Von Goslar um die ganze Welt - Ältestes Funkrelais Norddeutschlands feiert Jubiläum

Das "Steinberg-Relais" auf dem gleichnamigen Berg in Goslar war das erste Amateurfunkrelais in Norddeutschland und ist wahrscheinlich das drittälteste Europas - nach den Anlagen auf der Zugspitze und in Nürnberg.

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Über den Dächern von Goslar: Markus Ritter, Klaus Helmbrecht und Ulf Rauchfuß an dem Ort, wo in Goslar Amateurfunkgeschichte geschrieben wurde. Im Hintergrund (rechts) der Mast der Telekom und (links) der umgebaute Hochspannungsmast der Amateurfunker.
Über den Dächern von Goslar: Markus Ritter, Klaus Helmbrecht und Ulf Rauchfuß an dem Ort, wo in Goslar Amateurfunkgeschichte geschrieben wurde. Im Hintergrund (rechts) der Mast der Telekom und (links) der umgebaute Hochspannungsmast der Amateurfunker. | Foto: Marvin König

Goslar. In Goslar wurde Funkgeschichte geschrieben und noch lange vor dem Fall des Eisernen Vorhangs mit der ganzen Welt kommuniziert. Das Zeugnis dieser Entwicklung ist einer der beiden weithin sichtbaren Funkmasten auf dem Steinberg. Dort steht seit 1970 das Steinberg-Relais, das am morgigen Samstag sein 50-jähriges Jubiläum feiert. Angefangen hat das Amateurfunk-Abenteuer jedoch mit einer kleinen Antenne auf dem Aussichtsturm nebenan. Drei Goslarer Amateurfunker nahmen regionalHeute.de mit auf eine Reise durch die Geschichte des drittältesten Funkamateur-Relais in Deutschland, und wahrscheinlich auch in ganz Europa.


Der 80-jährige Klaus Helmbrecht ist Zeitzeuge. Er war dabei als die Funkamateure am 10. Oktober 1970 das erste Mal vom Steinberg aus eine Verbindung herstellten und war sogar maßgeblich für diesen Erfolg verantwortlich: Helmbrecht war 49 Jahre lang Relaisverantwortlicher und gab seinen Posten erst kürzlich an den 50-jährigen Ulf Rauchfuß ab. Erster Vorsitzender des Relais-Interessengemeinschaft-Goslar e.V. ist der ebenfalls 50-jährige Markus Ritter, der vielen Goslarern als Drohnenpilot ein Begriff sein dürfte. Die beiden 50-Jährigen bezeichnen sich selbst scherzhaft als "Jugendgruppe" der RIG, denn wie alle Vereine kämpft man auch hier mit Nachwuchsproblemen. "Wir sind in den letzten Jahrzehnten von 70 auf knapp 40 Mitglieder 'zusammengestorben'", kommentiert Rauchfuß die Entwicklung. Das Internet und seine Kommunikationsmöglichkeiten sehe man nur hintergründig als Ursache: "Nichts was diese modernen Medien zu bieten haben, hat was mit dem Amateurfunk zu tun. Hier kann man noch basteln und kreativ werden!", wirbt Rauchfuß für sein Hobby.

Der Amateurfunk erobert Deutschland


Ende der 60er Jahre begann mit einem Erlass des Bundespostministeriums die große Zeit der Funkamateure. "Über 100.000 Geräte aus der Funkgruppe der Taxen, Polizei- und Feuerwehrfahrzeuge und auch im Betriebsfunk waren auf einen Schlag schrottreif", berichtet Helmbrecht. "Findige Funkamateure haben dann herausgefunden, dass diese Geräte bei 150 Megahertz (MHz) liegen und der Amateurfunk zwischen 144 und 146 Mhz operiert. Man konnte die ganz einfach umbauen. Und wir haben auch zugegriffen - so entstand im UKW-Bereich explosionsartig reger Betrieb."

Was macht überhaupt das "Steinberg-Relais"?


