Goslar. Am heutigen Donnerstag fiel der Startschuss für die Umbauarbeiten am Odeon-Theater in Goslar. Über ein Jahr nach der öffentlichen Abschiedsfeier für interessierte Bürgerinnen und Bürger wird sich auch äußerlich schon etwas tun. "Spätestens in zehn Tagen ist sichtbar, dass es aufhört eine Ruine zu sein und anfängt eine Baustelle zu werden", so Gebäudeeigentümer und Investor Dirk Felsmann gegenüber regionalHeute.de. Das historische Gebäude wird zu einem Mehrfamilienhaus mit offenem Innenhof ausgebaut.
Beinahe sechs Jahre, nachdem das ehemalige Theater zur "Verwertung" an das Goslarer Gebäudemanagement übergeben wurde, tut sich etwas. Als Erstes sei von außen nicht viel zu sehen. Am heutigen Donnerstag fand eine erstmalige Begehung mit dem Baupersonal statt. Sichtbar von außen wird als Erstes ein Bauzaun aufgestellt. Weiterhin werden die durch Vandalismus zerstörten Fenster - vornehmlich auf der Rückseite des Gebäudes - wieder verschlossen. In dem statisch im besten Falle wackeligen Gebäude beginnt dann im Verborgenen die eigentliche Herausforderung: "Wir fangen dann im Inneren an, das Mobiliar zu entfernen und dann die statisch gefährlichen Decken über dem Theatersaal herauszunehmen", schildert Felsmann und fährt fort: "Bauteile, bei denen wir noch gar nicht wissen, wie sie aussehen, müssen wir öffnen und schauen, ob die statisch relevant sind. Nach und nach läuft dann die Entkernung. So tasten wir uns voran."
Investor Dirk Felsmann bei einer Sitzung des Bauausschusses in Goslar. Den Investoren Meinhof und Felsmann gehören auch etliche Altbauten auf dem Fliegerhorst. Foto: Marvin König
"Da wir mit ungewöhnlichen Entdeckungen rechnen, rechnen wir nicht mit Schwierigkeiten."
Die Investoren Meinhof und Felsmann sind Denkmalerfahren. Sie kennen und schätzen die Herausforderungen, die alte Baudenkmäler bieten. Jedes Gebäude sei für sie ein Unikat - Überraschungen seien eigentlich immer dabei.
Ein Gebäude auf unterspültem Boden
Der Vandalismus sei laut Felsmann ärgerlich, aber nicht ungewöhnlich. "Ein unbewachtes Gebäude ist eben ein gutes Opfer", meint der Investor. Insgesamt macht das Gebäude von außen keine gute Figur mehr. Graffitis und eingeworfene Fenster, aber auch prominentere Schäden wie bröckelnder Putz und abgebrochene Stuckleisten zeichnen ein Bild des Verfalls.
Besonders auf Seiten der Tappenstraße haben Verfall und Vandalismus ihre Spuren hinterlassen. Foto: Marvin König
Dass das Odeon laut eines Gutachtens auf "breiigem Untergrund" steht, war den Investoren lange bekannt. "Es gab da ein statisches Problem, das aber im Wesentlichen behoben ist. In der Tappenstraße verlief eine Rohrleitung, die als Regenwasserspeicher diente. Dieses Rohr war undicht und hat über Jahrzehnte das Odeon untenrum matschig gemacht. Deswegen war der Baugrund instabil", erklärt Felsmann. "Ein bröckelnder Putz tut einem 120 Jahre alten Gebäude nicht weh. Und wenn wir fertig sind, hält das die nächsten 120 Jahre auch wieder!", gibt sich der Investor zuversichtlich.
Wie wird das Odeon aussehen?
Die Wiederherstellung der Fassade könne nicht einfach durch einen Maurer erfolgen. "Das müssen schon künstlerisch begabte Handwerker sein", kommentiert Felsmann. Wie das im Detail aussehen wird, werde noch mit der Denkmalpflege abgestimmt. Einen ersten Eindruck der Planungen geben die Investoren auf ihrer Website. "Der gesetzliche Auftrag ist die Bewahrung des Objektes. Ob man das bis zum Exzess mit der Rekonstruktion von ehemaligen oder nur zwischenzeitlich vorhandenen Elementen ausübt, werden wir diskutieren. Das Odeon sah ja im Original ganz anders aus. Die spannende Frage ist, in welchem Bauzustand werden wir es wiederherstellen? Vielleicht ist ja auch der gealterte Zustand der richtige", beschreibt Felsmann die nun kommenden Herausforderungen und fasst zusammen: "Es geht ums Bewahren. Wiederaufbau hat vielleicht was emotional wichtiges, hat aber mit Denkmalschutz nichts zu tun. Was weg ist, können Sie nicht bewahren."
Das Odeon wurde mehrfach umgebaut. Einige historische Elemente und architektonische Besonderheiten, wie diese Buntglasfenster, sind aber auch im inneren noch erhalten. Zugemauerte Fenster sollen wieder geöffnet werden. Foto: Marvin König
Das bedeutet aber auch, dass die vorhandenen Planungsbilder sich noch einmal verändern könnten. "Wir sind gespannt, was eine gute Lösung ist. Das Haus als ganzes soll erhalten bleiben. Aber was es darstellen soll, da lassen wir uns auch gerne beraten. Viele empfinden die Denkmalpflege ja eher als Gegner, aber die haben auch ein unglaubliches Know-how."
