Bernard Tolj[/image] Die Kaiserworth ist ein Haus mit Tradition. Sie ist aber nicht nur eine erstklassige Adresse für Touristen, sondern ebenso für die Feinschmecker der Region. Goslar ist Stein, Lehm und Holz gewordene Geschichte. Man geht durch die Stadt, und die Häuser und Straßen erzählen ihre Erlebnisse. Das ist auch bei dem ehemaligen Gebäude der Gewandschneider oder Worthgilde so, die sich auf dem belebten Marktplatz selbst an einem regnerischen Junitag heraushebt. Das heute rot getünchte historische Gildehaus Kaiserworth sieht die geschäftigen Bürger und Gäste der Kaiserpfalz seit 1484 an sich vorüberziehen. Seit 1832 hat es etliche von ihnen beherbergt. Denn die Kaiserworth ist seit diesen Tagen Gasthaus und Hotel. In diesem Haus mit langer Tradition treffe ich Bernard Tolj. Er ist Direktor der Gastronomie und Ansprechpartner zum Thema Kulinarisch38. Dass der gebürtige Kroate gerade hierher gekommen ist, sei schon so etwas wie Schicksal, erzählt er mit seiner ruhigen Stimme und lacht dabei. Eigentlich glaube er an solche großen Worte nämlich nicht. Aber Zufall mochte es auch nicht gewesen sein. Wir sitzen in einem Separee am Fenster. Trotz des schlechten Wetters ist es hier noch licht. Draußen hasten die Menschen mit eingezogenen Schultern durch den Regen. Tolj genehmigt sich einen doppelten Espresso und dreht schwungvoll sein schnurloses Telefon auf der weißen Tischdecke. Wenn Servicekräfte durch den Flur kommen, ahnt man: Er ist mit einem Auge beim Gespräch, mit dem anderen bei der Vorbereitung auf das Abendgeschäft. Er sei damals nach Goslar gekommen. Die Ausbildung als Restaurantservicekraft hatte er in der Nähe von Hildesheim absolviert. Und auf dem Marktplatz habe er dann vor diesem alten Haus gestanden. So müsse ein Hotel aussehen, dachte er. So etwas nennt man wohl Liebe auf den ersten Blick.
Ein Haus braucht Stammgäste aus der Region
Wenig später sei ihm eine Stelle im Servicebereich des Hauses angeboten worden. Nun sei es seine Lebensaufgabe geworden. Tradition, Gegenwart und Zukunft lassen sich oft nur schwer in Übereinstimmung bringen. Tolj scheint das, was den gastronomischen Teil des Traditionshauses anlangt, zu gelingen. Es habe sich viel verändern müssen berichtet er mit einem Schmunzeln. »In meinen ersten Jahren war ich verwundert. Da riefen Gäste an und fragten, ob es denn eine bestimmte Kleiderordnung geben würde«, erzählt er. Und in der Tat, wenn man das historische Gebäude betritt, mag man etwas beklommen sein. Kann man hier wirklich »einfach nur mal so essen gehen« oder braucht man für dieses Restaurant eine Gebrauchsanweisung? In dieser Frage hat man in der Kaiserworth einen Image-Wechsel vollziehen können. Gehobene Gastronomie soll nicht anstrengen, sondern erfreuen, ist jetzt das Credo. Früher sei die Kaiserworth vor allem für Touristen da gewesen. Heute lege man überdies auf die Gäste der Region großen Wert: »Ein Haus, das nicht mit einheimischen Stammgästen arbeitet, hat keine Geist, es ist leer.« Und deshalb freuen sich Tolj und sein Team auf Neugierige und Stammgäste, die sich von der abwechselungsreichen Küche verwöhnen lassen und vom Alltag ausspannen. Frisch, kulinarisch und saisonal sei ihr Motto. Natürlich gebe es auch Bestseller. So müsse man etwa unbedingt die Wildgerichte, das Steak oder frische Forellen probieren, die im hauseigenen Bassin gehalten werden. Aber drei, vier Mal im Jahr werde die Karte erneuert, damit die treuen Freunde immer wieder Neues entdecken könnten.
Die persönliche Beziehung zum Gast
Der Gast ist Kaiser in der Worth, könnte man sagen. Zu den Gästen baue sich eine persönliche Beziehung auf, erzählt Tolj. Und da sei es ihm wichtig, dass man als Gastgeber auch etwas von der Treue und dem Vertrauen zurückgebe: »Ich finde es schön, wenn man die Gäste überrascht und etwa ein Gläschen Champagner als Dankeschön ausgibt oder ein besonderes Dessert. Zum Beispiel eine flambierte Crêpe Suzette. Diese Spezialität kommt noch einmal ins Gespräch, als ich danach frage, ob Familien mit Kindern in dem gediegenen Ambiente erwünscht sind. Tolj berichtet von einer Anekdote, die die Frage lebhaft beantwortet. Es sei vor einigen Jahren gewesen, als er an einem Tisch die Crêpes flambiert habe. Ein Sechsjähriger habe am Tisch gesessen: »Kinder muss man ja immer etwas beschäftigen. Sie sind schnell mit dem Essen fertig und langweilen sich. So habe ich mit dem Jungen die Zeremonie zusammen gemacht.« Als dieser viele Jahre später seine Konfirmation gefeiert habe, wünschte er sich die Kaiserworth als Gastronomie für die Feier. Kinder seien kein also Problem, sondern die Gäste von morgen, meint Tolj. Und mehr noch: Es sei wichtig, wenn sie gutes Essen, saisonale Küche erlebten. Im Team habe man sich deshalb schon überlegt, ob man nicht kulinarische Erlebnistage gemeinsam mit Schulklassen veranstalten wolle. Mit Tradition gibt man sich in der Kaiserworth nicht zufrieden. Regionalität sei eine gute Sache, betont der Gastronomiechef. Trotzdem versuche man, auch hier mehr zu machen. Als jüngstes Kind der Kaiserworth entwickele sich gerade das Café Nouvelle. Nachdem der Frühstücksbereich ausgebaut und erweitert worden war, sollte der neue Raum erst mit einer Snackkarte weiter genutzt werden. Dann hätten die Gäste nach Süßem gefragt. Torten und Kuchenangebote seien dazu gekommen. Und wenn alles so weiterläuft, könnte vielleicht eine kleine Konditorei in dem Nachbargebäude entstehen. Goslar an sich ist Stein, Lehm und Holz gewordene Geschichte – aber nicht nur. Das Kaiserworth zeigt, wie viel Erneuerungswillen die Menschen in diese Region einbringen. Bernard Tolj ist einer davon. Hotel und Restaurant Kaiserworth Markt 3, 38640 Goslar Tel.: 05321 7090