Hahnenklee. Erhitze Gemüter bei den Bürgern, Enttäuschung beim Oberbürgermeister und Erklärungsnot bei Alexander Götz vom Innenministerium. So könnte man die Stimmung während der Bürgerversammlung am Donnerstagabend in Hahnenklee beschreiben. Die wurde kurzfristig einberufen, um über die Erstaufnahmeeinrichtung im Kurort zu sprechen (regionalGoslar.de berichtete).
Während man im übervollen Saal des Kurhauses in Hahnenklee noch auf die Ankunft von Alexander Götz wartete, begrüßte Oberbürgermeister Dr. Oliver Junk die Bürgerschaft. An seiner Seite: Landrat Thomas Brych und Hahnenklees Ortsbürgermeister Heinrich Wilgenbus. Junk machte schon zu Beginn der Veranstaltung deutlich, dass die Stadt Goslar erst am Montag vom Land über die Entscheidung in Kenntnis gesetzt wurde. Er sei, so erklärte der Oberbürgermeister, sogar sehr verärgert über die Entscheidung, die ohne die Absprache mit Stadt und Landkreis getroffen wurde. Das teilte Junk auch noch einmal mit, als Alexander Götz der Versammlung beiwohnte. Bei aller Dramatik und Dringlichkeit, so Junk, hätte es doch möglich sein müssen, die Stadt und den Landkreis vorab zu informieren und einzubinden. Auch wenn es möglicherweise nichts geändert hätte, wäre ein gemeinsames Gespräch angebracht gewesen. Aber diese Chance habe man nicht eingeräumt, klagt Junk. Junk ging sogar so weit, dem Betreiber vorzuwerfen, er habe das große Geschäft gewittert, als er den Vertrag abschloss. Gemeinsam, so Junk, wolle man sich nach alternativen Standorten umschauen. Denn Hahnenklee sei nicht der geeignete Ort für eine Erstaufnahmeeinrichtung. Dazu fehle unter anderem die Infrastruktur.
Standen rede und Antwort: Dr. Oliver Junk, Alexander Götz, Thomas Brych und Heinrich Wilgenbus. Foto: Anke Donner
Genauso sah es auch Hahnenklees Bürgermeister Heinrich Wilgenbus, der ganz klar sagte, dass man die Menschen freundlich aufnehmen werde, die aufgenommen werden müssen. Die Entscheidung des Landes könne er jedoch ebenfalls nicht nachvollziehen. Die seines Erachtens nach, über die Köpfe der Bürger und Kommunen getroffen wurde. "Die Flüchtlinge können nichts dafür. Aber die Entscheidung müssen wir nun mit dem Land besprechen. Unsere Aufgabe ist es nun, eine Alternative zu finden. Aber wir sollten alle versuchen, den Menschen freundlich zu begegnen. Und ich bin mir sicher, dass wir das hier in Hahnenklee auch schaffen", so Wilgenbus.
Landrat bittet um Unterstützung
Landrat Thomas Brych bat während der Versammlung um die Unterstützung der Bürger. Nur gemeinsam könnte man es schaffen, diese "Herkules-Aufgabe" zu bewältigen. Auch Brych betonte, dass die Entscheidung allein das Land getroffen hat. Der Landkreis werde jedoch als Unterstützer fungieren. Zudem versicherte er, dass es sich bei den Menschen, die am Wochenende oder am Montag erwartet werden, nicht um sogenannte "Balkan-Flüchtlinge" handele, sondern um Asylsuchende aus Syrien. Darunter ältere Menschen und Familien mit kleinen Kindern. Brych erklärte die Arbeit des Stabs und die Abläufe nach der Ankunft der Flüchtlinge in Goslar. Er versicherte, dass sich niemand Sorgen um seine Sicherheit machen müsse.