Helmbrecht erklärt, dass das Problem bei UKW vor allem sei, dass die Reichweite begrenzt ist: "Deswegen stehen Rundfunkempfänger hoch auf einem Berg, dann reicht das auch normalerweise bis zum Horizont. Aber in der Innenstadt sind es vielleicht gerade mal zehn Kilometer." Deswegen gibt es das sogenannte "Umsetzerprinzip": Ein Funker sendet ein Signal auf einer bestimmten Frequenz, das "Relais" empfängt dieses Signal, verstärkt es und gibt es auf einer anderen Frequenz weiter. So können sehr große Distanzen überwunden werden - nur der Horizont ist die Grenze. Es sei denn, ein weiteres Relais schickt das Signal weiter.

Der Steinberg funkt zum ersten Mal


Die Technik steckte Anfang der 70er Jahre noch in den Kinderschuhen. "Auf dem Moritzberg in Nürnberg haben kluge Funkamateure dann das Funkgerät KFT-160 von Bosch umgebaut, das in Deutschland wohl verbreitetste Taxenfunkgerät", so Helmbrecht. Der heute 80-Jährige hatte zufällig im Juni 1970 im Altmühltal südlich von Nürnberg Urlaub gemacht und ließ sich von einem Funkamateur, den er dort kennenlernte, den "Nürnberger Umsetzer" zeigen. Begeistert von der Idee wollte Helmbrecht sowas in Goslar auch machen, um mit Amateurfunk aus dem Harz auch den Ostblock zu erreichen. "Ich habe dann zurück in Goslar den Struppi und den Manfred aus Braunschweig informiert, die konnte ich dafür begeistern und dann fing Manfred an, so ein Gerät umzubauen." Nach zwei Monaten war es so weit - jetzt fehlte nur noch der richtige Berg. Helmbrecht: "Wir wollten auf den Bocksberg hoch, da saßen aber die Amerikaner." Auch andere Möglichkeiten schieden aus verschiedenen Gründen aus. Dann fiel ihm der Kiosk des ehemaligen Steinberghotels auf: "Der Wirt von dem Hotel hat dann gesagt, wir können den haben. Der war etwas zugerümpelt und wir sagten gut, ein Tisch rein, Strom über ein langes Kabel und am 10. Oktober 1970 hatten wir dann die erste Verbindung." Zugspitze, Nürnberg, Steinberg. Das erste Amateurfunk-Relais Norddeutschlands und das drittälteste in Deutschland und Europa.

Da kommt nichts weg - Klaus Helmbrecht und Markus Ritter halten das älteste Amateurfunkrelais Norddeutschlands in den Händen.
Da kommt nichts weg - Klaus Helmbrecht und Markus Ritter halten das älteste Amateurfunkrelais Norddeutschlands in den Händen. Foto: Marvin König



Kleinkrieg unter Funkamateuren


Schnell wurde es voll im UKW-Funkkanal - Der von Helmbrecht genannte "Manfred" war der technische Vater des Steinberg-Relais, verstarb aber schon vor vielen Jahren. "Manfred arbeitete damals bei den Jungs mit den großen Ohren in Schöningen. Dadurch hatten wir auch tolle Möglichkeiten. Leute aus ganz Deutschland kamen, und so gab es im April 1971 das erste Steinbergtreffen." Anfragen aus ganz Deutschland gingen ein, und nicht allen gefiel die plötzliche Betriebsamkeit im Äther. "Die UKW-Funkamateure waren eine Sorte Mäuse für sich. Mit einem Mal kamen zigtausende Funkamateure, und diese typischen UKW-Leute waren dann stinkig, weil plötzlich die Ruhe raus war." Das Relais hat gestört. Und was tut man? Man stört das Relais. "Manche bauten dann Störsender, das ist sehr oft passiert. Einen haben die direkt unter unserer Antenne vergraben!", schildert Helmbrecht und erinnert sich: "Eine fiese Geschichte war der Störsender bei Wennerode. Den haben die auf die Eingangsfrequenz von unserem Steinberg-Relais eingestellt und über den Zaun auf das DDR-Gelände geschmissen." Da der Störsender mit Batterie lief, war der Spuk immerhin nach ein paar Tagen vorbei. "Das war 'ne Sauerei!", kommentiert Helmbrecht.

