Peter Lehna, einer der Geschäftsführer vom Hofbrauhaus Wolters, steht für Emotionen und Vielfalt.
Bild: Hofbrauhaus Wolters[/image]
kulinarisch38 sprach mit Peter Lehna, einer der Geschäftsführer vom Hofbrauhaus Wolters über das Thema Bierkartell, über Rezepte, Tradition und Zukunft, übers Bier trinken und die Globalisierung. Übrigens bei einem Glas Mineralwasser…
kulinarisch38: Herr Lehna, die Brauereien sind in die Schlagzeilen gekommen. Leider nicht mit guten Nachrichten. Es gab bei den großen Vertretern Preisabsprachen. Nun drohen empfindliche Strafen. Ist die Strafsumme – 106 Millionen Euro – bei Kosten für den Verbraucher von 430 Millionen Euro adäquat?
Peter Lehna: Von der Gesamthöhe der Strafe hört sich das für den Konsumenten sehr hoch an. Wer aber die Umsätze und die Renditen dieser Brauereien kennt, der weiß, das ist eine Strafe, die diese großen und kleinen Brauereien sehr wohl verkraften können. Ich halte die Strafen, trotz der Differenz zum Gesamtschaden, für absolut adäquat, weil diese mitgeholfen haben, die Vorgänge aufzuklären. Sie waren geständig. Und es ist nunmal in unserem Rechtssystem so, dass Menschen, die etwas Illegales getan haben und die geständig sind, mit Strafmilderung rechnen können. Das ist so in Ordnung. Was ich kritisiere, dass derjenige, der mit in diesem Kartell war, der im Kartell das größte Gewicht hatte, durch die Selbstanzeige völlig straffrei ausgeht und sogar in einigen Medien noch als Held dargestellt wird, weil er ja so ehrlich war und die Sünden zugegeben hat.kulinarisch38: Es ist natürlich die Frage, ob das am Ende wirklich Image fördernd ist.
Peter Lehna: Natürlich gibt es einige Medien, die das Ganze sehr realitätsnah dargestellt haben. Da wird dieser Konzern tatsächlich kritisch beurteilt. Aber es gibt eben auch Medien, die tun wirklich so, als hätte dieser internationale Braukonzern mit seiner Selbstanzeige noch etwas Gutes getan. Das sehe ich nach meinem Rechtsverständnis ganz anders.kulinarisch38: Nun liegt unserer Ansicht hinter dieser ganzen Sache ein tieferes Problem, nämlich der unerbittliche Preiskampf in der Lebensmittelindustrie. Wie stellt sich dieser aus der Sicht eines regionalen Anbieters wie Wolters dar?
Peter Lehna: Also, zunächst ist in unserer Branche das Thema ruinöser Wettbewerb über den Preis ein ganz wichtiger Punkt. Damit haben wir als regionale Brauerei enorm zu kämpfen, weil viele große Hersteller den Preis ganz massiv nach unten treiben. Denn wir wissen eben bei diesem Skandal nicht, ob die Preise nur nach oben hin abgesprochen worden sind oder auch nach unten. Das weiß niemand, und das kann am Ende niemand beweisen. Festzustellen ist aber, dass diese großen Hersteller in vielen Bereichen die Preiskämpfe forcieren und man könnte sehr wohl die Absicht vermuten, dass damit der mittelständischen Industrie geschadet werden soll. Denn die mittelständische Industrie ist von ihren Kostenstrukturen her gar nicht in der Lage, diese Preiskämpfe mit auszufechten. Wir vom Hofbrauhaus Wolters sind eine lokale Brauerei. Der Konsument in der Region ist sehr eng verhaftet mit dieser Marke und ist auch bereit, ein Wolters-Bier zu kaufen, wenn es nicht im Sonderangebot ist. Aber dennoch müssen wir höllisch aufpassen, dass wir hier nicht zwischen die Mühlsteine der hochpreisigen Marken der internationalen Wettbewerber und der Billiganbieter geraten.Tradition allein reicht nicht. Zukunft geht nur durch Investition. Das gilt auch für diese 30 Jahre alte Spühlmaschine der Brauerei.[/image] kulinarisch38: Wie kommt es, das Bier überhaupt so billig auf den Markt geworfen werden kann?
Peter Lehna: Es gibt bei den wichtigen Billigmarken Gründe, warum das möglich ist. Es gibt Unternehmen, die machen gar keine Werbung, haben keine Vertriebsstrukturen. Das spart natürlich erhebliche Kosten, die an den Endverbraucher weiter gegeben werden können. Außerdem ist natürlich immer die Frage, nach welchen Rezepturen stelle ich die Dinge her. Wir brauen in Deutschland alle nach dem deutschen Reinheitsgebot. Aber ich kann ein Bier in einer relativ kurzen Zeit herstellen, und ich kann mir für die Gärung und Lagerung sehr viel Zeit lassen. Wir brauen in Braunschweig nach einem sehr traditionellen Verfahren und gären und lagern unsere Biere, je nach Sorte, zwischen vier und sechs Wochen. Es gibt Hersteller, die bringen ihr Bier bereits nach 14 Tagen auf den Markt. Jeder weiß aber heute, Lagerzeit kostet einfach sehr viel Geld, weil beide Faktoren mit einem enormen Energieverbrauch verbunden sind.kulinarisch38: Welchen Strategien können Sie gegen diese Trends zur Konzentration auf dem Markt und zur Globalisierung setzen?