Frust bei den Bürgern
Die Schlange am Mikrofon war lang, als die Diskussionsrunde eröffnet wurde. Und Götz wurde schnell zur Zielscheibe aller Fragen, Bedenken und Einwände. Der Applaus war eher verhalten, als der Mann aus Hannover den Saal betrat. Zwischenrufe wurden laut, als er versuchte, die Flüchtlings-Situation im Land zu erklären. Die war den Bürgern hinlänglich bekannt, wie sie verlauten ließen. Viel mehr wollte man wissen, warum die Entscheidung ausgerechnet auf den 1.100 Seelen-Kurort fiel. "Die Entscheidung ist gefallen, weil die Situation in Friedland nicht mehr haltbar war. Hier ergab sich die nächste Möglichkeit, einen geeigneten Ort zu finden. Die Wahl fiel auf das Hotel, weil die Menschen hier innerhalb kürzester Zeit versorgt werden können", so Götz. Ein anderer Standort hätte in der Kürze der Zeit einen viel längeren Vorlauf benötigt. Man sei aber für jede andere Option offen. Sollten sich andere Möglichkeiten für eine Unterbringung ergeben, würde man auf Landesebene darüber nachdenken. "Jetzt müssen die Menschen erst einmal hier untergebracht werden, weil wir sie nicht auf der Straße lassen können", so Götz, der betonte, dass sich die Situation in Deutschland immer weiter zu spitzen würde und ein schnelles Handeln verlangte. Das Versprechen, dass es sich dabei um eine temporäre Lösung handeln soll, glaubte im Saal jedoch niemand und wurde mit einem bitteren Lachen der Bürger quittiert.
Kippt der Vertrag?
Die Suche nach einer anderen Unterkunft könnte offenbar schneller gehen, als es der Landesregierung lieb wäre. Denn sollten sich die Vorwürfe des Goslarer Anwalts bewahrheiten, könnte die Einrichtung der Flüchtlingsunterkunft im Hahnenkleer Hotel noch gekippt werden. Anwalt Matthias Jochmann, der als Vertreter der Eigentümergemeinschaft und des Hausverwalters des Hotels auftrat, wies Alexander Götz daraufhin, dass der Vertrag zwischen dem Lande und dem Betreiber des Hotels nichtig sein könnte, da er ohne die Einwilligung der Eigentümer geschlossen wurde und der Komplex lediglich als Hotel betrieben werden dürfe (regionalGoslar.de berichtete).
Kein Fremdenhass, aber ...
Fremdenfeindlichkeit wollten sich die Bürger an diesem Abend nicht vorwerfen lassen. Ganz entschieden sprach man sich sogar dagegen aus, bot ausdrücklich Hilfe an und drückte Verständnis aus für die Menschen, die aus ihrer Heimat flüchten müssen. Aber ein Aber gibt es immer - denn verstehen konnten die Hahnenkleer auch am Ende des Abends nicht, warum die Wahl auf ihren Ort fiel. Und der Verdruss war groß, über die Entscheidung, die gefällt wurde, ohne sich mit Ortsräten, Stadt und Landkreis zu besprechen. "Das ist doch keine Demokratie, das ist eine Diktatur", ließ ein Bürger in Richtung Götz verlauten und erntete damit lauten Beifall von seinen Mitbürgern. Und unbefriedigend waren in den Augen der Bürgerschaft auch die Antworten des Vertreters des Innenministeriums, Alexander Götz. Der zwar Verständnis für den Unmut versicherte, aber damit nicht wirklich schlichten konnte.
Auch die Angst vor Überfremdung, fremdenfeindlichen Übergriffen, dem Unbekannten und um die eigene Sicherheit sitzt tief. Hier konnten zumindest Thomas Brych und Goslars Polizeichefin Petra Krischker versichern, dass man vorbereitet sei und alles tun werde, um für Sicherheit zu sorgen. Dazu habe man einen Wachdienst engagiert. Auch die Polizei werde verstärkt Streife fahren und vor Ort sein. Hier sagte Brych aber auch ganz deutlich, dass es nicht nur allein um die Sicherheit der Bürger Hahnenklees ginge, sondern auch um den Schutz der 300 Flüchtlinge. Und dass das vielleicht notwendig sein wird, zeigten einige Personen, die sich mit einem Transparent vor dem Kurhaus versammelt hatten, auf dem stand: "Unsere Heimat, unser Recht. Gegen die Siedlungspolitik der Bundesregierung. Wir sind das Volk" stand.
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