Filmfest kürt Preisträger: Französin überzeugt mit Missbrauchsdrama über Nachwuchssport

In dem Drama "Slalom" bewegt sich eine junge Skifahrerin in dem Zwiespalt zwischen Abhängigkeit und Anerkennung von ihrem Trainer und der Anerkennung, die sie von sich selbst erwartet.

Symbolbild.
Symbolbild. | Foto: Pixabay

Braunschweig. Die Preisträger des 34. Internationalen Braunschweiger Filmfestes stehen fest. Bei der ersten Online-Ausgabe des Filmfestivals geht der im letzten Jahr erstmals ausgelobte Frauenfilmpreis "Die TILDA" an den Film der französischen Regisseurin Charlène Favier "Slalom". Wie die Flmpreis-Jury in einer Pressemitteilung berichtet, porträtiere dieser Film in eindrucksvoller Weise die Hintergründe des Missbrauchs im Nachwuchssport und die Zerrissenheit der jungen Protagonistin zwischen ihrem Trainer und der Anerkennung ihrer sportlichen Leistung. Der Publikumspreis „Der Heinrich“ geht an die französische Regisseurin Sarah Suco für ihr Werk „The Dazzled“. In dem von der Kritik und weiteren Preisen gelobten Film geht es um eine junge Frau, die sich in einer fanatisch-religiösen Gruppe verstrickt. Auch Suco wuchs in einer religiösen Sekte auf. Den Volkswagen Financial Services Filmpreis verleiht die Jury an den polnischen Regisseur Piotr Domalewski für sein coming-of-age-Drama „I never cry“. Der "Braunschweiger Filmpreis" für den besten Nachwuchsdarsteller geht an Tucké Royal, der in dem LGBTQ+-Drama "Neubau" brillierte. Auch der Gifhorner Filmemacher Victor Gütay wurde für seinen Independent Film "Der Schatten über mir" lobend von der Jury erwähnt. Der "Heimspiel"-Preis für den besten Film mit Bezug zur Region gewann Markus Lenz für "Rivale". Zudem sprach die Jury für „Mosquito“ von Regisseur João Nuno Pinto sowie für „Cat in the Wall“ von Mina Mileva und Vesela Kazakova zwei lobende Erwähnungen aus.


Der mit 2.500 Euro dotierte „Green Horizons Award“ für den besten Film zum Thema Nachhaltigkeit geht an Carsten Rau für „Atomkraft forever“. Der Heimspiel-Preis für den besten Film mit Bezug zur Region gewinnt der in Braunschweig gedrehte „Rivale“ von Marcus Lenz. Das Preisgeld von 1.000 Euro stiftet Volkswagen Financial Services.

Der Gewinner des deutsch-französischen Jugendpreises KINEMA wird erst in der nächsten Woche ermittelt, wie es in der Pressemitteilung heißt. Insgesamt vergibt das 34. Internationale Filmfestival Braunschweig bei seiner ersten Online-Ausgabe sieben Preise im Gesamtwert von 33.500 Euro.

Das Festival plant, die Vorstellung der Gewinnerfilme im Frühjahr 2021 im Kinosaal mit den Preisträgern vor Ort nachzuholen, sobald die Pandemiesituation solche Veranstaltungen wieder verlässlich zulässt.


Die Preise im Einzelnen:


