"Über den Zaun" - Eisenbahntheater kommt nach Helmstedt

Das Theater zeigt die Geschichte der DDR-Bürger 1989 in der Prager Botschaft. Die Aufführungen finden am Güterbahnhof statt.

Vladimir Makarov ist einer der Schauspieler. Es wurde am Originalschauplatz geprobt.
Vladimir Makarov ist einer der Schauspieler. Es wurde am Originalschauplatz geprobt. | Foto: Jens-Erwin Siemssen / Das Letzte Kleinod

Helmstedt. Das Eisenbahntheater "Das Letzte Kleinod" widmet sich in diesem Sommer einem besonderen Kapitel der deutsch-deutschen Geschichte: Im September 1989 kletterten Tausende von DDR-Bürgern über den Zaun der Prager Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, um damit ihre Ausreise in den Westen durchzusetzen. Das Letzte Kleinod erzählt diese Geschichte in einer reisenden Aufführung an zehn Bahnhöfen in Ost und West. Einer davon ist in Helmstedt, wie das Theater in einer Pressemeldung berichtet.



Im April 2023 probte das Theater am originalen Schauplatz im Garten der Botschaft. Im Stück wirken drei junge Schauspieler aus Russland mit, die kürzlich vor der Mobilisierung nach Deutschland geflüchtet sind. Für das Stück berichteten Zeitzeugen über ihre Erlebnisse, die in und um einem Reisezugwagen in Szene gesetzt werden.

Drei Vorstellungen Ende Mai


Die Vorstellungen in Helmstedt werden von Samstag, 27. Mai bis Montag, 29. Mai 2023, jeweils um 20 Uhr am Güterbahnhof Helmstedt (Zugang Harbker Weg/Büddenstedter Weg, Bushaltestelle Roßstraße) gespielt. Am 29. Mai findet vor der Vorstellung um 19 Uhr eine Gesprächsrunde mit Zeitzeugen und Information über die Recherche statt. Das Letzte Kleinod war bereits im Jahre 2021 mit der Vorstellung "Kohlezug" und dem Ozeanblauen Zug zu Gast in der Nähe von Helmstedt.

Zum Inhalt:


Zuerst waren es nur ein paar Dutzend DDR-Bürger, die ihre Ausreise in die Bundesrepublik erzwingen wollten. Nach und nach kletterten immer mehr über den Zaun der Deutschen Botschaft in Prag. Die Botschaft verwandelte sich innerhalb weniger Tage in ein Flüchtlingslager. Frauen und Kinder wurden in den Räumen der Botschaft untergebracht, für die Männer stellte das Rote Kreuz Klappbetten unter freiem Himmel auf. Aus der Nachbarschaft wurden Lebensmittel durch den Zaun gereicht. Die Lage spitzte sich zu, am Ende kampierten 4.000 Personen auf dem Anwesen der Botschaft.

Das Ensemble in Prag.
Das Ensemble in Prag. Foto: Jens-Erwin Siemssen / Das Letzte Kleinod


Schließlich gab die DDR-Regierung nach und gestattete die Ausreise nach Westen. Am Bahnhof Prag-Liben stellte die Deutsche Reichsbahn mehrere Reisezüge bereit. Die Strecke wurde durch Polizeieinheiten streng abgeschirmt. Noch im Zug wurden den Geflüchteten die Pässe abgenommen und die Ausbürgerung vollzogen. Zahlreiche Menschen säumten die Gleise. Immer wieder wurde der Zug an Bahnhöfen und Übergängen gestoppt, Einzelnen gelang es sogar, in den Zug zu steigen. Unter Tränen und Jubel fuhren die Züge schließlich im Bahnhof der damaligen Grenzstadt Hof ein.

Die DDR-Regierung stellte für die Genehmigung der Ausreise eine Bedingung: Die Übersiedlung sollte mit Reisezügen durch das Staatsgebiet der DDR erfolgen, um die souveräne Entscheidung der Regierung zu unterstreichen. Das Theaterprojekt setzt sich mit einer Geschichte auseinander, welche maßgeblich zur Öffnung der Grenzen und zum Fall der Mauer beigetragen hat. Die Ereignisse von 1989 haben viele Lebensbahnen in ganz unterschiedliche Richtungen gelenkt.

Das erwartet die Zuschauer


Die dokumentarische Theatervorstellung wird nach den Erzählungen von Zeitzeugen entwickelt. Geflüchtete, Botschaftsangehörige, Rote-Kreuz-Helferinnen, Nachbarn des Botschaftsviertels und Eisenbahner erinnern sich an die Geschehnisse dieses Spätsommers. Das Stück „Über den Zaun“ wird in fünf Bildern inszeniert. Die ersten vier Bilder werden simultan für jeweils 30 Besuchende gespielt, die Zuschauenden werden von Spielort zu Spielort geführt. Im letzten Bild kommen alle Akteure und Besuchende vor dem Ozeanblauen Zug zusammen. Die Bühnenbilder auf und an den Waggons werden mit authentischen Objekten gestaltet, die unmittelbar mit den Berichten der Zeitzeugen zusammenhängen. So werden auf ungewöhnliche Weise unter anderem ein Zelt, ein Zaun und ein Trabi in die Inszenierung mit einbezogen.

Tickets gibt es unter www.das-letzte-kleinod.de. Das Theater sucht noch Mitwirkende, die kurzfristig nach Proben vor Ort in den Vorstellungen mitspielen können – hierfür bitte Kontakt über: Juliane Lenssen, mobil: +49 175 5100681 oder info@das-letzte-kleinod.de.