Goslar. Am heutigen Mittwochabend fand es also statt: das letzte große Duell im Streit um den Kinderärztlichen Bereitschaftsdienst im Landkreis Goslar. Vom Radio veranstaltet trafen im Rahmen der Gesundheitskonferenz Befürworter und Gegner der neuen Regelung aufeinander und diskutierten zusammen mit betroffenen Bürgern über den kommenden Wechsel.
In den vergangenen Monaten hatte es bereits immer wieder zu Streit geführt und viele besorgte Eltern auf den Plan gerufen, dass die Kinderärztliche Vereinigung Braunschweig ihr Vorhaben, den Bereitschaftsdienst (auch Notdienst) neu zu strukturieren, zum Jahreswechsel umsetzen möchte.
Familien leben seither in der Angst, ab 1. Januar 2018 nicht mehr ausreichend versorgt zu werden. So sieht die Umstrukturierung vor, dass zukünftig der Bereitschaftsdienst der Kinderärzte an eine Kinderklinik geknüpft sei. In der Region befinden sich entsprechende Einrichtungen in Wolfsburg, Braunschweig und Salzgitter - ein Weg, den die Betroffenen für zu weit erachten. Ein Weg, der eher dazu führen würde, dass man den allgemeinen Rettungsnotdienst rufen würde.
Podiumsdiskussion
Thomas Brych hatte sich als Landrat bereits seit Jahren gegen eine quasi "Abschaffung" des Bereitschaftsdienstes stark gemacht. Am heutigen Abend wurde er begleitet durch die Vertreterin einer Elterninitiative. Zusammen standen sie dem Vorsitzenden der KassenärztlichenVereinigung Braunschweig (KV)Dr. Thorsten Kleinschmidt und dem in Bad Harzburg ansässigen Kinderarzt Dr. Carsten Queißer gegenüber. Vor den Augen von rund 80 Anwesenden Besuchern (zumeist Eltern mit ihren Kindern) besprachen sie das Für und Wider der neuen Regelung.
Während die Ärzteseite eher zu schlichten versuchte, machten die Gegner der Umstrukturierung ihrem Ärger deutlich Luft. Letztlich beteuerte die KV, dass sie sich auch nur an gesetzliche Vorgaben halten müsse, weiterhin müsse man das Thema aus einer größeren Perspektive sehen. In in den nächsten Jahren würden rund 25 Prozent der Ärzte vor Ort in den Ruhestand gehen, es gebe schon jetzt konkreten Mangel an entsprechenden Fachärzten. Man müsse versuchen die ländliche Region attraktiver zu gestalten. Dies gelänge allerdings nicht, wenn die Ärzte zusätzlich zu ihrem straffen Patientenschlüssel noch etliche Bereitschaftsdienste übernehmen müssten.
Dies führe die ländlichen Ärzte zum Teil bis an die Belastungsgrenze. So kam es auch, dass Dr. Queißer, ursprünglich Gegner der Umstrukturierung, sich mittlerweile für die neue Regelung einsetzt. Weiterhin gabdieser zu bedenken, dass sich 90 Prozent der Fälle als Bagatellen erwiesen - klar würden auf der anderen Seite auch noch die Fälle stehen, bei denen wirklich ernsthafte Erkrankungen vorlägen, dennoch sei es wert dies im Blick zu behalten.
Schlechterstellung der Gesundheitsversorgung
Schon in seiner Begrüßung machte Landrat Thomas Brych vor den Tagungsteilnehmern deutlich, dass die Pläne als eine klare Schlechterstellung in der Gesundheitsversorgung zu werten sind.
Unter anderem sagte der Chef der Goslarer Kreisverwaltung, dass die von der KV auf Grundlage der Bedarfsplanung ins Feld geführte 110-prozentige kinderärztliche Versorgung nicht mit der Lebenswirklichkeit der Menschen im Landkreis übereinstimme: „Die Berechnungen der KV mögen zwar rein statistisch gesehen korrekt sein, doch steht diesen Zahlen die subjektive Wahrnehmung der Patientinnen und Patienten gegenüber. Immer wieder sind Klagen dahingehend zu hören, dass es für viele Eltern immer schwieriger wird, Termine bei Kinderärzten zu bekommen.“ Dieser Umstand sei zwar in keinem Fall den praktizierenden Kinder- und Jugendmedizinern im Landkreis anzulasten, die einen hervorragenden Job machten, aber diese Wahrnehmung mache schon deutlich, dass es offenbar Lücken in der praktischen Versorgung gäbe.
Ein wenig provokant bezog sich Kleinschmidt am Ende auch auf die Bevölkerungsprognosen des Landkreises - durch den zunehmenden demografischen Wandel würde sich das Problem durch sinkende Geburtenraten zukünftig eher von selbst auswachsen.
Viele besorgte Familien nahmen an der Diskussion teil. Foto:
Kinderklinik in Goslar
Brych positionierte sich ganz klar für die Bürger im Landkreis, als potentiellen Ansatz sah er die Möglichkeit in Goslar eine eigene Kinderklinik zu etablieren. Damit würde man allen Anforderungen an einen Bereitschaftsdienst vor Ort gerecht werden. Da sich der Landkreis zurzeit eh in Gesprächen mit den Asklepios Harzkliniken befindet, einThema, welches für Brych bereits auf der Tagesordnung steht.
Doch wie geht es weiter?
Am morgigen Donnerstag möchte die KV die neue Nummer der Bereitschafts-Hotline testen und am Abend der Öffentlichkeit bekannt machen - ab dem 1. Januar werden sich Eltern also vorerst mit dem neuen zentralisierten Kinderärztlichen Bereitschaftsdienst zufriedengeben müssen.
Begleitet wurde die Podiumsdiskussion im Vorfeld von einer kleinen Demonstration. Vor dem Veranstaltungsort Hotel „Der Achtermann“ hatten sich einige Eltern zusammengefunden, um für den Erhalt der noch bis zum Ende dieses Jahres gängigen Praxis zu protestieren.
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