Gilbert-Lounge im Wolfenbüttler Tabakhaus

von Andreas Molau




Im Wolfenbüttler Tabakhaus eröffnete die zweite Gilbert de Montsalvat Lounge in Deutschland. Mit Raymondo Bernasconi besuchte der Macher dieses Labels die Lessingstadt.


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Manchmal verwandeln sich Orte. Die Sonne kann Ödes beleben, Musik zaubert eine Atmosphäre herbei, die viele hundert Kilometer entfernt zu Hause ist. Eigentlich. Und wenn viele Dinge zusammenkommen, dann ist es, als tauchte man in eine Geschichte ein. Vielleicht liegt es an diesem Ort, in Wolfenbüttel, der seit jeher ein Besonderer war. Der Krambuden war das Grenzgebiet zwischen dem Territorium der Herzöge und der freien Bürger. Hier entwickelte sich Handel. Und mit dem Handel kommen Menschen zusammen. Bis heute. Im »Alt Wolfenbüttel« vor jedem Wochenende. Wenn es das Wetter nur einigermaßen zulässt, sitzen die Stammgäste auf den Holzbänken draußen, packen ihre Oliven aus oder eine Mettwurst, trinken zufrieden ihr Bier. Und auch Neulinge werden freundlich in die Mitte genommen. Gleich nebenan gesellten sich vor Pfingsten Genussfreunde dazu. In der Ecke zwischen Klamottengeschäft und Alt Wolfenbüttel befindet sich einer jener Läden in der Lessingstadt, die man gar nicht so bemerkt, wie sie es eigentlich verdient hätten. Vor dem toten Karstadt-Gebäude ist es wie nach 18 Uhr oder Samstag Nachmittag in der gesamten City. Das Interesse der Gäste und Anwohner hält sich in Grenzen. Man eilt durch. Nicht so an diesem Tag, wo der Krambuden, dieser alte Handelsplatz so belebt ist, wie er das wahrscheinlich vor 400 Jahren schon war.


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Ein Name wie ein Roman

Da ist der unscheinbare Laden »in der Ecke«. Vor Jahren Papiergeschäft. Nun Tabakhaus. Heute spielt davor Musik aus Lautsprechern. Gut gelaunte Gäste lachen und scherzen. An einem kleinen Tresen werden köstliche Whiskys zur Verkostung angeboten. Ich probiere einen aus dem Sherryfass und warte auf Raymondo Bernasconi. Mit einem Strohhut sitzt er da draußen auf der Bank. Gönnt sich ein kühles Wolters, während er zwischendurch genussvoll an einer Zigarre zieht. So eine opulente, mit größerem Durchmesser. Eine, wie sie Egon Olsen stets zwischen den Zähnen hatte, bevor, während und nachdem er wieder ein »großes Ding« gedreht hatte. Raymondo Bernasconi. Das klingt so, als sei das eine Figur aus einem Roman von Thomas Mann. Und mit dem Strohhut, einer freundlichen, lässigen Art bei der Begrüßung kann man sich schon den Beginn einer Geschichte vorstellen, die den Leser an ferne Schauplätze entführt. Der Macher der Zigarrenmarke Gilbert de Montsalvat, der seit 2008 den Zigarrenmarkt aufmischt, nimmt sich die Zeit und plaudert mit mir über die Verwirklichung seines Traums.


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Wie ein englischer Club

Inzwischen sind wir reingegangen und nehmen in der neu eröffneten Lounge Platz. Ledersessel. Gemütliche Atmosphäre. Mit dabei ist die Geschäftsführerein des Wolfenbüttler Tabakhauses, Frau Christiansen. Wenn man nicht wüsste, dass dies in Wolfenbüttel ist. Ein englischer Club könnte es ebenso sein. Der singende Ton des Schweizers erzählt eine Geschichte. Seine Geschichte. Nicht die, vom Tellerwäscher zum Millionär. Aber vom Spediteur zum Zigarrenkompositeur. Denn Zigarren, das lerne ich in dem Gespräch »macht« man nicht. Man komponiert sie. »Mit dem Zigarrenmachen ist es ein bisschen so wie beim Wein«, erzählt er und zieht genüsslich an seinem Stumpen. Ein wohliges Aroma verbreitet sich im Raum. Leicht süßlich und würzig zugleich. Von der ersten Idee, bis hin zum Endprodukt war das ein weiter Weg. Allein der Name des Projektes verrät Charme und Witz. Der Baron de Montsalvat ist eine literarische Figur, wie man sie einfach lieben muss. In Paris geboren. In Cambridge hat er studiert. Kosmopolit und Literat. Vertreter einer Bel Epoque, die das hat, was uns heute fehlt. Zeit. Ruhe. Originalität und Charme. Weltläufigkeit und Offenheit. Und vor allem Stil.


