Zusammenfassung des Vortrages "Wertewandel in der Gesellschaft" von Dr. Burkhard Budde


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Braunschweig. BraunschweigHeute.de erhielt eine Zusammenfassung des Vortrages "Wertewandel in der Gesellschaft" von Dr. Burkhard Budde. Wir veröffentlichen ihn ungekürzt und unkommentiert.

Brauchen wir überhaupt "Werte"? Sind Werte uncool?


Beispiel: In einem Supermarkt gibt eine unfreundliche Kassiererin zu viel Wechselgeld zurück. Jugendliche werden gefragt, ob man die Kassiererin darauf aufmerksam machen sollte. Jugendliche antworten: 2Die ist doch alt genug." "Sie muss eben aufpassen." "Wenn sie wenigstens freundlich gewesen wäre."Ist es "cooler", ein "Leben ohne bewusste Werteorientierung", pragmatisch, zufällig zu führen – vor allem ausgerichtet am "Spaß", "Wohlstand", "Besitz", "Konsum", "Erfolg", "Ansehen"?

Brauchen wir eine "Erziehung/Bildung mit Werten?"


Beispiel: Jugendliche im Konfirmandenunterricht sollen sich vorstellen, ganz allein und unbeobachtet in einem Kaufhaus zu sein. "Wie würdet ihr reagieren?" Manche antworten "Na, dann kann ich ja schöne Dinge mitgehen lassen." Werte fallen nicht vom Himmel. Es ist notwendig, dass Eltern, Erzieher, Lehrer usw. mit Kindern und Jugendlichen Werte/Werthaltungen erarbeiten, vor allem Werte durch vorbildliches, glaubwürdiges und menschliches Verhalten erlebbar zu machen, so dass die persönliche Einsicht und Orientierung wachsen kann, dass "Werte" helfen, den "Kaufhausalltag" zu meistern: "Wenn Du nicht bestohlen werden willst, solltest Du auch selbst nicht stehlen."

Brauchen wir eine "Führung mit Werten" im Berufsleben?


Beispiel: Leitende Mitarbeiter sprechen während einer Sitzung über einen Kollegen; manche kennen ihn, andere nicht. Seine Tätigkeit wird erst kritisiert, dann seine Person und schließlich lautet das gemeinsame Gesamturteil: "Der muss weg." Eine an Werten orientierte Führung hätte "Fairness" (audiator et altera pars“) walten lassen, das Gespräch mit dem Betroffenen gesucht (erst in einem kleinen Kreis oder erst ein Vier-Augen-Gespräch), um auch andere Lösungen als eine Trennung – z.B. Lernprozesse, neue Arbeitsbedingungen – gemeinsam bedenken zu können.

Wir brauchen einen "neuen Werte- und Klimawandel" in der Gesellschaft


Beispiel: Im Gesundheits- und Sozialwesen gibt es eine schleichende "Entwertung" von Menschen sowie eine schleichende "Entsolidarisierung" mit Personen. Dabei spielen schlechte wirtschaftliche Rahmenbedingungen, aber auch eine einseitige Ökonomisierung des Denkens, Handelns und Verhaltens eine wichtige Rolle. Der Patient, der zum "Kunden" oder zu einem "unfertigen Produkt" wird, erlebt auf "leisen Sohlen" eine "Entwürdigung", wenn seine Identität verletzt wird (der Patient z.B. als Nr., Organ, Fallpauschale, Kosten- oder Erlösfaktor), wenn seine Intimität bedroht wird (Privatsphäre wird z.B. wenig geachtet und beachtet), wenn Zuwendung unterbleibt (z.B. durch Stoppuhr- und Fließbandpflege). Ein Dienstleistungsunternehmen wie ein Krankenhaus, ein Altenpflegeheim, eine Behinderteneinrichtung oder Reha, in denen es um Menschen und nicht um Maschinen geht, kann man jedoch nicht auf Dauer nur mit Kennzahlen, Effizienzkriterien und rein betriebswirtschaftlich führen, wenn der zentrale Wert der Würde und der solidarische Einsatz zugunsten einer würdevollen Behandlung und Begleitung nicht verletzt werden sollen. Die Früchte der Werte, - der Nächstenliebe und Barmherzigkeit, der menschlichen Kultur und sinnstiftenden Dienstleistungen – dürfen nicht auf dem Altar der Ökonomisierung um jeden Preis und eines reinen Kosten-Nutzen-Denkens geopfert werden. Unwirtschaftlichkeit wie Verschwendung, Geiz und Gier sowie ineffizientes Handeln sind unverantwortlich, aber auch ein einseitiger und alleiniger Effizienzdruck, der ein Motivationskiller und eine Innovationsbremse darstellt, eine Glaubwürdigkeitslücke schafft und Menschlichkeit zerstört. Eine neue Dialog- und Verantwortungskultur, die ein Bündnis von Ökonomie, Fachlichkeit, Ethik und Zuwendung angesichts konkreter Rahmenbedingungen fördert – statt autoritärer Befehls- und Machtkultur – kann zu einem Klimawandel zugunsten neuer Werte bzw. zur Renaissance alter Werte wie Menschlichkeit und Solidarität beitragen, zu denen nicht nur gegenseitiger Respekt, menschliche Wertschätzung und ein Zuwachs an Motivation, Identifikation und Innovation gehören, sondern auch wirtschaftliche Wertschöpfung. Beispiel: Familienpolitik versteht sich immer häufiger als verlängerter Arm der Wirtschaft oder als Spielball von Politikern, die sich von Meinungsumfragen oder ihren Weltanschauungen (immer noch oder überraschend neu) treiben lassen und nicht für ihre Werte kämpfen. Manche opfern ihre Ideale auf dem Altar der politischen Macht. Aber kann ein „Minderheitenmodell“ von heute nicht durch Überzeugungsarbeit zu einem „Mehrheitsmodell“ von morgen werden? Und muss die „Normativität des Faktischen“ immer Maßstab einer am Gemeinwohl orientierten Politik sein? Wichtig erscheint doch vor allem die Frage wie die Familie – das klassische Modell des Ehepaares mit einem oder mehreren Kindern sowie Alleinerziehende –gestärkt werden kann. Denn Familie ist als institutionalisierte Werte-, Solidar- und Wirtschaftsgemeinschaft kein Auslaufmodell, sondern vor allem als Schutz-, Schon- und Entwicklungsraum für Kinder sowie als soziale und seelische Zufluchtsstätte jenseits der Berufs- und Arbeitswelt, die vor allem von wirtschaftlichen Effizienzkriterien bestimmt sein kann, ein Zukunftsmodell. Eine mögliche "Sexualkunde der Vielfalt" in den Schulen – ein aktuelles Thema der Schulpolitik - missachtet das natürliche Recht der Eltern sowie ihre Pflicht im Blick auf die Erziehung ihrer Kinder. Wenn Eltern ihren Kindern Werte und Maßstäbe einer heterosexuellen Ehe vorleben und vermitteln, sind sie keine frömmlerischen Spießer, verklemmte Moralisten oder weltfremde Idealisten, sondern sie nehmen ihre persönliche Verantwortung nach besten Wissen und Gewissen wahr. Kinder, die bei der Frage der geschlechtlichen Identität, aber auch im Blick auf sportliche, musikalische, kulturelle und religiösen Fragen noch keinen Werte-Kompass haben (können), sind auf dem Marktplatz der Vielzahl der Möglichkeiten überfordert. Gelebte, erlebte und vorgelebte Werte helfen, später im Erwachsenenalter eine selbständige und eigenverantwortliche Wahl zu treffen, begründet den Weg der Eltern ebenfalls zu gehen (was wäre daran immer falsch?) oder einen eigenen, anderen Weg zu finden.

