E-Auto kabellos laden - TU Braunschweig startet Feldtest

Induktives Laden könnte der nächste große Schritt im Bereich der Elektromobilität sein. Hierzu forscht auch die TU Braunschweig.

Blick auf das induktive Ladepad (am Boden vor dem Fahrzeug) und den für induktives Laden nachgerüsteten VW e-Crafter.
Blick auf das induktive Ladepad (am Boden vor dem Fahrzeug) und den für induktives Laden nachgerüsteten VW e-Crafter. | Foto: TU Braunschweig/ elenia

Braunschweig. Induktive, kabellose Energieübertragung ist eine zukunftsfähige Art des Ladens von Elektrofahrzeugen, insbesondere für Anwendungen im öffentlichen Raum. Ein großer Vorteil im Vergleich zum kabelgebundenen Laden ist der Komfort für Nutzer und die leichte Automatisierbarkeit. Zunächst werde sich diese Ladetechnologie wohl bei innerstädtischen Flotten- und Taxiverkehren und bei autonomen Fahranwendungen durchsetzen. Diverse Projekte und die Veröffentlichung von Normen zum induktiven Laden führen aktuell zu einer Zunahme der öffentlichen Wahrnehmung der Technologie. Die teilt die TU Braunschweig mit, die selbst einen Feldversuch gestartet hat und zu dem Thema forscht.



Forscher im LISA4CL-Verbundprojekt der Technischen Universität Braunschweig und der INTIS GmbH haben ein stationäres induktives Ladesystem für Elektrofahrzeuge mit einer Ladeleistung von 22 kW entwickelt. Die notwendigen Komponenten wurden erfolgreich an der TU Braunschweig am Institut für Elektrische Maschinen, Antriebe und Bahnen (IMAB) und elenia Institut für Hochspannungstechnik und Energiesysteme getestet. Am INTIS-Standort im emsländischen Lathen wurde die Ladetechnik aufgebaut und ein Erprobungsfahrzeug umgerüstet. Gemeinsam mit der TU Braunschweig erfolgten anschließend umfangreiche Tests zur Systemfunktion und -sicherheit. „Das große Potenzial für technischen Fortschritt aus dem Zusammenwirken von Wissenschaft und Wirtschaft ist bekannt und hat sich im Projekt LISA4CL wieder bestätigt“, so INTIS-Geschäftsführer Dr. Ralf Effenberger. Die Installation des Systems erfolgte in Braunschweig am Niedersächsischen Forschungszentrum Fahrzeugtechnik (NFF) und die Übergabe an das Gebäudemanagement der TU Braunschweig für die praktische Erprobung auf den Straßen Braunschweigs.

Erprobung im Alltagseinsatz


Das Projekt LISA4CL wechselte mit der Inbetriebnahme in Braunschweig in die Phase des induktiven Feldtests, in der das zuvor entwickelte Ladesystem im realen Alltagseinsatz praxisorientiert erprobt wird. „Der praktische Feldtest stellt für das Projekt einen ganz wesentlichen Baustein dar, mit dem wir unsere Technologie im praktischen Einsatz auf ihre langfristige Funktion und den Nutzen beim Anwender überprüfen“, sagt Professor Markus Henke, Institutsleiter des IMAB.

Zur Technik: Ein induktives Ladesystem besteht aus einer straßen- und einer fahrzeugseitigen Komponente. Mit Hilfe von Magnetspulen wird Energie über einen Luftspalt berührungslos vom Straßenboden zum parkenden Fahrzeug übertragen. Im Fahrzeug wird die elektrische Energie über leistungselektronische Schaltungen in die Hochvoltbatterie gespeist.

Anforderungen an die neue Technik


Ein hoher Wirkungsgrad beim kabellosen Laden ist ein zentraler Punkt für die Konkurrenzfähigkeit gegenüber dem kabelgebundenen Laden. Vor diesem Hintergrund wurde bei der Entwicklung und Auslegung des Systems im Projekt LISA4CL ein besonderes Augenmerk auf den Wirkungsgrad gesetzt. „Für einen hohen Gesamtwirkungsgrad müssen sowohl die Einzelkomponenten als auch die gesamte Wirkungsgradkette optimiert werden“, so Tim-Hendrik Dietrich, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Elektrische Maschinen, Antriebe und Bahnen der TU Braunschweig. Weiterhin ist bei der Durchführung von Ladevorgängen die Kommunikation zwischen Elektrofahrzeug und Ladestation ausschlaggebend. Die Realisierung der Hard- und Software für die Ladekommunikation war deshalb ein weiterer Fokuspunkt bei der Entwicklung: „Die Umsetzung von Anforderungen aus nun verfügbaren technischen Standards zur Ladekommunikation beim induktiven Laden ist ein zentraler Baustein für die Durchsetzung der Technologie“, sagt Gian-Luca Di Modica, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut elenia der TU Braunschweig.

