Goslar. Zwischen der von der Stadt Goslar einberufenen Lenkungsgruppe "Entwicklung Kaiserpfalzquartier" und dem Geschichtsverein Goslar e.V. ziehen dunkle Wolken auf. Der Siegerentwurf der Stadtplaner aus Hannover, für den sich die Jury am 7. November entschieden hatte, wird in einem offenen Brief als "Zirkusarena" und als "akademische, nur Eingeweihten zugängliche Esoterik" bezeichnet. Die Stadt Goslar erklärt auf Anfrage von regionalHeute.de, dass man die eingegangene Kritik bei der weiteren Bearbeitung berücksichtigen werde.
Dazu gehöre laut der Stadt Goslar auch eine bessere Verbindung des Domplatzes zum Kulturmarktplatz und dem Hohen Weg.Außerdem bestehe die Anregung, die Domvorhalle als eine Art Eingangsportal begehbar zu machen. Der Aktuelle Plan sieht einen runden Platz vor, auf welchem die Ergebnisse der Georadar-Untersuchungen aus dem Juni dieses Jahres (regionalHeute.de berichtete) mithilfe von Betonumrissen nachgebildet, an die Oberfläche "transloziert" werden sollen. Doch was war der Stein des Anstoßes?
Sieben Institutionen adressierten nach Vorstellung des Entwurfes einen offenen Brief an alle Parteien im Rat der Stadt Goslar. Die Personen und Verbände, darunter die Stadtführergilde, der Behindertenbeauftragte des Landkreises Goslar und der Geschichtsverein Goslar e.V., warenzu Beginn der Planungen eingesetzt worden, um Ziele und Kriterien für den Freiraumwettbewerb zu formulieren.
Lenkungsgruppe fühlt sich nicht ernst genommen
Die Vertreter beklagen, dass die Lenkungsgruppe in einer Sitzung am 12. Juni lediglich "im Schnelldurchlauf" über den Umgang mit den Stellungnahmen informiert wurde. Im offenen Brief heißt es dazu:
"Ein Gedankenaustausch war ebenso wenig möglich wie eine Einsichtnahme in den Ausschreibungstext. Letzteres wird bis heute verweigert, obwohl spätestens nach Abschluss von Wettbewerben die Einsichtnahme in den Ausschreibungstext und in das Protokoll der Jurysitzungen üblich ist. Die Unterzeichner dieses Briefes fühlen sich durch dieses Vorgehen in ihrer Aufgabe als Lenkungsgruppe nicht ernst genommen."
Gestärkt werde dieser Eindruck dadurch, dass der am 27. November vorgestellte Siegerentwurfdes Hannoveraner Büros von Landschaftsarchitekt Christoph Schonhoffelementare Ziele und Kriterien verfehle.Die untergegangene Stiftskirche und die angrenzenden baulichen Anlagen werden laut der Lenkungsgruppe nicht hinreichend visualisiert. Weiter heißt es: "Damit verstößt der Entwurf auch gegen die Formulierung des Auslobungstextes:"
„… Die Umgestaltung sollte mindestens den Grundriss der Stiftskirche und dessen Kreuzgang thematisieren.Gegebenenfalls können die Grundrisse von Thomaskirche, Kuriengebäuden, aber auch von Einfriedungen, Grabanlagen und früheren Wegen ebenfalls thematisiert werden.“
Gedenken durch ein Röntgenbild?
"Statt durch Grabungen Originalteile der ehemaligen Stiftskirche sichtbar werden zu lassen oder den Grundriss der Kirche und des Kreuzganges anschaulich und nachvollziehbar darzustellen, werden Messergebnisse der Georadar-Untersuchungen aus mehreren Metern Tiefe willkürlich an die Erdoberfläche transloziert, an eine Stelle, wo sich eine solche bauliche Struktur nie befunden hat", steht in dem offenen Brief. Weiter heißt es: "Die Lage von Mittelschiff, Seitenschiffen, Vierung und Chor wäre bei Verwirklichung des vorliegenden Entwurfes nur mithilfe von Interpretationen zu erahnen. Statt einer auch für Laien nachvollziehbaren Gestaltung tritt eine akademische, nur Eingeweihten zugängliche Esoterik. Der Entwurf drängt den Vergleich mit einem Verstorbenen auf, an den die Erinnerung durch ein Röntgenbild wachgehalten werden soll."
