Seesen. Das älteste, noch erhaltene Gebäude der Stadt, der St.-Vitus-Turm, zeigt sich in neuem Gewand – die Stadtverwaltung hat die Fassade des Gemäuers aus dem 13. Jahrhundert saniert. In Anbetracht des hohen Alters keine leichte Aufgabe, wie Mario Dörr aus der Hochbauabteilung der Stadt in einer Pressemitteilung berichtet.
„Das Gebäude steht natürlich unter Denkmalschutz. Vor diesem Hintergrund mussten wir zunächst einen Gutachter beauftragen, um die genaue Beschaffenheit der Wand zu ermitteln.“ Nach dem Gutachten stand fest: Bei dem Putzmörtel handele es sich um historischen Kalkputz, dem unter anderem Holzkohlereste und Holzsplitter beigefügt wurden. Auch Haare wären dem Mittelalter-Bau als Bewehrung im Mörtel beigemischt worden. Aus diesem Grund habe der beauftragte Maler Kontakt zu einer Firma aus Südbayern beauftragt, die sich auf die Restaurierung solcher Gebäude spezialisiert hat. Insgesamt habe die Sanierung der Fassade rund 29.000 Euro gekostet.
Blitzeinschlag im 18. Jahrhundert
Der Viti-Turm, wie er von den Seesenern heute genannt wird, sei der Kirchturm der ehemaligen St.-Vitus-Kirche gewesen, der damaligen Hauptkirche der Sehusastadt. Während des 30-jährigen Krieges sei die Kirche im Jahr 1626 nach einem Angriff der kaiserlichen Truppen ausgebrannt und wurde 1657 wiederhergestellt. Bis zum Jahr 1702 sei sie die einzige Kirche gewesen, in der die Gemeindegottesdienste abgehalten wurden – in diesem Jahr sei die St.-Andreas-Kirche fertiggestellt worden: Lichtdurchflutet, prächtig und ganz nach dem damaligen Geschmack der Menschen in der Barockzeit, wie es in dem Buch „1.000 Jahre Seesen“ heißt. Neben dem prunkvollen Neubau, in dem die Herzöge bei einem Besuch der Stadt häufig verweilten, seien Gottesdienste auch noch in der dunklen mittelalterlichen Vituskirche abgehalten worden – vier Seesenern sei dies im Jahr 1725 zum Verhängnis geworden: Am zweiten Pfingsttag im Mai habe während eines Gottesdienstes der Blitz in den Kirchturm mit seinen zwei hölzernen und mit Schiefer gedeckten Spitzen eingeschlagen. Aus dem Kirchenbuch gehe hervor, dass vier Besucher bei dem Unglück starben. Der Blitzeinschlag sei derart stark gewesen, dass die Mauer geborsten war – die Seesener hätten den Einsturz des Turmes und der Kirche befürchtet, der Herzog habe nach knapp 50 weiteren Jahren die Schließung der Kirche für Gottesdienste angeordnet.
Der Kirchturm mit seinen zwei Spitzen sei schließlich abgetragen worden und habe seine heutige Form erhalten. Seitdem sei kein einziger Gottesdienst mehr in der St.-Vitus-Kirche abgehalten worden. In den Jahren 1807 bis 1819 sei das Kirchenschiff laut dem Buch „Kunstdenkmälerinventare Niedersachsens“ für militärische Zwecke genutzt worden, bevor es im Jahr 1826 schließlich gänzlich abgebrochen wurde. Den frei gewordenen Platz hätten die Seesener für ein weiteres Schulgebäude (die Otto-Kirchhof-Schule) genutzt, da die damalige Schule („Alte Schreibschule“ gegenüber dem Viti-Turm) von 1670 zu wenig Platz bot. Im Jahr 1977 sei auch dieser Anbau abgerissen worden – Bestand habe dagegen der Viti-Turm.
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