Berlin. Gesundheitsexperten warnen vor der zunehmenden Beschäftigung von freiberuflichen Honorarkräften im deutschen Rettungsdienst. Honorarkräfte seien "mittlerweile nicht mehr wegzudenken", sagte Peter Sefrin, langjähriger Bundesarzt des Deutschen Roten Kreuzes, dem "Spiegel".
Für Patienten sei das nicht immer ein gutes Modell. Sefrin, der als Mitentwickler des modernen Rettungsdienstes in Deutschland gilt, kritisiert, dass Honorarkräfte "die speziellen lokalen Verhältnisse" in einem Gebiet "nicht oder nur ungenügend" kennen würden. Zudem gebe es je nach Region "erhebliche Variationen der praktischen Versorgung von Patienten", die der Notfallsanitäter nicht unbedingt kenne. Auch die gesetzlichen Krankenkassen sehen den Einsatz von Freiberuflern in der Notfallrettung kritisch.
"Das System der Leiharbeit im Rettungsdienst, das sowohl Notärzte als auch das Rettungsdienstpersonal umfasst, ist kaum transparent", teilte die AOK Baden-Württemberg dem "Spiegel" mit. Der Einsatz von Honorarkräften schaffe "keine zusätzlichen Personalressourcen", sondern führe "lediglich zu einer Umverteilung der insgesamt nur begrenzt zur Verfügung stehenden Fachkräfte". Ein nachhaltiger Personalaufbau sei das jedenfalls nicht. Ganz im Gegenteil: Es erscheine "mehr als fraglich, ob Leiharbeit die angespannte Personalsituation in den Rettungsdiensteinrichtungen eher entlastet oder möglicherweise sogar noch weiter verschärft".
Honorarkräfte werden wegen des Fachkräftemangels angeheuert. Vielerorts wäre ohne die Freiberufler eine vorschriftsmäßige Vorhaltung von Einsatzfahrzeugen kaum möglich. Sie werden oft erheblich besser bezahlt als hauptamtliche Mitarbeiter nach Tarifvertrag, wie das Nachrichtenmagazin berichtet. Weil das Arbeitsschutzgesetz für Freiberufler nicht gilt, sind bei Stundenhonoraren zwischen 50 und 70 Euro Jahresgehälter von mehr als 100.000 Euro für Notfallsanitäter möglich, wenn sie ihre Einsatzzeiten entsprechend ausdehnen.
Genaue Zahlen über den Umfang der geleisteten Arbeit bei deutschen Rettungsdiensten gibt es nicht. Marco König, Vorsitzender des Deutschen Berufsverbandes Rettungsdienst, schätzt die Zahl der offenen Stellen im Rettungswesen deutschlandweit auf "eine mindestens hohe vierstellige, eher eine fünfstellige Zahl".
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