Für die Durchsetzung ist insbesondere Interoperabilität notwendig, damit Fahrzeuge unabhängig vom Hersteller auf allen induktiven Ladestationen laden können. Zu diesem Zweck werden Standards und Normen für das induktive Laden erarbeitet, in denen Anforderungen an kontaktlose Energieübertragung und an die Kommunikation zwischen Fahrzeug und infrastrukturseitiger Ladestation festgelegt werden. Das Projekt hat sich zusätzlich zum Ziel gesetzt bei der Standardisierung der Leistungsklasse 22 kW zu unterstützen. „Mit unseren Erkenntnissen aus dem Projekt werden wir Empfehlungen formulieren und sie international agierenden Standardisierungsgremien vortragen“, sagt Ralf Effenberger.

Durchführung und Ziele des Feldtests


Das induktive Ladesystem wird im täglichen Betrieb des Gebäudemanagements der TU Braunschweig praktisch erprobt, auch über die Projektlaufzeit hinaus. Relevante Fragen sind dabei die möglichen Vereinfachungen im Betriebsablauf durch die kontaktlose Ladetechnik oder die Auswirkungen auf die Reichweite durch sogenanntes Gelegenheitsladen.

Ebenfalls von Interesse sind die Auswirkungen auf das Stromnetz unter der Annahme, dass die Zahl der Ladepunkte in Zukunft merklich steigen wird. Auf der Infrastrukturseite des induktiven Ladesystems ist zu diesem Zweck ein Netzanalysemessgerät integriert, um die Energieaufnahme sowie Leistung des Systems aufzuzeichnen. Mit dem Messgerät werden darüber hinaus Netzqualitätsparameter gemessen, um mögliche Netzrückwirkungen zu identifizieren.

Vergleich der Ladetechnologien


Die Bewertung der induktiven Ladetechnologie vor allem im Vergleich zum konduktiven, also kabelgebundenen, Laden spielt eine wesentliche Rolle. Vor diesem Hintergrund lief bereits ein Feldtest mit konduktiver Ladeinfrastruktur. Sowohl die konduktiven Ladepunkte als auch die induktive Ladestation sind mit einem zentralen Lademanagementsystem verbunden. Die Ergebnisse aus dem induktiven und konduktiven Feldtest dienen als Basis für den Vergleich der beiden Ladetechnologien.

Ein weiteres Ziel des Feldtests und dessen Auswertung besteht in der Identifizierung von Optimierungsmöglichkeiten des induktiven Ladesystems, die sich aus dem Betrieb ergeben. Die so gewonnenen Ergebnisse fließen in die zukünftige Entwicklung kontaktloser Energieübertragungssysteme mit ein.

Intelligente Ladekonzepte


Ein weiterer Schwerpunkt des Forschungsprojekts LISA4CL bestand in der Entwicklung von Ladekonzepten für Elektrofahrzeuge, speziell im Anwendungsbereich einer Flotte. Im Fokus standen hierbei erzeugungsorientiertes Laden mit erneuerbaren Energien und netzorientiertes Laden in Abhängigkeit von Daten zum aktuellen Status des Stromnetzes, um die Auswirkungen auf das Netz zu reduzieren. Reale Ladedaten und Messdaten zur Netzqualität aus dem konduktiven Flottenfeldtest sind in der Entwicklung der Ladekonzepte eingeflossen. „Intelligente Ladekonzepte nehmen eine wesentliche Rolle in der Mobilitätswende ein, weil diese in Netzen höhere Durchdringungen von Elektrofahrzeugen ohne Netzausbau ermöglichen und die CO2-Bilanz von Elektrofahrzeugen durch die optimale Einbindung von erneuerbaren Energien erhöhen“, sagt Professor Bernd Engel, Institutsleiter des elenia an der TU Braunschweig.

Infos zum Projekt


Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) förderte das Projekt LISA4CL für vier Jahre mit rund 1,6 Millionen Euro bis März 2024. Für die Durchführung des Projekts erhielt die TU Braunschweig über 1,3 Millionen Euro, aufgeteilt auf das elenia Institut für Hochspannungstechnik und Energiesysteme und das Institut für Elektrische Maschinen, Antriebe und Bahnen (IMAB). Neben dem Projektpartner INTIS GmbH waren Fairsenden, die Berliner Agentur für Elektromobilität eMO und VW Nutzfahrzeuge assoziierte Partner. Die Umsetzung der Förderrichtlinie wurde von der NOW GmbH (Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie) koordiniert. Als Projektträger fungierte das PTJ (Projektträger Jülich).


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