Braunschweig. Der Schriftsteller Thomas Hettche (49) hat für seinen Roman „Pfaueninsel“ den von der Stadt Braunschweig und dem Deutschlandfunk gestifteten und mit 30.000 Euro dotierten Wilhelm Raabe-Literaturpreis 2014 erhalten. Der Braunschweiger Oberbürgermeister Ulrich Markurth und Deutschlandradio-Programmdirektor Andreas-Peter Weber überreichten die Auszeichnung im Rahmen einer Matinee im Kleinen Haus am Sonntag.
Der Roman des diesjährigen Preisträgers „Pfaueninsel“ trägt einen überzeitlichen Glanz und ist doch ein souverän verfasstes literarisches Werk ganz von heute, heißt es in der Begründung der Jury. Das Werk befasst sich mit der Grundfrage, wie das Andere und Fremde geordnet wird in einer Kultur der permanenten Wandlungen. Indem Thomas Hettche seine Protagonistin genau verfolgt, begleitet er den Wandel einer ganzen Epoche. Die Laudatio hielt der Literaturkritiker Richard Kämmerlings. Das Buch stand bereits auf der Shortlist zum deutschen Buchpreis, musste sich aber Lutz Seilers DDR-Roman "Kruso" geschlagen geben.
Die Auszeichnung wurde im Jahr 2000 gestiftet. Zunächst wurde der Preis alle zwei Jahre verliehen, seit 2010 wird er jährlich an ein in deutscher Sprache verfasstes, erzählerisches Werk vergeben und ist einer der renommiertesten Literaturauszeichnungen im deutschsprachigen Raum. Es muss im Vergabejahr erschienen sein. Ausgeschlossen ist die Würdigung eines Erstlingswerkes oder des Gesamtwerkes. Im vergangenen Jahr bekam die Schriftstellerin Marion Poschmann den Preis.
Hochkarätig besetzte Jury
Die Jury, bestehend aus Prof. Dr. Gerd Biegel (Präsident der Internationalen Raabe-Gesellschaft e.V.), Thomas Geiger (Literarisches Colloquium Berlin), Dr. Anja Hesse (Dezernentin für Kultur und Wissenschaft der Stadt Braunschweig), Katrin Hillgruber (u.a. Der Tagesspiegel), Sandra Kegel (FAZ), Dr. Michael Schmitt (3sat), Prof. Dr. Renate Stauf (Germanistisches Institut, TU Braunschweig), Katharina Teutsch (u.a. FAZ) und Dr. Hubert Winkels (Deutschlandfunk) begründet die Auszeichnung wie folgt:
„Die Pfaueninsel ist ein preußischer Mythos, und sie ist eine kleine Insel in der Havel als Teil eines großartigen Landschaftsgartens. Mit Thomas Hettches gleichnamigem Roman ist die Pfaueninsel nun auch Ort, Ambiente und ästhetische Bedingung einer hinreißenden tragischen Liebesgeschichte, in der Botanik, Zoologie und menschliche Sexualität miteinander verwachsen. Die Zwergin Marie, die ein historisches Vorbild hat, verliebt sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts in den Gärtnersohn Gustav. Sie muss erfahren, wie ihre Andersheit zur Deformation wird, und die Deformation sie ausschließt aus den Konventionen der zeitgenössischen Gefühle.
Dem belesenen und reflexionsstarken Autor Thomas Hettche gelingt es in diesem Roman, die Kultur- und Sittengeschichte des preußischen Arkadien zu erzählen und uns zugleich ganz nah an eine Figur heranzuführen, an deren Geschick sich der Wandel einer ganzen Epoche ablesen lässt. Von spätbarockem Überschwang bis zur technischen Rationalität des Eisenbahnzeitalters.
Sinnlich aufgeladene Sprache
Dies gelingt Thomas Hettche in einer sinnlich aufgeladenen Sprache, so distanziert klug wie menschlich einfühlsam. Die Grundfrage, wie das Andere und Fremde geordnet wird, in einer Kultur der permanenten Wandlungen, ist drängend aktuell, ohne dass der Roman starke Zeichen dieser Aktualität bemühen muss. 'Pfaueninsel' hat einen überzeitlichen Glanz und ist doch ein souverän verfasstes literarisches Werk ganz von heute. Es gibt viel zu wissen und es weckt die ganz großen Gefühle.“
Viel Lob für die Verbindung der Langen Nacht der Literatur mit der Preisverleihung am Folgetag gab es von Oberbürgermeister Ulrich Markurth. "Literatur hat in Braunschweig noch mehr Raum erhalten. Die Bedeutung des Preises sei von der Bedeutung der Preisträger nicht zu trennen.
Der Wilhelm-Raabe-Literaturpreis erinnert an den Schriftsteller Wilhelm Raabe (1831-1910), der in Braunschweig starb. Thomas Hettche wurde in Treis bei Gießen geboren und lebt heute in Berlin und der Schweiz. Er wurde bereits vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Rauriser Literaturpreis und dem Robert-Walser-Preis.
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