Die Stadt Goslar verteidigt sich entschieden gegen die Vorwürfe: "Die Aufgabe lautete, den Grundriss und den Kreuzgang zu thematisieren und nicht, ihn vollständig nachzuzeichnen", so Stadpressesprecherin Vanessa Nöhr auf Anfrage von regionalHeute.de. "Umfang und Art dieser Thematisierung hat letztlich zur Entscheidung für den Wettbewerbsbeitrag des Landschaftsarchitekten Christoph Schonhoff geführt. Dieser visualisiert die Grundmauern, die sich tatsächlich noch unter der Erde befinden und mittels Georadarmessung nachgewiesen wurden. Ein Verstoß gegen den Auslobungstext liegt ausdrücklich nicht vor." Auch die Frage der Nachvollziehbarkeit der hervorgehobenen Fundamentreste stelle sich laut Nöhr nicht: "Die Jury hat ausdrücklich den Ansatz gelobt, die konkret erfassten archäologischen Befunde als Basis der Gestaltung heranzuziehen, anstatt den Grundriss nachzuzeichnen. Der Grundriss ist überliefert, die Fundamente tatsächlich wissenschaftlich nachgewiesen."
Entscheidung sollte Diskussionen provozieren
Weitere Kritik formuliert die Lenkungsgruppe an der "willkürlichen Festlegung des Kreisförmigen Sichtfensters", sowie an der geplanten bündigen Verlegung der Betonplatten auf Basis der Georadarmessungen: "Die Platten,welche die Fundamente abbilden sollen, werden aus Augenhöhe nicht zusammenhängend erkannt werden können." Handelt es sich tatsächlich um einen Entwurf, der nur aus der Luft gut aussieht? Auf die Bitte der Lenkungsgruppe, den Dialog zu suchen, reagiert die Stadt Goslar beschwichtigend:"Wie bei allen Interventionen mit künstlerischen Interpretationen ist ein Gedankenaustausch mit der Stadtgesellschaft unerlässlich und auch angestrebt. Analog zum Hochbauwettbewerb ist auch hier eine Bürgerinformationsveranstaltung in Planung, zu der die Stadt Goslar im kommenden Jahr einladen wird. Das Preisgericht war sich bewusst, dass mit seiner Entscheidung Diskussionen provoziert werden. Sie sind aber ausdrücklich gewünscht; Goslar soll nicht zum Freilichtmuseum entwickelt werden." Der vorgelegte Entwurf ist also keinesfalls der Weisheit letzter Schluss.
Erhalt nur im Verborgenen
Die Stadt weist in einer anderen Pressemitteilung darauf hin, dass Ausgrabungen, wie von den Verfassern des offenen Briefes vorgeschlagen, schwierig bis unmöglich wären. Dr. Michael Geschwinde vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege erklärte bei der Präsentation der Georadar-Messergebnisse:„Die Mauern freizulegen würde nicht nur Kosten in Millionenhöhe verursachen, es sei zum Erhalt auch nicht ratsam, so der Fachmann. Bei den Mauern handele es sich nämlich oftmals um nicht vermörtelte Kalksteinmauern in Lehm. Bei einer Freilegung gebe es daher kaum eine Chance, sie sichtbar zu machen und gleichzeitig zu sichern.“ Vanessa Nöhr erklärt abschließend: "Es war der Jury wichtig, mit dieser Arbeit dem Besucher nicht eine feste Interpretation der Historie vorzuzeichnen, an der weiterer Forschungsbedarf besteht. Vielmehr soll die Gestaltung Interesse wecken und den Besucher dazu anregen, sich aktiv mit der Geschichte des Ortes zu befassen."
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