Bedeutung der Werte


Beispiel: Das Grundgesetz unserer freiheitlichen Demokratie mit seiner Präambel ("Verantwortung vor Gott"), seinem Würde- und Freiheitsverständnis bietet einen zusätzlichen Wertekanon, der unseren pluralen Gesellschaft ein gemeinsames Wertefundament gibt, aber auch Grenzen, Spannungsverhältnisse der Werte untereinander sowie Perspektiven gemeinsamen Lebens aufzeigt. Beispielsweise bedeutet die Religionsfreiheit für den einzelnen, eine Religionsgemeinschaft wählen, aber auch wieder verlassen oder – ohne Angst und Zwang - zu einer anderen wechseln zu können. Es gibt die Freiheit zur Religion, natürlich auch die Freiheit von einer Religion oder zur Konfessionslosigkeit. Der Wert der aktiven Toleranz bedeutet jedoch nicht Gleichgültigkeit beispielsweise gegenüber der Frage der Akzeptanz nach der Gleichberechtigung von Mann und Frau, nach dem Selbstbestimmungsrecht des einzelnen oder auch kein Freibrief für Intoleranz unter dem Deckmantel der „Religionsfreiheit“. Werte sind kein Luxusthema, nicht das Sahnehäubchen auf dem Kaffee; kein Sonntagsthema, kein Süßstoff im Kaffee, der im Alltag verschwindet und vergessen wird. Natürlich können Werte auch als moralische, religiöse oder politische Keule der Bevormundung des einzelnen missbraucht werden. Darum ist die Auseinandersetzung mit ihnen im Rahmen von Bildung wichtig. Als reine Lockartikel im Schaufenster einer Partei, einer Kirche, einer Religionsgemeinschaft, eines Unternehmens, einer Gemeinschaft oder Organisation sind sie kontraproduktiv und schädlich, wenn sie im „Geschäft“ selbst nicht als gelebte und erfahrbare Werte glaubwürdig anzutreffen sind. Werte sind auch kein Rezeptbuch für einfache Lösungen, keine Stoppuhr für schnelle Lösungen, kein Navigationsgerät mit vorgegebenen Lösungen, nicht der Weg selbst. Wohl aber können sie als Wegweiser und Kompass helfen, den richtigen Weg in einer konkreten Situation zu finden und persönlich zu verantworten. Sie tragen zum Fortschritt im Leben, für das Leben und auf das vielfältige Leben bei.

Bedeutung christlicher Werte


Spezifisch christliche Werte wie die Freiheit in persönlicher Verantwortung vor Gott und dem Nächsten, der Mit- und Nachwelt (z.B. schreibt der Apostel Paulus „Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles dient dem Guten“, 1.Kor.6,12) oder die Gottes- und Nächstenliebe (z.B. die „Goldene Regel“ in der Bergpredigt als Maßnehmen an eigenen Wünschen, Mt 7,12) stellen keine Sonder- oder Superethik für besonders fromme Menschen dar, aber auch keine Verbots-, Willkür- oder Durchschnittsethik für die Allgemeinheit. Sie sind vielmehr ein attraktives Angebot an alle Menschen, Verantwortung vor einer letzten Instanz in Freiheit und Liebe, in Vernunft und Weisheit wahrzunehmen. Christen sind keine besseren Menschen. Aber sie haben durch Gott neues Leben erfahren und können und wollen dies weitergeben (siehe auch Mt 18,21-35 „Schalksknecht“ oder Mt 25,14-30 "Anvertraute Pfunde"). Christen tragen eine Verantwortung aus dem Glauben in dieser Welt und für diese Welt, für Werte und die Wahrung der Würde aller Menschen.Denn diese Werte sind besonders in hitziger Atmosphäre und im Eifer des Gefechts "cool".


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