Seesen. Seit einem Jahr streiken die Mitarbeiter der Asklepios Kliniken Schildautal für bessere Bezahlung. Ziel sei, so ver.di, ein Tarifvertrag. Am heutigen Dienstag jährte sich der Streik in den Schildautalkliniken zum ersten Mal. Wir veröffentlichen dazu in unkommentierter und ungekürzter Form die Stellungnahmen beider Parteien in der Reihenfolge, in der sie uns erreichten.
ver.di kämpft für Tarifvertrag
"Trotz Corona, trotz Outsourcing, trotz Einschüchterung und Spaltungsversuchen, die Beschäftigten der Schildautalkliniken streiken und erneuern ihre Forderung nach Tarifverhandlungen auf Basis des TVöD.
Um kurz vor 12 versammelten sich am heutigen Dienstag zirka 200 Beschäftigten der Schildautalkliniken entlang der Lautentaler Straße, um sich in einer Menschenkette einzureihen. Sie streiken für die Aufnahme von Tarifverhandlungen auf Basis des branchenüblichen TVöD. Asklepios weigert sich nach wie vor Tarifverhandlungen aufzunehmen.
Nach vier Monaten coronabedingter Streikunterbrechung wird der Arbeitskampf nun fortgesetzt. Es gab Unterstützung für die Streikenden aus der Stadt Seesen und der Region, so nahmen auch Vertreter*innen des Bürgerbündnisses Wir für Seesen und des DGB an der Menschenkette teil.
Betriebsratsvorsitzender und Mitglied der Streikleitung Oliver Kmiec erklärt:
„Die Arbeitsbedingungen und Entlohnung bei uns in den Schildautalkliniken bleiben nach wie vor weit hinter denen anderer Arbeitgeber in der Region zurück.
So können wir aber kein Personal halten oder gewinnen. Asklepios setzt den Ruf unserer Klinik aufs Spiel. Die größte Anerkennung der Geschäftsführung, für die Leistungen der Asklepios-Beschäftigten in der Corona-Krise, wäre an den Verhandlungstisch zu kommen und mit ver.di einen fairen Tarifvertrag für alle Beschäftigten des Hauses zu verhandeln.“
Gesa Hegerhorst, ver.di-Teamdelegierte:
„Wir haben Asklepios heute gezeigt, dass wir an unseren Forderungen festhalten. Wir kämpfen weiter dafür ein Team zu bleiben. Therapeuten, Reha-Klinik und Akut-Haus - wir alle arbeiten eng zusammen und wollen auch einen Tarifvertrag für alle.“
Um den Corona-Schutzvorschriften gerecht zu werden, gab es bei diesem Streik keine Konferenz im Seesener Jacobson-Haus, auch auf einen Demo-Zug verzichteten die Kolleg*innen. Stattdessen gab es eine Menschenkette unter freiem Himmel und unter Einhaltung der Abstandsregeln.
ver.di-Sekretär Patrick von Brandt erklärt:
„Applaus und Anerkennung während der Corona-Krise war schön, ist aber nicht genug. Jetzt müssen Taten den Worten folgen!
Asklepios muss endlich die Verweigerungshaltung aufgeben und sich an den Verhandlungstisch setzen!“
Asklepios findet Streikaufruf unverantwortlich
"Die Asklepios Kliniken Schildautal geben folgende Stellungnahme für die Medien zum heutigen Streiktag ab:
Der heutige zweite Streiktag in diesem Jahr in den Asklepios Kliniken Schildautal in Seesen am Dienstag, den 14. Juli, verlief ebenfalls ruhig.
Die Geschäftsführung geht nach ihren vorliegenden Unterlagen von einer heutigen Streikbeteiligung am Klinikstandort Seesen von insgesamt 105 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus, inklusive Therapeuten, die Dienst gehabt hätten. Zum Vergleich: Insgesamt arbeiten am Klinik-Standort in Seesen rund 1.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Stellungnahme von Sebastian von der Haar, Geschäftsführer der Asklepios Kliniken Schildautal:
- Natürlich haben wir die pflegerische und medizinische Patientenversorgung auch während des Streiks sichergestellt und wir danken allen Kolleginnen und Kollegen sehr, die dabei mitgeholfen haben, für ihren engagierten Einsatz. Wir haben Verständnis für Bürger, die sich in der Sache und mit uns zusammen engagieren, denn auch wir setzen uns genauso für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein.