Peter Lehna: Wir setzen hier zunächst auf die enge Heimatverbindung des Verbrauchers in der Region zur Marke Wolters. Wir sind daher in vielen Bereichen aktiv – ob Kultur oder Sport –, die regionale Belange berühren. Wir machen dem Verbraucher deutlich, dass wir etwas für die Region tun. Dann setzen wir eindeutig auf traditionelle Rezepturen und verzichten im Gegensatz zu den großen Bierkonzernen darauf, mit Bier irgendwelche Modeprodukte herzustellen. Wir vermarkten ausschließlich traditionell gewachsene Biersorten, legen viel Wert auf die Rohstoffe und die Einbindung in die Region. Das hat unterm Strich natürlich seinen Preis.kulinarisch38: Geht es auch um Sorten-und Geschmacksvielfalt? Man hat ja doch den Eindruck, die Biere nähern sich im Geschmack immer mehr an.
Peter Lehna: Was die kleine lokalen und regionalen Marken angeht, so gibt es in Deutschland diese Geschmacksvielfalt noch. Aber natürlich versuchen, die großen, national aufgestellten Brauereien einen vermarktungsfähigen Durchschnittsgeschmack zu ermitteln, um ein Produkt zu produzieren, das sich von Kufstein bis Flensburg vermarkten lässt. Das unterscheidet diese Biersorten von vielen regionalen Marken, die auf die Trinkgewohnheiten vor Ort Rücksicht nehmen. Das gilt auch für unser Pils, das im Vergleich zu anderen nationalen Biermarken kräftiger und herber ist. Genau das trinken hier viele Leute gern. Wir agieren vor Ort, und das reicht uns. Es ist nicht unsere Absicht, unser Vertriebsnetz unsinnig auszudehnen. Deshalb können wir auf die Vorlieben in Braunschweig und Umgebung eingehen. Das gilt übrigens auch für die anderen kleinen niedersächsischen Brauereien, die sehr charaktervolle Biere anbieten.Die wurde gerade ausgetauscht. Kostenpunkt 3,5 Millionen Euro .[/image] kulinarisch38: Wolters scheint besonders bei jungen Menschen beliebt zu sein, das kann man ganz deutlich in den sozialen Netzwerken spüren. Warum ist das so?
Peter Lehna: Wir haben mit der jüngeren Generation richtig gute Erfahrungen gemacht. Und das Verhalten dieser Generation bestärkt uns in der Entscheidung, dass wir es nicht nötig haben, irgendwelche Modegetränke auf den Markt zu bringen. Die Ursachen für diese positive Resonanz liegt nach unserer Einschätzung vor allem daran, dass sich auch junge Leute solchen Werten wie Qualität und Kontinuität zuwenden und sich mit ihrer jeweiligen Stadt, mit ihrem Dorf identifizieren. Das drückt sich vor allem mit dem Engagement der Menschen vor Ort aus, sei dies nun kulturell oder sportlich. Und da sind wir, wie gesagt, präsent. An der Spitze steht natürlich unser Engagement für Eintracht Braunschweig, aber darüber hinaus im ganz normalen Breitensport. Genauso fördern wir nicht nur die besonders anspruchsvollen Kulturevents, sondern auch das, was die ganz normalen Leute erleben wollen. Deshalb sind wir eben offenbar beides: traditionell und zeitgemäß.kulinarisch38: Für diese Nähe an den Menschen sprechen die Eintracht-Sammeldosen…
Peter Lehna: Wenn man sich diese Dosen mal genau anschaut, wird man sehen, dass wir auch hier Tradition mit Moderne gemischt haben, um alle Generationen anzusprechen. Die positive Resonanz auf diese Dosen hätte man sich kaum besser vorstellen können. Wenn wir eine neue Edition angekündigt haben, ist sie schon bald danach wieder ausverkauft. kulinarisch38: Wo wird es weitere Entwicklungen bei Wolters geben? Peter Lehna: Was den heimischen Markt angeht, da haben wir unsere Wachstumsgrenzen sicher allmählich erreicht. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir in einem insgesamt rückläufigen Markt immer noch wachsen. Neue Ufer gibt es für uns im Export. Hier konnten wir große Zuwächse verzeichnen. Wir haben mittlerweile einen Exportanteil von 8 % bei Wolters. Erst vor vier Jahren haben wir mit dem Export der Marke Wolters überhaupt begonnen. Wir verkaufen heute Wolters-Produkte in über 40 Länder der Welt. In diesem Bereich liegt ein enormes Wachstumspotential. Allein in diesem Jahr rechnen wir dort mit einem Plus von 25 %.Kulinarisch38: Aber Wolters bleibt der Region als Privatbrauerei erhalten?
