Forscher aus Braunschweig entwickeln neuen Corona-Impfstoff

Ein Mausvirus als Vehikel für das Spikeprotein soll für eine verbesserte Immunreaktion sorgen.

Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Archivbild
Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Archivbild | Foto: Alexander Dontscheff

Braunschweig. Etablierte Impfstoffe gegen COVID-19 haben bekanntlich den Nachteil, dass die anfangs gute Schutzwirkung relativ schnell nachlässt. Das macht wiederholte Booster-Impfungen erforderlich. Vor diesem Hintergrund ist ein am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) entwickelter neuartiger Vektorimpfstoff interessant, der im Tiermodell eine anhaltende Immunantwort über deutlich längere Zeiträume zeigt. Darüber berichtet das Helmholtz-Zentrum in einer Pressemitteilung.



Ein weiteres Plus: Das Vehikel – der Vektor – mit dem die Information für das Spikeprotein des Coronavirus im Impfstoff transportiert wird, ist ein tierisches Zytomegalievirus (MCMV; engl.: murine cytomegalovirus), das dem Menschen nicht gefährlich werden kann.

Breit gefächerte Immunantwort


Im Jahr 2022 haben Forscher der Abteilung „Virale Immunologie“ unter der Leitung von Prof. Luka Cicin-Sain am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung erstmals über den neuartigen Vektorimpfstoff berichtet. Das sich bereits damals abzeichnende vielversprechende Profil der MCMV-basierten Vakzine hat sich inzwischen bestätigt. Eine aktuelle Veröffentlichung, an der weitere nationale und internationale Forschungseinrichtungen wie das Max Delbrück Center in Berlin und die Universität Rijeka in Kroatien beteiligt waren, untermauert im Mausmodell die lang anhaltende und breit gefächerte Immunantwort.

Die Verwendung eines tierischen Zytomegalievirus als Vektor sei ein geschickter Schachzug. Bei Vektorimpfstoffen werden Viren als Vehikel benutzt, um Bausteine des Erregers, gegen den die Impfung gerichtet ist, in den menschlichen Körper einzuschleusen. Bei Impfstoffen gegen COVID-19 wird in die Vektorviren das Gen für den Bauplan des Spikeproteins integriert, mit dem sich das Coronavirus an den Wirtszellen verankert.

"Sicher für den Menschen"


Viele Menschen machten sich Sorgen, dass ihnen Vektorviren in Impfstoffen gefährlich werden könnten. Menschliche Viren, die als Vektoren genutzt werden, müssten tatsächlich erst entschärft werden. Das MCMV jedoch könne man so verwenden, wie es ist. Zytomegalieviren seien nämlich in hohem Maß wirtsselektiv. Das heißt, das MCMV infiziert die Maus, im Menschen jedoch kann es sich nicht vermehren, wie zwei der Erstautoren, Dr. Kristin Metzdorf und Dr. Henning Jacobsen, erläutern. Unter anderem deshalb sei das MCMV als Vektor für Impfstoffe geradezu ideal.

Das ganz große Plus sehen die Forscher in der lange andauernden Impfantwort, die sich mit dem MCMV-Impfstoff nach nur einer Dosis erzielen lässt. Am Tiermodell wurde nachgewiesen, dass die Konzentration von Antikörpern, die im Fall einer späteren Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 für die Erregerabwehr verfügbar sind, über einen Zeitraum von sechs Monaten nach der Impfung stabil bleibt. Ergebnisse von Forscherkollegen aus der Universität Rijeka in Kroatien sprechen dafür, dass die Schutzwirkung sogar noch länger vorhält.

Bei der Bekämpfung von Krankheitserregern fährt das Immunsystem zweigleisig: Zum einen bilden sich hochspezifische Antikörper, die gegen bestimmte Strukturen des Angreifers gerichtet sind und diesen unschädlich machen. Die zweite Schiene besteht in der Mobilisierung ebenfalls spezifischer Immunzellen, die den Erreger in infizierten Zellen erkennen und aktiv bekämpfen. Hier spielen sogenannte CD8+ T-Zellen die zentrale Rolle. Nach einer Impfung mit der neuen Vakzine gegen COVID-19 sind einerseits die frei zirkulierenden Antikörper im Blut dauerhaft erhöht, und andererseits sind auch gegen das Coronavirus gerichtete CD8+ T-Zellen auf Dauer einsatzbereit.

Wechsel zwischen Ruhe- und Aktivmodus


Warum der MCMV-Impfstoff eine vergleichsweise lange Schutzwirkung entfaltet, soll jetzt erforscht werden. Eine Vermutung gibt es bereits: Zytomegalieviren haben die Eigenschaft, sich in ihrem Wirt Nischen zu suchen, wo sie sich verstecken und lange Zeit untätig im Ruhemodus verharren. Erst wenn die Immunabwehr des Wirtsorganismus schwächelt, wechseln sie in den Aktivmodus und können dann Krankheitszeichen hervorrufen.

Vermutlich versuchen auch die MCMV-Vektorviren, sich im menschlichen Organismus einzunisten, aber weil der Mensch nicht der passende Wirt für sie ist, funktioniert die Reaktivierung nicht. Das menschliche Immunsystem lässt nicht zu, dass Mausviren erneut im Blut auftauchen, und geht gegen sie vor, sobald sie Proteine bilden und noch bevor infektiöse Partikel entstehen. Auf diese Weise, so die These, wird die Immunabwehr wiederholt stimuliert und die Impfwirkung bleibt erhalten.

Antikörper gegen verschiedene Varianten


Und es gibt noch ein weiteres – mit Blick auf die Wandlungsfähigkeit des Coronavirus – interessantes Phänomen: Die Forscher haben für den neuen Impfstoff das Spike-Gen der allerersten SARS-CoV-2-Variante verwendet. Zunächst werden nach Gabe des MCMV-Impfstoffs erwartungsgemäß spezifische Antikörper gegen dieses ursprüngliche Spikeprotein gebildet. Interessanterweise sind aber einige Zeit nach der Impfung nicht nur Antikörper gegen das Original zu finden, sondern auch Antikörper gegen Proteinvarianten wie zum Beispiel die Omicron-Variante.

Wahrscheinlich sei dies auf einen Mechanismus des Immunsystems zurückzuführen, der dazu dient, die Treffsicherheit gegenüber Angreifern durch Mutationen (Erbgutveränderungen) in den zuständigen Abwehrzellen zu steigern. Dass dieser Mechanismus durch den MCMV-Impfstoff besonders gut unterstützt wird, sei laut den Forschern ein weiterer Vorteil dieser Technologie.

Zwei auf einen Streich


Komplett werde das günstige Rundumprofil des MCMV-Vektors durch seine hohe Kapazität, fremde Gene aufzunehmen. Diese werden gegen Virusgene ausgetauscht, die für die Integrität des Virus nicht zwingend erforderlich sind. Theoretisch sei es möglich, in das MCMV gleichzeitig mehrere verschiedene Gene eines Erregers einzuschleusen und so die Impfwirkung beziehungsweise das Wirkspektrum gegen Varianten zu erhöhen. Auch sei denkbar, mit diesem Vektor Kombinationsimpfstoffe herzustellen, die auf einen Schlag Immunität gegenüber verschiedenen Krankheiten vermitteln. Die kombinierte Impfung gegen COVID-19 und Influenza wäre ein sinnvolles Beispiel.


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