Markus Ritter zeigt einen gefundenen Störsender.
Markus Ritter zeigt einen gefundenen Störsender. Foto: Marvin König



Das Steinberghotel brennt ab - Der Kiosk soll weg


1974 brannte das Hotel am Steinberg ab. "Wir hatten zwar noch das Relais, aber der Kiosk sollte auch abgerissen werden", erinnert sich Helmbrecht weiter. Tatsächlich baute die Post jedoch gerade eine Funkanlage in unmittelbarer Nähe. Der Stadtforst hatte der Post damals jedoch zwei Garagen zur Verfügung gestellt, mit der Auflage, diese nach Bauende abzureißen. Der Forstmeister - Ein Freund von Helmbrecht - brachte die Relaisstation in dieser Garage unter. Mit Vorteilen für die Post, die sich dann schließlich nicht mehr um den Abriss kümmern musste. In dieser "Garage" sitzen die Funkamateure heute noch. Doch was noch fehlte, war ein richtiger Mast.

Ein Alter Strommast, der heute noch steht


Die Sache mit dem neuen Mast nahm in den Folgejahren Gestalt an. "Wir Amateurfunker sind gut organisiert", grinst Helmbrecht. Ein Bekannter arbeitete bei einem Energieversorger und schaffte es tatsächlich, für das Steinberg-Relais einen ausrangierten Hochspannungsmast zu organisieren. Doch das Bauamt stellte Bedingungen - ein Loch mit drei Metern Breite und drei Metern Tiefe. "Und das war gar nicht so einfach. Schließlich heißt das hier nicht umsonst Steinberg", unterstreicht Helmbrecht. Doch man war kreativ: Rund 50 Freiwillige ackerten mit Presslufthämmern und Schaufeln drei Wochenenden durchgehend. "Nur um hinterher bei der Abnahme vom Bauamt gesagt zu bekommen: 'So tief hättet ihr das gar nicht machen müssen'", lacht Helmbrecht: "Also hier stand einer, der wollte ihn wirklich in das Loch schubsen!" Mit vereinten Kräften gelang der Aufbau. Der Mast besteht bis heute und wird noch immer von ehrenamtlichen Kräften betrieben und instand gehalten - mit einer Ausnahme: Mitte der 80er Jahre mietete sich Vodafone - damals noch D2 - mit ein, da, wie Helmbrecht berichtet, alle anderen Berge schon von der Telekom besetzt gewesen seien. Mit Vodafone entstand über die Jahre eine lohnenswerte Partnerschaft im Betrieb der elektrischen Anlagen.

Muskelkraft und Teamgeist schafften diesen alten Hochspannungsmast auf den Steinberg, der von vielen Stellen in Goslar zu sehen ist. Seit den 80er Jahren nutzt Vodafone (damals noch D2) den Mast erbenfalls.
Muskelkraft und Teamgeist schafften diesen alten Hochspannungsmast auf den Steinberg, der von vielen Stellen in Goslar zu sehen ist. Seit den 80er Jahren nutzt Vodafone (damals noch D2) den Mast erbenfalls. Foto: Marvin König



Ein Blick in die Zukunft


In 50 Jahren ist viel passiert. Leben wurden gerettet, die Internationale Raumstation wird belauscht, und all das mithilfe begeisterter Funkamateure. Eine Feier werde es coronabedingt nicht geben. Doch für die Zukunft rüste man bereits auf: Das Steinberg-Relais wird an HAMNET (Highspeed Amateurradio Multimedia Network) angeschlossen - eine Art autarkes Internet, das selbst bei großflächigen Ausfällen des normalen Internets noch Telefonate, E-Mails und sogar Webseiten ermöglichen soll. Der Amateurfunk ist nicht tot - er entwickelt sich stetig weiter. Und wenn alle Kommunikationswege ausfallen sollten - wie 2016 in Berlin - wird die große Stunde der Funkamateure wieder schlagen.

Ulf Rauchfuß am aktuellen Herzen des Steinberg-Relais. Auch wenn es modern anmutet, steckt in manchen Bauteilen noch Technik der 80er Jahre.
Ulf Rauchfuß am aktuellen Herzen des Steinberg-Relais. Auch wenn es modern anmutet, steckt in manchen Bauteilen noch Technik der 80er Jahre. Foto: Marvin König


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