Artenschutzzentrum: Anzahl der Pfleglinge auf Rekordniveau


Die Jahresbilanz 2018 weist einen starken Zuwachs an Vögeln, Säugetieren und Reptilien auf. Foto: NABU/Bärbel Rogoschik
Die Jahresbilanz 2018 weist einen starken Zuwachs an Vögeln, Säugetieren und Reptilien auf. Foto: NABU/Bärbel Rogoschik

Leiferde – Mit 3.071 Tieren aus 193 Arten wurde erstmals in der 39-jährigen Geschichte des NABU-Artenschutzzentrums die 3.000er-Marke der zu pflegenden Tiere überschritten. Das berichtet der NABU in einer Pressemitteilung.


Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies einen Zuwachs von über 650 Tieren, die von den Mitarbeitenden versorgt werden mussten. Ursache hierfür war die mit 1.902 Tieren (90 Arten) stark gewachsene Zahl an Pfleglingen aus der Gruppe der heimischen Vögel. Allein diese Gruppe brachte es im Vergleich zum Vorjahr auf einen Zuwachs von 521 Tieren.

Nicht genug Nahrung für Jungvögel


Unter den heimischen Vögeln waren für den starken Anstieg an Pfleglingen vor allem Singvögel verantwortlich, von denen allein 911 Individuen (386 mehr als im Vorjahr) im NABU-Artenschutzzentrum aufgenommen wurden. „Über die Gründe lässt sich ausgiebig diskutieren“, berichtet Bärbel Rogoschik, Leiterin des NABU-Artenschutzzentrums, „Fakt ist aber, dass der vielbeschriebene Rückgang an Insekten für viele (Vogel-)Arten eine extreme Verknappung ihrer Nahrungsgrundlage bedeutet. Die Folge ist, dass besonders Jungvögel in den Nestern betroffen sind, für die von den Altvögeln nicht genug Nahrung herangeschafft werden kann. Als Folge dessen werden vermehrt ganze Bruten aufgegeben.“ Diese Situation wurde im vergangenen Jahr noch durch die extreme Trockenheit verstärkt, die für zusätzliche Engpässe sorgte. So war es beispielsweise Amseln kaum möglich, an Regenwürmer zu gelangen und auch Mücken fielen vielerorts als Nahrungsbestandteil komplett aus.

Zahl der Singvögel steigt stark an


„Die häufigsten Arten unter den Singvögeln waren 205 Amseln, 150 Haussperlinge und 101 Rabenkrähen, die zusammen schon die Hälfte aller Singvögel ausmachten“, berichtet Joachim Neumann, Mitarbeiter des NABU-Artenschutzzentrums, „In Bezug auf die Amsel wird es künftig spannend sein zu beobachten, inwieweit sich der auch in Norddeutschland ausbreitende Usutu-Virus auf die Amsel-Population auswirken wird.“

Ebenfalls stark angestiegen sind die Pflegetierzahlen für Schwalben und Segler. Diese summierten sich im Bezugsjahr auf 330 Tiere (2017: 168 Tiere) aus vier Arten (127 Mauersegler, 127 Mehlschwalben, 75 Rauchschwalben und eine Uferschwalbe). Da sich Schwalben und Segler von Fluginsekten ernähren, traf das bei den Singvögeln beschriebene Problem der Nahrungsverknappung ebenso auf diese Artengruppe zu.

Säugetiere und Amphibien legen zu


Den höchsten Wert seit zehn Jahren erreichten ebenfalls die im NABU-Artenschutzzentrum gepflegten Säugetiere. Selbige summierten sich im vergangenen Jahr auf 432 Tiere aus 26 Arten. Die wie in jedem Jahr häufigste Art war der Igel, der es auf 262 Individuen brachte.

