kaskade unterstützt STING dagegen die Virusvermehrung“, sagt Brinkmann.

Die neue Erkenntnisse sollen helfen, Herpes-Infektionen zu bekämpfen


„Diese Studie ist ein sehr anschauliches Beispiel dafür, dass unsere Forschung an Viren neue Einblicke in zelluläre Abläufe liefern kann.“ In Zukunft möchte Brinkmanns Team in Kollaboration mit Forschern des HZI, der Technischen Universität Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) die neuen Erkenntnisse nutzen, um antivirale Substanzen für die Behandlung von CMV-Infektionen zu identifizieren.


mehr News aus Braunschweig


Themen zu diesem Artikel


Helmholtz-Zentrum