Berlin. Fachleute vom unabhängigen Think-Tank Institute for Strategic Dialogue (ISD) warnen vor russischen Desinformationskampagnen in den sozialen Medien, etwa auf der bei jungen Menschen beliebten Videoplattform Tiktok. Die Nicht-Regierungsorganisation ISD hat einen Kurzfilm-Kanal, dem auf Tiktok insgesamt 18.000 Menschen folgen und dessen Video-Clips mehrere Millionen Aufrufe erhalten, über mehrere Monate ausgewertet und ordnet die Videos russischen Staatsmedien zu.
"Die Kampagne zeigt, wie einfach und ungehindert russische Staatsmedien weiterhin auf populären Social-Media-Plattformen wie YouTube und Tiktok agieren können. Mit kurzen und vermeintlich unterhaltsamen Clips haben sie insbesondere junge Menschen im Visier", sagte Julia Smirnova, Senior Analyst bei Institute for Strategic Dialogue (ISD) und Russland-Expertin, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Freitagausgaben). Das untersuchte Video-Format ist den Recherchen zufolge nicht nur auf Tiktok verfügbar, sondern kann etwa auch bei Youtube, Telegram oder Apple abgerufen werden. Das Format richtet sich nach Einschätzung von ISD meist gegen die deutsche Regierung, zentrales Thema ist "ökonomische Angst" etwa durch die Energiekrise.
In der ISD-Analyse heißt es: "Das Ziel scheint darin zu bestehen, bei den Deutschen ein Gefühl des Grolls gegenüber der eigenen Regierung zu schüren." Im Visier der Macher sind neben Bundeskanzler Olaf Scholz vor allem Politiker der Grünen wie etwa Annalena Baerbock, Robert Habeck und Ricarda Lang. ISD-Analystin Smirnova sagte: "Ihre Angriffe auf Politikerinnen der Grünen bedienen sexistische Stereotypen, werten sie als inkompetent ab oder fokussieren auf ihr Aussehen - eine besonders perfide Taktik, die wir von rechten frauenfeindlichen Netzwerken kennen." Das ISD ist ein unabhängiger Non-Profit-Think-Tank, der sich seit Jahren mit den Themen Extremismus und Desinformation in Analysen und Berichten befasst.
Die Bundesregierung warnte auf Nachfrage der Funke-Zeitungen ebenfalls: "Mittels Desinformation versucht zum Beispiel die russische Regierung, die öffentliche Meinung in Deutschland zu beeinflussen, etwaige Spaltungslinien in der Gesellschaft zu verschärfen und politische Entscheidungsprozesse zu stören", teilte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums mit. Für die Verbreitung seiner Narrative in Deutschland greife Russland "auf ein komplexes Netzwerk von staatlichen oder staatlich gesteuerten Akteuren zurück, welches unter anderem aus deutschsprachigen russischen Staatsmedien, politischen Organisationen, Kulturvereinen, Oligarchen, Stiftungen und Denkfabriken" bestehe.
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