Nach dem Umbau wird aus dem Theatersaal ein offener Innenhof. Die Decke wird entfernt, damit sollen auch die Außenwände entlastet werden. Foto: Marvin König
Am Ende soll aus dem Odeon ein modernes Gebäude mit historischer Schale werden. Eine Wärmedämmung von außen sei aufgrund der zu erhaltenden Fassade nicht machbar. Stattdessen soll von innen eine neue Mauer hinter die alte Fassade gebaut werden. Mit dieser zweiten Wand soll dann auch eine Wärmedämmung von innen realisiert werden. "Das ist physikalisch nicht günstig, aber machbar. Wir machen das seit 20 Jahren sehr erfolgreich", kommentiert Felsmann.
Warum dauerte es so lange?
Im Jahr 2019 erklärte Felsmann in einem Gespräch mit regionalHeute.de, dass der Baubeginn für das Odeon noch "in diesem Jahr" sein könnte. Das Jahr 2020 verstrich, erst in diesen Tagen beginnt der tatsächliche Bauprozess. Felsmann: "Es gibt mehrere Aspekte. Wir sind ein super kleines Unternehmen und manchmal nehmen wir uns mehr vor, als wir so schnell schaffen." Auch die Corona-Pandemie habe für Verzögerungen gesorgt: "Die Bauwirtschaft läuft ganz gut. Aber bei Planungsprozessen müssen nach und nach von verschiedenen Stellen Sachen abgearbeitet werden. Und wenn da nur einer ausfällt, haben sie einen Stopp im Projekt. Das hat uns Zeit gekostet. Und mal ganz ehrlich - das Ding hat 120 Jahre gestanden. Da hat es auch ein paar Jahre mehr Zeit." Die wirklich gravierenden Umbauarbeiten sollen mit der Genehmigung des Bauantrages erfolgen. "Das der noch nicht da ist, liegt aber auch daran, dass wir den erst sehr spät gestellt haben. Der liegt erst seit vier Wochen beim Amt", gesteht Felsmann ein.
Alle sollen profitieren
Bei der Abschiedsfeier wurden bereits verschiedene Einrichtungsgegenstände verkauft und verschenkt. Die Einnahmen kamen dabei dem Verein "junges Theater" zugute. Mit der Einrichtung einer Baustelle sei dann aber "endgültig Schluss". Da es sich dann um eine Großbaustelle handele, könne man keine Bürger mehr in das Gebäude lassen, erklärt Felsmann. Die Wohnungen sollen dann im Schnitt für acht Euro pro Quadratmeter vermietet werden. Der Gewinn soll aber nicht nur an die Investoren gehen, wie Felsmann erzählt: "Wir sind nicht nur zwei reiche alte Säcke, die ihren Reichtum mehren wollen. Alle die daran beteiligt sind, sollen am unternehmerischen Erfolg teilhaben", stellt Felsmann klar und berichtet weiter: "Wir haben dafür die Odeon GBR gegründet, damit alle Menschen, die zum Erfolg beigetragen haben davon profitieren können. Es ist im Grunde ein Mitarbeiterprojekt geworden." Dazu zählen laut dem Investor nicht nur die beiden Mitarbeiterinnen des Büros Meinhof und Felsmann, sondern "alle handelnden Menschen", sowohl in den beteiligten Büros, als auch bei den Architekten und der Maklerin.
Investor verteidigt geplante Mietpreise
Besonders in sozialen Medien wurde bei den Projekten der Investoren Kritik laut, dass die Wohnungen zu teuer seien und Geringverdiener - auch in Goslar - aus den neuen Immobilien ausgeschlossen würden. Die Kaltmiete pro Quadratmeter beträgt derzeit im Median zwischen 6 und 7 Euro - je nach Wohnungsgröße. "Wenn sie 1.000 Euro auf einen Quadratmeter investieren und dann eine Rendite von fünf Prozent haben, dann eineinhalb Prozent Zinsen, eineinhalb Prozent Zinsen und noch ein bisschen Verwaltung, dann sind die fünf Prozent wieder weg", so Felsmann. "Ein Neubau kostet mindestens 3.000 Euro pro Quadratmeter. Viele Projektentwickler rechnen deshalb mit zehn Prozent Rendite. Damit bräuchte man dann locker 12 Euro pro Quadratmeter, um die Bank zu befriedigen und damit die Kinder zu Hause nicht hungrig sind. Deswegen stockt es beim Neubau - welcher vernünftige Mensch soll das bezahlen?"
Felsmann sieht allgemein große Probleme in Sachen Lohnentwicklung und Bauvorschriften im Verhältnis zu dem, was der Neu- beziehungsweise Umbau eines Gebäudes kostet. Er fasst zusammen: "Wir arbeiten im Schnitt mit acht Euro und können uns das am Ende nur leisten, weil der Staat das Renovieren von Denkmälern begünstigt. Und wir gehen auch noch das Risiko ein, dass wir eine Wand aufmachen und sie völlig marode ist. Wer uns an der Stelle versucht anzugreifen, der hat einfach keine Ahnung. Am Ende läuft auch auf dem Fliegerhorst die Vermittlung toll und die Menschen sind zufrieden!" Felsmann schlussfolgert: "Preiswerter Wohnraum ist erstrebenswert. Das unterschreibe ich sofort. Aber der fällt eben nicht vom Himmel."
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