Berlin. Handelsexperten sehen den Biofachhandel in Deutschland in einem existentiellen Umbruch. Fachgeschäfte wie Biosupermärkte und Naturkostläden liefen Gefahr, in der Belanglosigkeit zu versinken, sagte Handelsexperte Stephan Rüschen dem "Spiegel".
Der Professor ist Autor einer Studie der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Heilbronn, die eine "Zeitenwende" im Biofachhandel konstatiert. Den Schätzungen in der Studie zufolge erreichten die klassischen Supermärkte, Discounter und Drogeriemarktketten 2023 bereits 70 Prozent Marktanteil am gesamten Bioumsatz in Deutschland. Der Biofachhandel dagegen verliere signifikante Marktanteile.
Rüschen warnt, die kleineren Bioeinzelhändler seien gegen die Konkurrenz von Supermärkten und Discountern bislang viel zu schwach. "Es braucht eine Professionalisierung in diesem Bereich", sagte Rüschen. Zudem müssten sich die Händler mehr an der Lebenswirklichkeit junger Kunden orientieren. Für diese sei Nachhaltigkeit nicht gleich Bio. Ihnen gehe es eher um Tierwohl, vegane Ernährung oder gesunde Lebensmittel. Das müsse der Biofachhandel in den Vordergrund stellen. "Wenn sie stur auf Bio setzen, wird der Pioniergeist zum Problem", sagte Rüschen mit Blick auf Biohändler der ersten Stunde.
Handelsexperte Robert Kecskes von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) rät, Biohändler bräuchten "eine neue Story, um sich von der starken Konkurrenz abzuheben". Über den Preis könne sich der Biohandel nicht von Supermärkten und Discountern abgrenzen. "Biohändler sind im Schnitt teurer, der Durchschnittsbon beim Einkauf dort ist höher", so Kecskes. Biofachgeschäfte dürften sich auch nicht nur auf die Loyalität ihrer Stammkunden verlassen. "Wer das tut, ist morgen als Firma tot", sagte Kecskes dem "Spiegel". Manche der bisherigen Kunden von Bioläden lernten derzeit, dass die Supermärkte und sogar Discounter ihnen ebenfalls gute Bioprodukte anbieten - zu günstigen Preisen.
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