Berlin. Gerhard Schindler, ehemaliger Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), widerspricht der Einschätzung, dass Wikileaks-Gründer Julian Assange, über dessen Auslieferung an die USA derzeit bei einer Anhörung vor Gericht in London beraten und in Kürze entschieden wird, kein rechtsstaatliches Verfahren bekommt.
"Mir ist unklar, woher wir die Arroganz nehmen, an der Rechtsstaatlichkeit der USA und Großbritanniens zu zweifeln", sagte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". "Seine Auslieferung wäre daher keine Katastrophe, sondern das Ergebnis eines transparenten und rechtsstaatlichen Verfahrens." Assange droht in den USA ein Urteil von bis zu 175 Jahren Haft.
Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages, Konstantin von Notz (Grüne), mahnte unterdessen angesichts der laufenden Anhörung die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards an: "Der Fall Assange erfährt zu Recht seit Jahren hohe öffentliche Aufmerksamkeit", sagte er dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".
"Sowohl die Außenministerin als auch die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung haben wiederholt gegenüber unseren Partnern in Großbritannien und den USA deutlich gemacht, dass wir ein anderes Rechtsverständnis als die USA haben, was die Bedeutung der Pressefreiheit in diesem konkreten Fall angeht." Assange habe wie jeder Mensch das Recht auf ein rechtsstaatliches Verfahren, faire Anhörungen und eine Ausschöpfung des Rechtsweges. "In diesem Sinne werden wir die Anhörung mit großem Interesse verfolgen."
Wikileaks-Mitbegründer Daniel Domscheit-Berg sagte dem RND: "Ich hoffe, dass Julian Assange nicht ausgeliefert wird. Denn es stehen 175 Jahre Haft im Raum." Und ein "fairer Prozess" sei im Falle einer Auslieferung nicht zu erwarten. Das sei eine "Bankrotterklärung" für das US-Rechtssystem.
"Außerdem geht es um die Folgen für die journalistische Arbeit. Denn wir hatten bei unserer Arbeit immer sehr klare rote Linien, dazu gehörte die Anstiftung zum Verrat oder zum Hacking. Und ich halte Julian für zu schlau, um diese roten Linien überschritten zu haben." Insofern werde eine Auslieferung den Journalismus insgesamt treffen. Zugleich bleibe Assanges Zukunft auch bei einer Nicht-Auslieferung ungewiss. Domscheit-Berg verließ Wikileaks 2010 nach einem Konflikt mit Assange.
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