"Kleinigkeiten aufgebauscht" - Flüchtlingsrat kritisiert weiterhin Zwangsumzug von Großfamilie

Der Umgang des Landkreises zeige exemplarisch die ganze Rechtlosigkeit von Asylsuchenden.

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Symbolbild | Foto: regionalHeute.de

Osloß. Anfang August musste eine alleinerziehende Mutter aus Moldawien mit ihren sieben Kindern auf Anweisung des Landkreises Gifhorn ihre Wohnung in Osloß verlassen und in die Sammelunterkunft in Ehra-Lessien ziehen (regionalHeute.de berichtete). Der Landkreis begründete die Maßnahme mit zunehmenden Beschwerden von Nachbarn und Schule bezüglich der Verhaltensweisen gegenüber dem sozialen Umfeld. Der Flüchtlingsrat dagegen erneuert nun seine Kritik in einer Pressemitteilung und spricht von Kleinigkeiten die aufgebauscht würden, um das Bild einer kriminellen Familie zu zeichnen, die angeblich die öffentliche Ordnung gefährde.


Am 5. August, um 10.15 Uhr hätten die Mitarbeiter des Landkreises die Familie in ihrer Abwesenheit ausgesperrt, indem das Schloss der Wohnungstür ausgewechselt wurde. Gegen den Räumungsbescheid habe die Familie Klage erhoben, die weiterhin laufe. Der gleichzeitig gestellte Eilrechtsschutzantrag der Familie sei vom Verwaltungsgericht Braunschweig abgelehnt worden. Das Gericht habe seine Entscheidung nach einer vorläufigen Prüfung des Sachverhalts im Wesentlichen damit begründet, dass es grundsätzlich im Ermessen der Behörde stehe, zu bestimmen, wo die Familienmitglieder wohnen, da diese lediglich über Aufenthaltsgestattungen beziehungsweise Duldungen verfügten. Obwohl die vom Landkreis genannten Beschwerden nach Ansicht des Flüchtlingsrates weder konkretisiert noch geprüft, geschweige denn bewiesen wurden, habe das Gericht die Ansicht vertreten, dass diese „sämtlich belegt“ seien. Zudem sei durch die „unsachgemäße“ Renovierung der Wohnung ein Schaden entstanden. Weshalb die Renovierung „unsachgemäß“ gewesen sei und worin der „Schaden“ genau bestehe, hätten Landkreis und Gericht hingegen offen gelassen.

"Beschwerden unzureichend dokumentiert"


Behördlich dokumentiert seien nur wenige der Beschwerden. Die dokumentierten Beschwerden wiederum seien laut Flüchtlingsrat unzureichend: Sie ließen weder erkennen, wer genau sich beschwert habe, noch was der konkrete Anlass für die Beschwerden gewesen sei. Offen bleibe ferner, ob und wie die Beschwerden überprüft wurden. "Auf Grundlage nicht belegter Vorwürfe wird ein Bild von der Familie erzeugt, um sie als permanente Störenfriede und als notorisch kriminell darzustellen", kritisiert der Flüchtlingsrat. Dabei handele es sich bei diesen Beschwerden um alltägliche Konflikte im sozialen Nahraum: Fragen der Mülltrennung, laut spielende Kinder, die Pflege des eigenen Gartens, von den Kindern ohne Erlaubnis gepflücktes Obst von Bäumen auf anderen Grundstücken. All das seien Bagatellen, bei denen zum Teil nicht einmal gesichert sei, ob die missbilligten Handlungen auf das Verhalten der Familie oder das anderer Hausbewohner zurückzuführen sei.

Für den Flüchtlingsrat zeige der Umgang des Landkreises exemplarisch die ganze Rechtlosigkeit von Asylsuchenden. Bei keinem herkömmlichen Mietverhältnis wären solche Vorwürfe ausreichende Grundlage, um eine Familie aus ihrer Wohnung zu werfen. Diese Familie jedoch habe, weil es sich um Asylsuchende handele, kaum rechtliche Mittel sich zu wehren. Sie werde damit aus ihrem bisherigen sozialen Umfeld herausgerissen.

"Begründung des Landkreises ist zynisch"


"Es ist zynisch, den Zwangsumzug der Familie in das Flüchtlingscamp Ehra-Lessien damit zu begründen, dass ihre soziale Betreuung dort besser sei als in Osloß", betont Sigmar Walbrecht, Referent des Flüchtlingsrates Niedersachsen. Studien zeigten durchweg, dass insbesondere Frauen und Kinder unter den widrigen Lebensbedingungen in Sammelunterkünften litten. "Wenn die alleinerziehende Mutter von sieben Kindern tatsächlich bei der Erziehung überfordert sein sollte, wäre es vielmehr angebracht, ihr Familienhilfe zu geben, anstatt sie aus ihren sozialen Umfeld herauszureißen und ihre Perspektiven zu zerstören", so Walbrecht.

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