Der Wolf in der Region Braunschweig: Zwischen Faszination und Konflikt

Der Wolf ist zurück – ein faszinierendes, aber umstrittenes Wildtier, das sowohl Bewunderung als auch Besorgnis hervorruft. Wir sprachen mit einem Wolfsexperten aus unserer Region.

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Der Wolf ist seit Jahren auch wieder in Deutschland aktiv. (Symbolfoto)
Der Wolf ist seit Jahren auch wieder in Deutschland aktiv. (Symbolfoto) | Foto: Pixabay

Region. Der Wolf ist zurück in Deutschland – eine Entwicklung, die sowohl Bewunderung als auch Sorge auslöst. Auch in der Region Braunschweig ist die Rückkehr des Wolfs ein Thema, das stark polarisiert. Florian Preusse, Wolfsexperte und Wolfsbotschafter des Naturschutzbundes (NABU), ist seit Jahren mit der Thematik vertraut und begleitet die Entwicklung des Wolfs in Niedersachsen mit wissenschaftlicher Expertise und Öffentlichkeitsarbeit. Mit ihm sprachen wir über den Wolf und wie die Lage zu bewerten ist.



Preusse studierte Biologie in Braunschweig und ist seit über 15 Jahren in Sachen der Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit aktiv. Seit 2006 leitete er Exkursionen zur Wolfsbeobachtung und organisiert regelmäßig Informationsveranstaltungen, um die Bevölkerung sachlich aufzuklären. Er war Teil des NABU-Projekts „Willkommen Wolf“ und in dessen Rahmen als Wolfsbotschafter aktiv. Seine Erfahrungen und Einblicke machen ihn zu einem wichtigen Ansprechpartner in der Region. Weiterhin ist er für den NABU Kreisverband Gifhorn tätig.

Die Rückkehr des Wolfs in die Region


Der Wolf, der seit seiner Rückkehr nach Deutschland für heftige Debatten sorgt, ist auch in der Region Braunschweig wieder heimisch. Laut Preusse war der erste eindeutige Nachweis eines Wolfsrudels in Niedersachsen bereits 2012, auf dem Truppenübungsplatz Munster. Seitdem breitet sich der Wolf langsam weiter aus, und 2017 wurde das erste Rudel im Landkreis Gifhorn bestätigt. Heute gibt es vier Wolfsrudel in der Region, die sich vor allem im nördlichen Bereich des Landkreises Gifhorn aufhalten.

Die Rückkehr des Wolfs ist dabei nicht nur ein regionales Phänomen, sondern Teil einer bundesweiten Entwicklung. „Wölfe sind Wanderer“, erklärt Preusse. „Jungwölfe legen auf der Suche nach einem eigenen Revier täglich bis zu 70 Kilometer zurück.“ Sichtungen von Wölfen sind daher potenziell überall möglich.

Wolfsmonitoring und Verhalten in der Natur


Um die Entwicklung der Wolfspopulation genau zu verfolgen, gibt es ein standardisiertes Wolfsmonitoring, das auf wissenschaftlichen Daten basiert. Wichtige Hinweise auf die Anwesenheit von Wölfen, wie Fotobelege, genetische Nachweise oder Wolfsrisse, werden in Kategorien eingeordnet, die von bestätigten „hard facts“ (C1) bis zu unbestätigten Beobachtungen (C3) reichen.

Preusse betont die Bedeutung der Meldung von Wolfssichtungen: „Jede Sichtung kann im Nachhinein von großer Bedeutung sein.“ In Niedersachsen können Funde und Sichtungen über die App „Wolfsmeldungen Niedersachsen“ direkt gemeldet werden.

Die Nahrung und der Einfluss auf das Ökosystem


Wölfe in Deutschland ernähren sich überwiegend von Rehen, die etwa 51 Prozent ihrer Beute ausmachen. Weitere Hauptbeutetiere sind Wildschweine und Rotwild. Nutztiere machen nur etwa ein bis zwei Prozent der Beute aus, doch gerade dies führt zu Konflikten. „Der Wolf ist ein Nahrungsopportunist“, erklärt Preusse, „und greift auf die für ihn am leichtesten verfügbare Beute zurück – manchmal sind das eben auch Nutztiere.“

Der Einfluss des Wolfs auf das heimische Ökosystem wird oft überschätzt. Zwar reduziert die Anwesenheit des Wolfs den Verbiss von jungen Bäumen durch Schalenwild, doch dieser Effekt ist laut Preusse geringer, als oft angenommen.

Konfliktfelder: Wolf und Mensch, Nutztierhaltung


Das Hauptkonfliktfeld beim Wolf ist seine Interaktion mit Nutztieren und Menschen. Obwohl der Wolf den Menschen nicht als Beute betrachtet, kommt es immer wieder zu Berührungen, insbesondere bei neugierigen Jungwölfen. Preusse betont jedoch, dass in den letzten 24 Jahren in Deutschland keine aggressiven Zwischenfälle zwischen Wölfen und Menschen verzeichnet wurden. Für Landwirte stellen Wolfsrisse hingegen eine ernsthafte Herausforderung dar. „Nutztiere lassen sich durch Elektrozäune und Herdenschutzhunde effektiv schützen, doch das bedeutet für die Landwirte zusätzliche Kosten und Aufwand“, so Preusse.

Auch die Diskussion um „Wolfsentnahmen“, also den Abschuss von problematischen Wölfen, ist emotional aufgeladen. Preusse spricht sich für sachliche Diskussionen und gezielte Maßnahmen aus: „Es geht nicht um eine Bestandsreduktion, sondern um den gezielten Abschuss problematischer Wölfe, um Konflikte zu entschärfen.“



Koexistenz mit dem Wolf


Eines wird in dem Gespräch mit dem Wolfsexperten klar: Der Wolf ist weder das romantische Fabelwesen, das den Mond anheult, noch eine blutrünstige Bestie, die wahllos Tiere reißt. Er ist ein Wildtier mit einem natürlichen Konfliktpotenzial, das durch sachlichen Umgang und klare Maßnahmen gemindert werden kann. Preusse wünscht sich für die Zukunft vor allem eine Versachlichung der Diskussionen: „Der Wolf ist ein faszinierendes Wildtier. Wir müssen lernen, mit ihm zu leben und die Konflikte verantwortungsvoll zu lösen.“

Die Rückkehr des Wolfs sei eine Herausforderung, aber auch eine Chance für den Naturschutz. Die Frage, wie wir als Gesellschaft mit dem Wolf umgehen, wird uns auch in den kommenden Jahren beschäftigen.


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