„Die TILDA“ für „Slalom“ von Charlène Favier
„Die TILDA“, den mit 5.000 Euro dotierten Frauenfilmpreis, gewinnt „Slalom“ von Charlène Favier.
Das Statement der Jury: „Der Debütfilm „Slalom“ der französischen Regisseurin und Drehbuchautorin Charlène Favier zeigt einfühlsam, vielschichtig und überzeugend die perfiden Mechanismen auf, die hinter Missbrauch stecken – hier am Beispiel eines Skitrainers und seiner 15-jährigen Schülerin.
Die Machtposition des Erfolgstrainers, der die junge Frau mit einer Mischung aus Druck, Kritik, Lob und Bevorzugung an sich bindet; die Unsicherheit der Pubertierenden, die aufgrund ihrer abwesenden Mutter und einer fehlenden Vaterfigur besonders empfänglich für männliche Anerkennung ist, was sie scheinbar Grenzüberschreitungen akzeptieren lässt; die Unterstellung einer (Mit-)Verantwortung der jungen Frau für das übergriffige Geschehen. Die fast schon märchenhaften Schneeszenen zeigen, wonach die Jugendliche sucht, doch was sie findet, sind nicht Schönheit und Harmonie der Liebe, sondern sexuelle Ausbeutung, an der sie fast zerbricht. Als sie beim Erreichen ihres Traumes, dem Sieg im Skirennen, statt Freude nur Leere empfindet, gelingt es ihr mit dem Rückhalt ihrer Freundin und ihrer Mutter, sich von ihrem Trainer loszusagen und den Missbrauch zu beenden. Die subtile Dramaturgie, die Kameraführung mit ihrer Nähe zur Hauptfigur, die beeindruckende Schauspielleistung und die emanzipatorische Botschaft zeichnen diesen Film aus.“

Publikumspreis „Der Heinrich“: „The Dazzled“ von Sarah Suco
Den Publikumswettbewerb um den besten europäischen Debüt- oder Zweitfilm gewinnt die französische Regisseurin Sarah Suco mit „The Dazzled“ (Originaltitel: Les Éblouis), eine Geschichte über das Aufbegehren der 14-jährigen Camille, deren Familie immer stärker unter den Einfluss einer religiösen Gemeinschaft gerät.
Den mit 10.000 Euro dotierten Preis stiftet der Hauptsponsor des Festivals, Volkswagen Financial Services. Das Preisgeld geht zu gleichen Teilen an die Regisseurin und einen deutschen Verleih. Der Gewinnerfilm wurde erstmals mit einer Online-Abstimmung ermittelt.


Der „Braunschweiger Filmpreis“ für den besten Nachwuchsschauspieler geht an Tucké Royale für seine Darstellung des Markus in „Neubau“
Der Schauspieler Tucké Royale gewinnt den „Braunschweiger Filmpreis“ 2020 für seine Darstellung des Markus in „Neubau“ von Regisseur Johannes Maria Schmit. Die Jury bildeten Schauspielerin Anna Suk, Schauspieler Julius Feldmeier und Preisstifter Klaus Buhlmann. Sie urteilten: „„Neubau“ ist ein queeres uckermärkisches Gesamtkunstwerk. In ruhigen minimalistischen Einstellungen liegt die besondere Kraft dieses Films von gesellschaftlicher Relevanz. Beherrscht von Pflicht- und liebendem Mitgefühl spiegelt die Hauptfigur Markus oft große Traurigkeit und Melancholie, wenn er die Sehnsucht nach Zugehörigkeit und freier Entfaltung seines Lebensgefühls in Tagträumen auslebt.
Tucké Royale gelingt es, Markus glaubwürdig mit einer großen Gelassenheit auszustatten, die uns gefangen nimmt und eine Empathie erzeugt, die noch lange nachwirkt. Wir sind uns einig: Bitte mach weiterhin Filme Tucké!“
Den Braunschweiger Filmpreis stiftet eine Gruppe von Braunschweiger Filmfreunden.

„Rivale“ von Marcus Lenz gewinnt den „Heimspiel-Preis“ für den besten Film mit Bezug zur Region
Die „Heimspiel“-Jurorinnen Angela Kleinhans (Leitung Sponsoring, Volkswagen Financial Services AG), Regisseurin Elke Margarete Lehrenkrauss (Gewinnerin des Heimspiel- und des Frauenfilmpreises „Die TILDA“ 2019) und Regisseurin und Schriftstellerin Kristina Schippling vergaben mit 1.000 Euro dotierten „Heimspiel“-Preis an das Filmdrama „Rivale“ von Marcus Lenz.