Einen starken Anstieg verzeichnete auch die Gruppe der Reptilien (und Amphibien). Während im Jahr 2017 erstmals die 300er-Marke (314 Ind.) an Pflegetieren dieser Gruppe überschritten wurde, fiel im vergangenen Jahr mit 440 Tieren aus 48 Arten sogar deutlich die 400er-Marke. Wie auch im Jahr zuvor ist der Grund vor allem in einigen größeren Beschlagnahmungen zu finden, die sich zusammen auf beträchtliche Pflegetierzahlen summierten. Im Sumpfschildkrötenprojekt wurden 173 Tiere gepflegt und das 250-zigste Tier konnte ausgewildert werden.

Region als Einzugsgebiet


Durch die Lage des Zentrums im Landkreis Gifhorn, stammen die meisten Tiere (720) aus diesem Gebiet. Der zweite Platz wird vom Landkreis Peine mit 449 Pflegetieren eingenommen. Danach folgt die Stadt Braunschweig mit 318 Tieren, die Region Hannover mit 260, der Landkreis Helmstedt mit 229, die Stadt Wolfsburg mit 175, der Landkreis Celle mit 152, der Landkreis Wolfenbüttel mit 123, der Landkreis Hildesheim mit 108 und Salzgitter mit 86 Pfleglingen.

Um Menschen aller Altersklassen die Möglichkeit zu geben, nicht nur ihre technische Welt, sondern auch die natürliche zu erfahren, bietet das NABU-Artenschutzzentrum zu unterschiedlichen Themengebieten Veranstaltungen an. „Natürlich liegen uns dabei besonders die Kinder und deren Einstellung zur Natur sehr am Herzen“, so Bärbel Rogoschik. Im Jahr 2018 fanden insgesamt 137 Veranstaltungen mit 2.268 Besuchern statt.

Storchenfest war ein Besuchermagnet


„Dazu kamen die Be­sucher des Storchenfestes mit zusätzlich knapp 5.000 Personen“, so Uwe-Peter Lestin, Vorsitzender des Förderkreises des NABU-Artenschutzzentrums. „Das diesjährige Storchenfest findet am 28. April statt und vielleicht kann dann auch schon eine neue Anlage für Landschildkröten besichtigt werden“, so Lestin. Um den zum Teil jahrelang im Zentrum gepflegten Landschildkröten bessere Lebensbedingungen bieten zu können, wurde im April letzten Jahres mit dem Bau einer neuen Landschildkrötenanlage begonnen, der ab Oktober fortgeführt wurde und 2019 fertig gestellt werden muss.

Ein für viele Menschen wichtiger Termin war die Ankunft von Fridolin am 19. Februar 2018 auf dem Schornstein des Zentrums. Als neue Partnerin war Mai, geschlüpft in Dänemark 2015, an seiner Seite. Wahrscheinlich durch die Unerfahrenheit von Mai bei der Futterbeschaffung, wurde leider nur ein Jungstorch groß.

Auf dem Gelände des Zentrums waren 2018 fünf Storchenpaare ansässig, wovon ein Paar zwar versuchte zu brüten, es auf Grund des Alters (2 und 3 Jahre) aber nicht schaffte.

Rehkitzrettung mit Drohne


„Im letzten Jahr wurde mit Hilfe der Niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung eine Drohne inklusive einer Wärmebildkamera angeschafft“, berichtet Joachim Neumann. „Hiermit ist es möglich geworden zum Beispiel Rehkitze vor dem sicheren Mähtod zu retten. So konnten allein bei einer Befliegung fünf Kitzen das Leben gerettet werden.“

„Wir sind alle gespannt, welche Herausforderungen uns 2019 erwarten“, so Rogoschik. „Letztendlich werden wir, sollte es wieder ein so extremes Jahr werden, nicht mehr die Anzahl der Tiere aufnehmen wie 2018. Vorher werden wir die Reißleine ziehen müssen und das Zentrum für Neuaufnahmen schließen, um den bis dahin aufgenommenen Tieren gerecht werden zu können.“


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