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Der Zigarre rauchende Nichtraucher

»Eigentlich bin ich ein Nichtraucher«, schmunzelt Raymondo Bernasconi und damit trifft er etwas, was Bürokraten nur schwer zu vermitteln ist, die auch auf die Zigarrenkisten von Gilbert de Montsalvat ihre pädagogischen Traktate drucken lassen, die die Gefährlichkeit des Rauchens beschwören. Das ist die Problematik eines Zeitalters, das sich ängstlich gegen alle Unbilden absichern möchte und damit konsequenterweise ebenso an jedes Autotacho schreiben müsste, dass das Führen von Fahrzeugen nach aktueller Statistik ziemlich gefährlich sein könnte. Wie das ganze Leben. Das Rauchen, so erläutert Raymondo Bernasconi, der nach Hamburg die zweite exklusive Lounge für seine Produkte in Deutschland eröffnet hat, sei ein Genussmittel, mit dem man verantwortungsvoll umgehe. »Ich rauche selbst manchmal zwei Wochen nicht und kann dann eine neue Zigarre richtig genießen«, erklärt er. Rauchen sei Entschleunigung. Und wenn er kleine Tipps für die erste und zweite Zigarre gibt – langsam rauchen, nur ein bis zwei Züge pro Minute –, dann hat man den Eindruck, dass das Prozedere einer meditativen Übung gleicht.


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Qualität braucht Zeit

Qualität braucht Zeit. Und die hat sich Raymondo Bernasconi bei der Entwicklung seiner Marke genommen. Zwei Jahre habe es gedauert, bis die erste Zigarre auf den Markt gekommen sei. »Ich habe bestimmte Vorstellungen und dann arbeite ich mit den Produzenten so lange an dem Ergebnis, bis es diesen Vorstellungen entspricht«, erläutert er. Dabei sei es sensorisch viel schwieriger, Aromen bei der Zigarre zu entwickeln als beim Wein. Schwieriger und leichter zugleich. Denn das Verschneiden von Tabaksorten verschiedener Provenienz ist eine hohe Kunst und im Gegensatz zum Wein möglich. Eine gute Zigarre kann aus drei oder vier Ländern kommen. Der Rebensaft nicht. Dass sich das Wolfenbüttler Tabakhaus entschlossen habe, mit seiner Firma zusammenzuarbeiten, sei eine hohe Ehre für ihn. Das zeuge von Vertrauen. Dieses Vertrauen hat eine verschworene Fangemeinde aufgebaut, die derweil draußen feiert. Sir Henry, die Wolfenbüttler Musikerlegende, der die Bel Epoque aus den Tasten und seiner Kehle zaubert, hat sich neben einem frischen schottischen Lachs angesagt, der geschmacklichen Genuss verspricht. Die Eröffnung der Lounge ist sozusagen ein ganzheitlich angelegtes Genussevent.


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Ein Ort des Genusses

Die Wolfenbüttler Gilbert-Lounge ist eröffnet und lädt Zigarreninteressierte zukünftig zum Probieren und Verweilen ein. Dabei kann auch ein Whisky getrunken werden oder ein guter Rum. Denn davon hat das Tabakhaus ein exquisites Programm. Bald wird sich zudem ein »Cigarren und Genießerclub« gründen, der hier seine Heimstatt gefunden hat. Raymondo Bernasconi stellt sich noch geduldig für ein paar Fotos zur Verfügung, grüßt freundlich und gesellt sich in die Runde zurück. Am Krambuden, dort wo sich der alte Platz an diesem Tag wieder einmal verwandelt hat. In eine Meile des Genusses. Und das nächste Mal werde ich mir so eine duftende Stange holen und sie in Ruhe schmöken. Genug Gelegenheit, Profis dabei zuzuschauen hatte ich nach dem angenehmen Gespräch.


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Raymondo Bernasconi[/image]