Die Jury zeigte sich überrascht von der „nahezu magischen Authentizität seiner DarstellerInnen, die vom Regisseur Marcus Lenz herausgearbeitet wird. Gekonnt werden aktuelle politische Themen anhand eines erzählten Familienschicksals aus der sensibel gestalteten Perspektive eines ukrainischen Jungen, der seiner in Deutschland illegal arbeitenden Mutter folgt, beleuchtet. Der Film fesselt durch seine teils provokante und ungewöhnliche Bildsprache. Mit Originalität und Ausdrucksstärke wird die Landschaft Niedersachsens als Kulisse eingesetzt.“

Die Jury spricht zudem Victor Gütay, dem achtzehnjährigen Filmemacher aus Gifhorn, mit seinem Independent-Film „Mein Schatten über mir“ eine lobende Erwähnung aus.
Gütay erweise sich als beeindruckendes Multitalent und habe als Regisseur, Produzent, Kameramann, Drehbuchautor, Editor und Komponist in seiner Vielschichtigkeit und sensiblen Erzählweise ein außergewöhnliches Debüt geschaffen, do die Jury in ihrer Kritik. Die Jury ermutigte mit der lobenden Erwähnung den Weg als Filmemacher weiterzugehen.
Den „Heimspiel“-Preis unterstützt Volkswagen Financial Services.

Volkswagen Financial Services Filmpreis: „I never cry“ von Piotr Domalewski
Preisträger des Volkswagen Financial Services Filmpreises mit einem Preisgeld von 10.000 Euro ist „I never cry“ von Piotr Domalewski. „Wir haben uns in eine coming-of-age Story verliebt, die das Schicksal der Arbeitsmigranten in Europa durch die Augen einer wütenden Tochter in Frage stellt. Für seine mitfühlende und sehr persönliche Sicht, seine sensible Regieführung und das wundervolle Spiel seiner Hauptdarstellerin, für sein Gefühl und Mitgefühl zu seinem Außenseiter-Personal, verleihen wir den Volkswagen Financial Services Filmpreis mit großer Begeisterung an „I never cry“ von Piotr Domalewski, einen Regisseur auf dessen nächsten Spielfilm wir sehnlichst warten“, urteilte die Jury mit der georgischen Regisseurin Mariam Khatchvani, dem französischen Regisseur Morgan Simon und Dr. Frank Woesthoff, Leiter Unternehmenskommunikation Volkswagen Financial Services AG.

Green Horizons Award für „ATOMKRAFT FOREVER“ von Carsten Rau
Der „Green Horizons Award“ 2020 für den besten Dokumentarfilm zum Thema Nachhaltigkeit geht an „Atomkraft Forever“ von Carsten Rau. Das Statement der Jury: "Die Jury zeichnet diesen bewundernswert gedrehten und geschnittenen Film für seine ruhige und unparteiische Herangehensweise aus, mit der er die schwierigen Probleme der entgegengesetzten Atomenergiestrategien in Deutschland und Frankreich beleuchtet.
Einblicke in äußerst schwierig zugängliche zentrale Orte der Atomindustrie beider Länder, sowie eine Vielzahl von Expertenstimmen – aus technischer, ökonomischer und politischer Perspektive – ermöglichten es dem Betrachter die Vor- und Nachteile der französischen und deutschen Atompolitik abzuwägen, so die Einschätzung der Jury. Auf vorurteilsfreie Weise lasse der Regisseur starke Stimmen auf allen Seiten zu Wort kommen, Kernkraftbetreiber ebenso wie Vertreter der Öffentlichkeit. Sein Film lade dazu ein, sich eine eigene Meinung über eines der wichtigen und komplexen Probleme der Zeit zu bilden.


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