Forscher aus Braunschweig helfen beim Schutz vor Sturmfluten an der Nordsee

Im Großen Wellenströmungskanal finden Großversuche mit dem Nachbau einer Düne aus Sankt Peter-Ording statt.

Die Versuche zeigen: Wurzelsysteme – ob natürlich oder künstlich – können die Stabilität der Düne deutlich erhöhen.
Die Versuche zeigen: Wurzelsysteme – ob natürlich oder künstlich – können die Stabilität der Düne deutlich erhöhen. | Foto: Bianca Loschinsky / TU Braunschweig

Braunschweig. Im Großen Wellenströmungskanal (GWK+) des Forschungszentrums Küste haben Wissenschaftler der Technischen Universität Braunschweig den Einfluss von Dünengras auf die Widerstandskraft von Küstendünen untersucht. Dazu haben sie ein Sturmflutszenario und die bewachsenen Dünen realitätsnah nachgestellt. Darüber berichtet die TU Braunschweig in einer Pressemitteilung.



Angesichts des steigenden Meeresspiegels durch den Klimawandel und häufiger auftretender Sturmfluten gewinne die Frage nach der Wirkung von Vegetation im Küstenschutz zunehmend an Bedeutung. Projekte wie „Gute Küste Niedersachsen“ zeigten eindrucksvoll, wie hier ein besseres Verständnis für die Prozesse in der Natur helfen könne.

Düne in vier Wochen errichtet


Der Versuchsaufbau im Großen Wellenströmungskanal sei ein technisches Mammutprojekt: eine 5,60 Meter hohe und 70 Meter lange Düne, aufgebaut aus rund 450 Tonnen Sand – im Maßstab 1:1, nach einem charakteristischen Profil aus Sankt Peter-Ording. Fast vier Wochen dauerte es, die Düne zu errichten. Unterstützt wurden die Forschenden dabei von einer Baufirma, die den Sand mit einem Radlader in den Kanal brachte.

Realistischer Seegang und Wurzelersatzsysteme


Sechs Testdurchläufe, jeder fünf Stunden lang, simulierten das Worst-Case-Szenario einer Sturmflut an der Nordseeküste – mit Wellenhöhen von bis zu zwei Metern. Neben reinen Sanddünen als Referenzfall kamen erstmals auch verschiedene „Wurzelersatzsysteme“ zum Einsatz – biologisch abbaubare Kokosgitter und -matten, die das tief reichende Wurzelwerk von Dünenvegetation wie dem Strandhafer nachahmen sollen.

„Der zunehmende Druck auf unsere Küsten macht es notwendig, Systeme wie Küstendünen oder Salzwiesen-Vorländer vor Deichen noch besser zu verstehen, ebenso wie die Wirkung der Natur vor und in unseren technischen Systemen, um diese zu optimieren und die Wirkgrenzen zu bestimmen“, erläutert Prof. Nils Goseberg, Professor für Küsteningenieurwesen und Seebau an der Technischen Universität Braunschweig, und Direktor des Forschungszentrums Küste, Hannover.

Pflanzenwurzeln als Helden im Küstenschutz?


Bislang wurde bei Experimenten zur Dünenerosion meist nur mit Sand gearbeitet. Doch in der Natur sind es vor allem Pflanzenwurzeln, die den Sand festhalten und die Düne stabilisieren. Diese Pflanzen, insbesondere der Strandhafer, entwickeln im Laufe der Zeit ein komplexes Wurzelnetz, das mehrere Meter tief reicht und das Sediment selbst nach Sturmfluten noch festhält. Die Vegetation trägt zur natürlichen „Selbstheilung“ der Düne bei: Übersandet sie, wächst der Strandhafer einfach durch den Sand hindurch und bildet neue Terrassen – Schicht für Schicht.

„Wir wollen herausfinden, wie natürliche Strukturen wie die Wurzelhorizonte des Strandhafers, der normalerweise in Dünen wächst, zur Verbesserung des Küstenschutzes beitragen können“, sagt Dr.-Ing. Oliver Lojek vom Leichtweiß-Institut für Wasserbau der TU Braunschweig. Die Versuche zeigen: Wurzelsysteme – ob natürlich oder künstlich – können die Stabilität der Düne deutlich erhöhen. Die im Versuch verwendeten Kokosmatten verhalten sich in den Versuchen ähnlich wie echte Wurzelteppiche: Sie klappen sich bei Belastung auf, halten das Sediment fest und reduzieren so den Abtrag des Sandes durch die anlaufenden Brandungswellen.

Veränderungen des Dünenprofils in 3D


Ein weiteres Ziel der Forschung ist es, Skalierungseffekte zu untersuchen – also zu klären, wie gut sich Erkenntnisse aus kleineren Modellen auf die Realität übertragen lassen. Bisherige Labormodelle waren oft zu klein, um die komplexen Wechselwirkungen zwischen Wellen, Sand und Vegetation realistisch darzustellen. Mit Hilfe von hochmodernen Laserscannern werden die Veränderungen im Dünenprofil dreidimensional und in Echtzeit dokumentiert. Diese Daten ermöglichen ein genaues Verständnis der Erosionsprozesse und liefern wertvolle Impulse für die Modellierung zukünftiger Küstenschutzmaßnahmen.

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