Peter Lehna: Auf jeden Fall. Dieses Wachstum stärkt uns hier vor Ort. Wir bleiben die Lokalbrauerei. Der Anschluss an einen Großkonzern kommt für uns nicht in Frage. So etwas hat Wolters in der Vergangenheit schließlich fast den Kopf gekostet.kulinarisch38: Wachstum gab es auch bei dem Erwerb einer kleinen, vor dem Aus stehenden Brauerei in Sachsen Anhalt. Ist Wolters also selbst auf Expansionskurs?
Peter Lehna: Sie meinen den Kauf der Colbitzer Heidebrauerei aus der Insolvenz. Das war in der Tat ein sehr gravierendes Ereignis für unsere Brauerei. Es handelt sich um einen kleine Brauerei in der Nähe von Magdeburg. Vom Charakter der Marke gab es viele Parallelen zu Wolters. Es handelt sich um eine rein regionale Marke in Sachsen-Anhalt. Wir haben dieses Unternehmen letztendlich gekauft, weil wir kapazitätsmäßig in Braunschweig an die Grenzen gestoßen waren. Wir konnten keine zusätzlichen Aufträge mehr annehmen. Es war uns aber gleichzeitig wichtig, die Brauerei am Standort zu belassen und nicht auf die Grüne Wiese vor die Tore der Stadt zu ziehen. Da bot es sich an, diese Brauerei zu erwerben. Zudem hat die Rettungsaktion für ein positives Image der Marke Wolters in Sachsen- Anhalt gesorgt. Das merken wir an steigenden Absätzen dort. Schließlich sind wir davon überzeugt, dass wir mit einer ähnlichen Strategie, wie hier in Braunschweig, die Colbitzer Heidebrauerei zu der Heimatmarke machen können. Es gibt noch einen anderen Anbieter. Der ist aber nicht verwurzelt in der Region und entfaltet dort auch keine weiteren Aktivitäten.Damit man den alten Standort erhalten kann, bedarf es dann oft besonderer Mühen…[/image] Kulinarisch38: Was machen Sie auch hier anders als die Großen auf dem Markt?
Peter Lehna: Das ganze Unternehmenskonstrukt ist anders aufgebaut als sonst üblich. Es gibt keine Gewinnabführungsverträge zwischen beiden Betrieben. Das Unternehmen in Sachsen-Anhalt wird völlig eigenständig geführt. Es gibt zum Beispiel eine eigenständige Geschäftsleitung, die bewusst mit einer Person aus dem Großraum Magdeburg besetzt wurde, weil wir der Meinung sind, regionale Biermarken sollten von Menschen vermarktet werden, die aus der Region kommen. Denn die kennen am Besten die Belange und Wünsche ihrer Kunden.Kulinarisch38: Das ist einmal eine gute Antwort auf die Globalisierung. Statt der Klage darüber schaffen Sie einfach regionale Verantwortung.
Peter Lehna: Wir sind der Überzeugung, dass das Bier sich für die Globalisierung nicht eignet, weil am Bier viele Emotionen hängen. Diese Emotionen und die Vielfalt machen den Reiz des deutschen Biermarktes aus. Wir könnten natürlich auch sagen, wir bestimmen diese kleine Brauerei von Braunschweig aus fremd. Aber ich bin der Überzeugung, dass das deutlich weniger Erfolgsaussichten hätte. Und schließlich möchten die Geschäftsführer von Wolters hier in Braunschweig als Personen auch für diese Region stehen und nicht für andere Projekte. Wir haben in Braunschweig etwas sehr Positives mit Hilfe der Menschen aufgebaut, wir haben viel für den Erhalt des Standorts investiert, wir haben vielen Menschen Arbeitsperspektiven gegeben, und wir möchten das nicht durch Experimente in anderen Regionen gefährden. Wenn man noch einmal auf den Kartellstreit sieht dann ist unsere Antwort: Wir investieren lieber in die Zukunft, in Arbeitsplätze, in Technik als unsere Kräfte für Vertriebsstrategien zu verschwenden, die letztendlich in Preisabsprachen münden.kulinarisch38: Kulinarisch38 kann ein Interview nicht abschließen ohne zu fragen, welche Bedeutung für Sie gutes Essen hat. Und, Hand aufs Herz, wozu trinken Sie ein Bier, wozu einen Wein?
Peter Lehna: Bier ist Genussmittel und ein Lebensmittel. Also ist auch gutes Essen für mich ein Genuss. Ich liebe gutes Essen. Wenn ich die Wahl zwischen Bier und Wein habe, dann bevorzuge ich Bier zu einem rustikalen Essen, Wein passt besser zu mediterraner Küche oder Fisch.kulinarisch38: Roten oder Weißen?
Peter Lehna: In erster Linie einen trockenen Weißen.kulinarisch38: Was ist ihr Lieblingsrezept?
Peter Lehna: Spontan fällt mir nichts ein, was ich nicht esse. Aber ich liebe die gute bürgerliche Küche, Gerichte wie Braunkohl mit Bregenwurst, Sauerkraut mit Kassler oder Eintöpfe. Und dazu passt ja auch am Besten ein Bier.
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