Genauere Pollenflug-Vorhersagen: Bald auch aus Braunschweig

Der Deutsche Wetterdienst baut ein bundesweites Netz automatischer Pollenmonitore auf – auch in Braunschweig könnte bald ein Pollenmonitor stehen.

Der vom Deutschen Wetterdienst genutzte neue automatische Pollenmonitor der Wetzlarer Firma Hund auf dem Dach des Seewetteramtes in Hamburg. Solch eine Station könnte auch bald in Braunschweig stehen.
Der vom Deutschen Wetterdienst genutzte neue automatische Pollenmonitor der Wetzlarer Firma Hund auf dem Dach des Seewetteramtes in Hamburg. Solch eine Station könnte auch bald in Braunschweig stehen. | Foto: Frank Kahl, DWD

Region. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) beginnt mit dem Aufbau eines Messnetzes vollautomatischer Pollenmonitore. Bis zum Jahr 2027 sollen deutschlandweit 16 Geräte aufgestellt und das Messnetz durch Kooperationen mit Partnern weiter verdichtet werden. Auch Braunschweig rückt als möglicher Standort in den Fokus, wie aus einer Presseinformation des DWD hervorgeht.



„Die Nutzung automatischer Pollenmonitore ermöglicht dem DWD, Pollenallergikerinnen und Pollenallergiker zeitnah mit aktuellen Polleninformationen zu versorgen “, erläutert Dr. Christina Koppe, Leiterin der Abteilung Klima- und Umweltberatung des nationalen Wetterdienstes, den Vorteil der neuen Technik. Davon profitierten Millionen Allergikerinnen und Allergiker in Deutschland. Etwa 15 Prozent der Bevölkerung seien von Pollenallergien - umgangssprachlich auch Heuschnupfen genannt - betroffen. Und die Tendenz sei, so Koppe, steigend. Heutzutage beginnt die Pollensaison oft im Januar oder Februar, in sehr milden Wintern sogar schon im Dezember. Mit dem fortschreitenden Klimawandel dürften künftig pollenfreie Zeiten immer kürzer werden.

Künstliche Intelligenz erkennt Pollenarten automatisch


Bis zum Jahr 2027 sollen zunächst 16 Geräte installiert werden - unter anderem in Braunschweig. Weitere könnten durch Kooperationen mit Partnern folgen. Ziel sei eine bessere und zeitnahe Information für Allergiker. Denn die bisher manuell erhobenen Pollenflugdaten seien oft mit Verzögerung verfügbar – zu spät für viele, deren Alltag stark von saisonalen Beschwerden beeinflusst wird.

Die neuen Geräte arbeiten hochautomatisiert. Wie ein digitales Mikroskop saugt der Pollenmonitor Luft an, fotografiert die gefilterten Partikel in über 180 Schärfeebenen und analysiert sie mit Hilfe künstlicher Intelligenz. So entstehen pro Probe rund 60.000 Bilder, aus denen die acht wichtigsten allergenen Pollenarten – darunter Birke, Gräser und Ambrosia – identifiziert werden. Ergänzt wird dies um weitere 26 Pollenarten. Die Daten werden an das DWD-Zentrum in Freiburg gesendet, dort ausgewertet und fließen in die Pollenflugvorhersagen ein.

Verbesserte Pollenfluginformationen helfen Allergikern


Das habe, so die Expertin des DWD, auch volkswirtschaftliche Auswirkungen. Durch Pollenallergien entstünden erhebliche wirtschaftliche Verluste, denn die Leistungsfähigkeit der Betroffenen könne während der Pollenflugsaison eingeschränkt sein. Die Symptome der Pollenallergie lassen sich durch Medikamente zwar abschwächen oder sogar unterdrücken. Doch nicht jede Pollenallergikerin und jeder Pollenallergiker möchte diese Medikamente ständig nehmen. Für die Betroffenen sei es deshalb wichtig, möglichst genau über den tagesaktuellen Pollenflug informiert zu sein. Die Pollenflugvorhersagen des DWD bis zu sechs Tage im Voraus unterstützen Betroffene dabei, ihre Medikation angemessen anzupassen und Aktivitäten so zu gestalten, dass die Pollenbelastung möglichst gering bleibt. Koppe: „Der Deutsche Wetterdienst leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsvorsorge in Deutschland.“ Da durch den Klimawandel die Belastungen durch Pollenflug zunehmen werden, sei das neue Messnetz auch ein Beitrag zur frühzeitigen Anpassung an die Folgen der Erderwärmung.

Monitore von Partnern einbinden


Um einen möglichst großen Anteil der Bevölkerung mit einer möglichst genauen Pollenflugvorhersage zu versorgen, hat der DWD bevorzugt Standorte in urbanen Räumen ausgewählt. Dort leben, so Dr. Stefan Gilge, Experte des DWD für Lufthygiene, viele betroffene AllergikerInnen. Genutzt werden dafür acht DWD-Niederlassungen. Der DWD benötigt allerdings, um Deutschland möglichst repräsentativ abzudecken, auch zusätzliche Standorte. Es werden deshalb in acht weiteren Großräumen automatische Pollenmonitore aufgestellt. Zudem will der DWD mit Betreibern weiterer Pollenmonitore gleichen Typs kooperieren.

Die neuen Pollenmonitore werden künftig während der Blühzeit vier Mal täglich und außerhalb der Pollensaison mindestens einmal täglich Pollendaten übermitteln, je nach Intensität des Pollenflugs aber auch stündlich. Erfasst werden die acht wichtigsten allergenen Pollenarten Hasel, Erle, Esche, Birke, Gräser, Roggen, Beifuß und Ambrosia und ergänzend weitere 26 Pollenarten. Die Daten werden zum Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung des DWD in Freiburg übermittelt, dort qualitätsgesichert und aufgearbeitet. Die Kombination von Modell- und Beobachtungsdaten ist in Vorbereitung.

Der Pollenmonitor funktioniert wie ein automatisches Mikroskop


Ein automatischer Pollenmonitor funktioniert vereinfacht gesagt, so Gilge, wie ein automatisches Mikroskop. Zunächst werden die Pollen in der Außenluft verlustfrei ins Gerät gesaugt, konzentriert und auf einer beschichteten Probenvorlage abgeschieden. Es folgt die automatische digitale Mikroskopie: Die Probenvorlage wird Stück für Stück in etwa 180 verschiedenen Schärfeebenen abfotografiert. Insgesamt entstehen so pro Probe über 60 000 Fotos. Mit Hilfe einer KI werden dann die unterschiedlichen Pollen identifiziert. Da die Entscheidung der KI mit der Ortsangabe der Pollen auf dem Probenträger verbunden ist, wird eine Qualitätskontrolle möglich.

Hohe Kosten zahlen sich aus


Der Aufbau dieses automatischen Pollenmonitornetzes stelle laut DWD eine erhebliche Investition dar. Der DWD gibt dafür insgesamt rund zwei Millionen Euro aus. Dem steht ein deutlicher volkswirtschaftlicher Nutzen gegenüber. Nach Schätzungen liegen, so Gilge, die durch Pollenallergien entstandenen volkswirtschaftlichen Kosten bundesweit bei etwa vier Milliarden Euro pro Jahr. Könnten durch eine verbesserte Pollenflugvorhersage diese Kosten nur um 0,1 Prozent gesenkt werden, entspräche das einer jährlichen Ersparnis von vier Millionen Euro. Damit hätten sich das Messnetz bereits im ersten Betriebsjahr amortisiert.