- Immer wieder behauptet die Gewerkschaft ver.di, uns würde Personal weglaufen – das ist unwahr, die Fakten belegen: Im ersten Halbjahr haben bei uns insgesamt weit mehr neue Mitarbeiter angefangen als wir Austritte hatten. Im Klartext: Wir haben nunmehr seit Anfang des Jahres insgesamt 75 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bei 56 Abgängen (dabei sind auch Mitarbeiter, die in den Ruhestand wechselten). Dieser deutliche Zuwachs an neuen Mitarbeitern ist angesichts des bundesweiten Personalmangels bei Pflegekräften ein gutes Signal.
- Wir sind überrascht, dass ver.di ausgerechnet in der weltweiten Corona-Pandemie jetzt zum Streik aufruft, das ist unverantwortliches Funktionärsgehabe. Durch den Streik wird die Behandlungskapazität eingeschränkt, somit sind die Patienten die Leidtragenden.
- Wir sind in Gesprächen mit dem Betriebsrat, das ist unser Verhandlungspartner, und mit ihm haben wir in der Einigungsstelle in den kommenden Tagen weitere Termine. Zudem bekommen unsere Beschäftigten seit dem 1. Juli insgesamt 3,66 Prozent mehr Geld, auch das ist ein weiteres positives Zeichen. Es hat nichts daran geändert: Wir verhandeln mit dem Betriebsrat, da er als gewählter Interessenvertreter die Mehrheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vertritt, und daher nicht mit ver.di. Das ist übrigens keine „Blockadehaltung“, wie ver.di reißerisch behauptet, sondern unser gutes Recht und im Interesse unserer Mitarbeiter.
- Wir haben bereits im Februar ein umfangreiches und nochmals überarbeitetes Angebot an den Betriebsrat übergeben, allein in meiner Dienstzeit in Seesen war dies die dritte Anpassung und damit ein Schritt des Arbeitgebers auf die Arbeitnehmerseite zu. Bisher hat der Betriebsrat allerdings darauf nicht reagiert, die Punkte im Protokoll der Gespräche nicht abgearbeitet. Hier sitzen wir mit dem Betriebsrat gemeinsam am Tisch in der Einigungsstelle, um einen Kompromiss zu finden. Die Arbeitgeberseite hat nach den Angeboten im November und Februar mit einem ausgearbeiteten Vorschlag für die Vergütung nun nach der letzten Einigungsstelle einen weiteren Teil als Vorschlag eingebracht und hofft nun, dass der Betriebsrat für die Einigungsstelle seine Aufgabe auch erledigt, damit wir in diesem Rahmen an einer Lösung arbeiten.
- Unser gemeinsames Ziel war und ist es immer, Mitarbeitende weiterhin marktgerecht und branchenüblich zu bezahlen, aber unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten und Rahmenbedingungen. Im vergangenen Jahr haben wir unseren Mitarbeitern in der Pflege aus freien Stücken mehr gezahlt, als wir nach der bei uns vereinbarten, geltenden Arbeits- und Sozialordnung verpflichtet gewesen wären.
- Konkrete weitere Beispiele dafür: Außerdem werden examinierte Pflegefachkräfte, die bei uns neu anfangen, gleich zwei Gehaltsstufen höher eingestuft. Pflegekräfte in schwierigen Arbeitsbereichen wie Zentrale Notaufnahme (ZNA), Stroke Unit, Intermediate Care (IMC) und Neurologische Frührehabilitation (NFR) werden ebenfalls höher eingruppiert in Anlehnung an die Bereiche OP, Anästhesie und Intensivstation. Für die Leitungskräfte, auch für die Stellvertretenden in der Pflege wurde die Leitungszulage verdoppelt.
- ver.di lehnt das Modell privater Klinikträger aus ideologischen Gründen schon grundsätzlich ab. Es besteht daher von der Gewerkschaft keinerlei Interesse an einer ehrlichen Partnerschaft, wie die Erfahrungen der vergangenen Jahre gezeigt haben. Asklepios sucht auch deshalb den offenen Dialog mit dem Betriebsrat und nicht mit ver.di."
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