Dritte Welle: Treiben Schnelltests die Inzidenz in die Höhe?

Sukzessive sprießen die Schnelltestzentren aus dem Boden. Trotz der bekannten Probleme der Schnelltests wird gehofft, mehr Infektionen frühzeitig zu erkennen. Verzerrt dieses Vorgehen am Ende das Infektionsgeschehen?

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Symbolbild | Foto: Rudolf Karliczek

Region. Mit den steigenden Infektionszahlen wird auch das Testen wieder wichtiger. Immer mehr Städte und Kreise eröffnen Schnelltestzentren um Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeiten für je einen kostenlosen Schnelltest pro Woche zu bieten. Positive Schnelltests müssen zwingend durch einen PCR-Test bestätigt werden. Ziel sei es, asymptomatische Infektionen aufzudecken. regionalHeute.de ist der Frage nachgegangen, ob diese Teststrategie nicht überhaupt erst zu den wieder steigenden Zahlen führt - und wie zuverlässig die Schnelltests eigentlich sind.


Aufgrund der geringeren Sensitivität und Spezifität von Antigen-Tests sei der Einsatz dieser Tests nach Angaben des Robert-Koch-Instituts nur unter bestimmten Voraussetzungen eine sinnvolle Ergänzung zu anderen Maßnahmen. Damit ein Antigen-Test ein positives Ergebnis anzeigt, ist im Vergleich zur PCR-Testung eine größere Virusmenge notwendig (niedrigere Sensitivität). Das bedeutet, dass ein negatives Antigen-Testergebnis die Möglichkeit einer Infektion mit SARS-CoV-2 nicht ausschließt. Außerdem sei ein Antigen-Schnelltest nicht so spezifisch wie ein PCR-Test, das heißt es komme im Gegensatz zur PCR vor, dass ein positives Ergebnis angezeigt wird, wenn die Person gar nicht infiziert ist. Deshalb sollte ein positives Ergebnis im Antigen-Test grundsätzlich mittels PCR bestätigt werden. Vor einem Einsatz von Antigen-Schnelltest sollte daher die Vortestwahrscheinlichkeit - also wie viele Infizierte sich prozentual unter den zu Testenden befinden - beachtet werden. Im Klartext bedeutet das: Antigen-Schnelltests liefern erst dann zu 80 Prozent zuverlässige Ergebnisse, wenn die Zahl der tatsächlich Infizierten unter den Getesteten etwa zehn Prozent beträgt.

Realer Anstieg der Infektionszahlen


Falsch-Positive Schnelltestergebnisse tragen jedoch schon deshalb nicht zu steigenden Fallzahlen bei, da sie erst durch einen - deutlich zuverlässigeren - PCR-Test im Labor bestätigt werden müssen. "Der seit Anfang März zu beobachtende neuerliche Fallanstieg, die sogenannte 'dritte Welle', ist definitiv nicht nur auf die vermehrte Anwendung von Schnelltests zurückzuführen", bestätigt Mike Wonsikiewicz, Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit beim Niedersächsischen Landesgesundheitsamt (NLGA). "Beispielsweise steigt mittlerweile auch die Anzahl der Intensivbehandlungen wegen COVID wieder an, sodass es sich um einen realen Anstieg der Infektions- und Krankheitslast handelt, der sicher in großem Maße auf die Variante B.1.1.7 zurückzuführen ist", führt Wonsikiewicz weiter aus. Trotz der bekannten Nachteile, so ist sich Wonsikiewicz sicher, seien Schnelltests ein wirksames Instrument, um einen Teil der Infektionen frühzeitig zu erkennen. Die Infektionslage wird aufgrund von mehr erkannten - auch asymptomatischen - Infektionen realistischer wiedergegeben.

Verwertbare Zahlen fehlen


Ein systematisches Erfassungssystem zur Frage, in wie vielen Fällen ein positiver Schnelltest zum Durchbrechen einer Infektionskette geführt hat, existiere auf Ebene des NLGA derzeit nicht. Die angefragten Landkreise und Städte erklären, dass nur positive Schnelltests meldepflichtig sind. Negative Testergebnisse werden vollständig verworfen und nicht erfasst. "Mit den neuen Anforderungen des Landes wird sich hier in den kommenden Wochen jedoch eine Veränderung ergeben. Die Corona-Schnellteststationen sind dann angehalten die Anzahl der durchgeführten Tests zu kommunizieren und dabei auch Angaben hinsichtlich des Ergebnisses machen", berichtet Maximilian Strache, Sprecher des Landkreises Goslar. Im Landkreis Wolfenbüttel lägen bislang gar nur negative Rückmeldungen vor (Stand 23. März), weshalb auch hier keine Angaben zu Auswirkungen des erhöhten Schnelltestaufkommens gemacht werden können. Der Landkreis Helmstedt meldet, dass sich die Zahl der PCR-Testungen - wie es bei einer gehäuften Überprüfung positiver Antigen-Tests eigentlich zu erwarten wäre - in den vergangenen zwei Wochen nicht verändert hat. Wolfsburgs Stadträtin Monika Müller zweifelt an messbaren Auswirkungen der Testkampagne: "Die vom Bund nicht entwickelte, sondern eher bislang vor allem angekündigte Schnellteststrategie ist aufgrund bundesweit unzureichender Angebote derzeit nicht geeignet, um Prognosen über die Folgen eines Ausbaus oder eine Rückführung treffen zu können."

Bestätigung des Tests zu 50 Prozent


Bislang existieren also wenig belastbare Zahlen zu den bisherigen Auswirkungen der steigenden Schnelltest-Verbreitung. Lediglich der Landkreis Gifhorn teilt mit, dass durchgeführte positive Antigen-Schnelltests sich nach Angaben des Gesundheitsamtes zu 50 Prozent als richtig-positiv erwiesen haben. Nur diese 50 Prozent fließen dann letztendlich auch in die maßgebliche 7-Tage-Inzidenz ein. So kann am Ende eine Infektionskette durchbrochen werden. Wie das RKI auf seiner Seite mitteilt, hätten die durch Schnelltests ermittelten und per PCR-Test bestätigten Infektionen an den Gesamtzahlen in den Kalenderwochen 5 bis 10 einen Anteil von etwa vier Prozent gehabt. "Aus dem RKI vorliegenden Daten lässt sich daher keine Verzerrung der Anzahl positiver Testergebnisse durch eine übergroße oder stark ansteigende Anzahl von positiven Antigen-Tests nachweisen. Einschränkend muss gesagt werden, dass über die Vollständigkeit der den Gesundheitsämtern gemeldeten positiven Antigennachweise keine Aussage gemacht werden kann", so das RKI abschließend.


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