Gewalt gegen Frauen bleibt traurige Realität

Insgesamt wurden in Niedersachsen 27.986 Fälle von häuslicher Gewalt erfasst. In den meisten Fällen waren Frauen die Opfer.

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Symbolbild | Foto: pixabay

Region. Am kommenden Dienstag wird anlässlich des Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen unter dem Motto „Orange the World“ weltweit auf die anhaltende Problematik häuslicher und sexualisierter Gewalt aufmerksam gemacht. Auch in Deutschland ist der Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt eine zentrale Aufgabe von Staat und Gesellschaft. Das zeigt das heute vom Bundeskriminalamt veröffentlichte Lagebild "Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten 2024". Die polizeilich erfassten Zahlen zu weiblichen Opfern sind demnach in fast allen betrachteten Deliktsgruppen weiter angestiegen.



Insgesamt wurden in Niedersachsen 27.986 Fälle (2023: 25.263) von häuslicher Gewalt erfasst. Bei der partnerschaftlichen Gewalt ist mit 18.941 Fällen ein Anstieg von 7,8 Prozent zu verzeichnen, während die familiäre Gewalt mit 9.775 Fällen sogar um knapp 19 Prozent angestiegen ist. Für das Berichtsjahr 2025 sei nach bisheriger Entwicklung ein etwa gleichbleibender Trend zu erwarten, heißt es in einer Pressemitteilung des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres, Sport und Digitalisierung.

Zahlen sind erschütternd


Die Niedersächsische Ministerin für Inneres,Sport und Digitalisierung, Daniela Behrens, sagt dazu: „Die Zahlen sind erschütternd und zeigen, dass häusliche Gewalt kein Randphänomen ist, sondern mitten in unserer Gesellschaft stattfindet. Wir dürfen nicht zulassen, dass Betroffene von häuslicher Gewalt alleingelassen werden. Die Bekämpfung der häuslichen Gewalt ist dabei auch eine Frage der inneren Sicherheit – sie betrifft die Stabilität unseres Zusammenlebens und die Sicherheit in den eigenen vier Wänden. Niedersachsen setzt deshalb auf eine Kombination aus konsequenter Strafverfolgung, Prävention und innovativen Hilfsangeboten.“

Mit 19.521 Fällen (2023: 17.735) seien Körperverletzungsdelikte bei partnerschaftlicher und familiärer Gewalt am häufigsten vertreten. Davon sind 15.864 Fälle der einfachen Körperverletzung (2023: 14.339) und 3.220 Fälle der gefährlichen oder schweren Körperverletzung (2023: 3.051) zuzurechnen. Bei Straftaten gegen die persönliche Freiheit wurden am häufigsten Bedrohungen mit 4.773 Fällen (2023: 4.425) und Nachstellungen mit 1.273 Fällen (2023: 1.041) registriert.

Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung machten im Jahr 2024 mit 4,71 Prozent (2023: 4,02 Prozent) einen zahlenmäßig geringen Anteil der Gesamtfälle häuslicher Gewalt aus. Es wurden insgesamt 1.318 Fälle (2023: 1.015) erfasst.

Insgesamt wurden im Jahr 2024 30.209 Opfer von häuslicher Gewalt polizeilich bekannt. Davon waren 21.106 Opfer weiblichen (69,87 Prozent) und 9.103 Opfer männlichen Geschlechts (30,13 Prozent). Im Vergleich zum Vorjahr (2023: 26.891 Opfer) ergibt sich hierbei eine Steigerung von insgesamt 12,34 Prozent.

Weniger Tötungsdelikte


Die Opferzahlen bei den Tötungsdelikten sind im Jahr 2024 von 98 auf 92 gesunken. Dabei kam es im Berichtsjahr zu 31 (2023: 40) Tatvollendungen, wovon 23 Opfer weiblich (2023: 32) und 8 männlich (2023: 8) sind. Bei den übrigen Fällen handelt es sich um Versuchstaten.

Kampf gegen häusliche Gewalt


Die starke Zunahme der Anzahl von Opfern häuslicher Gewalt erfordere ein abgestimmtes Vorgehen und weitere Maßnahmen zum Schutz potenzieller Opfer im häuslichen und familiären Umfeld.

Um den Kampf gegen häusliche Gewalt weiter zu forcieren wird in Niedersachsen die geschützte App des Vereins Gewaltfrei in die Zukunft e.V. als getarnte Anwendung landesweit eingeführt, um erwachsenen Frauen sowie Personen mit vielfältigen geschlechtlichen Identitäten, die von geschlechtsbasierter Gewalt in Paarbeziehungen betroffen sind, einen sicheren und niedrigschwelligen Zugang zu Informationen und Hilfsangeboten anzubieten.

Ministerin Behrens: „Mit der Einführung der geschützten App von Gewaltfrei in die Zukunft e.V. gehen wir einen weiteren wichtigen Schritt im Kampf gegen häusliche Gewalt. Die App ermöglicht Betroffenen, schnell und diskret Hilfe zu erhalten – unabhängig von Zeit und Ort. Wir nutzen die innovative Herangehensweise, um den Zugang für Betroffene deutlich zu erweitern. Das Land Niedersachsen unterstützt den Rollout aktiv, denn uns ist bewusst, dass Prävention und Schutz dort beginnen, wo Betroffene erreicht werden – auch im digitalen Raum.“

Kernfunktionen der mehrsprachig nutzbaren App sind das Empowerment von Betroffenen, die umfassende Aufklärung zu geschlechtsbasierter Gewalt und die eigene Reflexion. Mit der Möglichkeit, Gewaltvorfälle in einem gerichtsunterstützenden Gewalttagebuch zu dokumentieren, soll u. a. die Reflexion unterstützt sowie die Strafverfolgung erleichtert werden.

Die App dient als Brücke ins Hilfesystem und wird nicht frei über App-Stores, sondern ausschließlich über geschützte Verteilwege bereitgestellt, um die Sicherheit der Betroffenen zu gewährleisten.

Das Projekt wird vom Bundesministerium des Innern und für Heimat mit 3,7 Millionen Euro bis 2026 gefördert und gilt als Leuchtturmprojekt im Bereich der inneren Sicherheit. Niedersachsen gehört neben Berlin zu den ersten Bundesländern, die die App implementieren.

Fußfessel für Gewalttäter


Mit der Novelle des Niedersächsischen Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG), das in dieser Woche erstmals im Niedersächsischen Landtag beraten wurde, soll die Polizei zudem die nötige Rechtsgrundlage erhalten, um im Einzelfall zur Gefahrenabwehr eine elektronische Aufenthaltsüberwachung des Täters nach gerichtlicher Anordnung umsetzen zu können. Die Regelung wird sich am sogenannten „Spanischen Modell“ orientieren, also einer dynamischen Aufenthaltsüberwachung, bei der auch den betroffenen Opfern mit deren Einvernehmen technische Mittel zur Verfügung gestellt werden, um diese unmittelbar zu warnen, sobald der Täter eine bestimmte Distanz unterschreitet.

Innenministerin Behrens: „Wir verbessern den Schutz von Opfern häuslicher Gewalt. Wir wollen insbesondere Frauen vor Übergriffen gewalttätiger Personen aus ihrem häuslichen Umfeld schützen und weiten dazu die Möglichkeiten für eine elektronische Aufenthaltsüberwachung aus. Durch die Einführung des sogenannten ‚Spanischen Modells‘ können Opfer über ein technisches Mittel bei Annäherung des Gefährders frühzeitig gewarnt und Gefahrensituationen besser vermieden werden.“

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