Region. Zum Start des neuen Ausbildungsjahres und kurz vor dem Wintersemester warnt die IG Metall Niedersachsen und Sachsen-Anhalt eindringlich vor einer sich verschärfenden Wohnkrise für junge Menschen. Auszubildende und Studierende würden zunehmend vor existenziellen Hürden stehen– lange bevor der erste Arbeitstag oder Vorlesungsbeginn überhaupt startet. Der Grund: Bezahlbarer Wohnraum ist vielerorts Mangelware.
„Was früher ein Aufbruch ins Erwachsenenleben war, wird heute für viele zum sozialen Stresstest“, sagt IG Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger. Immer mehr junge Menschen berichten von belastenden Lebenssituationen – überfüllte WGs, teure Einzelzimmer oder tägliche Pendelzeiten von mehreren Stunden sind längst keine Ausnahme mehr.
Wohnungsmarkt überhitzt – auch in Mittelstädten
Nicht nur in Metropolen wie Hannover wird Wohnraum knapp. Auch Städte wie Braunschweig, die lange als vergleichsweise bezahlbar galten, verzeichnen mittlerweile deutlich steigende Mieten – oft schneller, als die Ausbildungsvergütungen angepasst werden. Ein WG-Zimmer in Göttingen kostete 2024 im Schnitt rund 400 Euro, in Hannover schnell über 500 Euro. In Braunschweig liegt die Spanne laut IG Metall oft ähnlich hoch – bei einem Nettoverdienst unter 900 Euro bleibt jungen Menschen kaum finanzieller Spielraum.
„Wer heute eine Ausbildung oder ein Studium beginnt, braucht nicht nur Motivation und einen klugen Kopf, sondern auch eine bezahlbare Bleibe. Genau daran scheitert es immer öfter“, erklärt Gröger. Besonders in Berufen mit niedrigerem Einstiegslohn und ohne Tarifbindung würden junge Menschen massiv unter Druck geraten. Für viele wird Ausbildung zur sozialen Frage.
Auswirkungen auf Fachkräftemangel und Wirtschaft
Die IG Metall schlägt Alarm. Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt – nicht weil das Interesse fehlt, sondern weil Wohnkosten den Wechsel in eine andere Stadt verhindern. Betriebe, insbesondere im Handwerk sowie in der Metall- und Elektroindustrie, spüren die Folgen bereits.
„Wir reden überall vom Fachkräftemangel – aber wir übersehen, dass viele junge Menschen gar nicht dort anfangen können, wo sie gebraucht werden, weil sie sich die Miete nicht leisten können. Nicht der Lernstoff ist das Problem, sondern der Mietvertrag“, so Gröger.
Forderung nach politischem Umdenken
Die Gewerkschaft fordert daher konkrete Maßnahmen von Landes- und Kommunalpolitik. Dazu gehören Mietobergrenzen für öffentlich geförderten Wohnraum, Investitionen in Azubi- und Studierendenwohnheime, einkommensabhängige Unterstützung für junge Menschen und Priorisierung von gemeinwohlorientiertem Wohnungsbau. Fördermittel müssten an soziale Kriterien gebunden sein, damit Wohnraum dort entstehe, wo er am dringendsten gebraucht wird. Nur so könne Ausbildung für alle zugänglich bleiben – unabhängig vom Geldbeutel der Eltern.
Gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Was auf den ersten Blick wie ein „Problem der Jugend“ erscheint, betrifft in Wahrheit die gesamte Gesellschaft, so die IG Metall. Auch Beschäftigte in systemrelevanten Berufen leiden unter Wohnraummangel – und mit ihnen die Funktionsfähigkeit ganzer Regionen.
„Mobilität darf kein Privileg sein“, mahnt Gröger abschließend. „Wenn Pendeln, Umziehen oder Wohnen zum Ausschlusskriterium wird, verlieren wir nicht nur Fachkräfte – wir verspielen Chancen, Entwicklung und Gerechtigkeit. Das kann sich niemand leisten – weder Wirtschaft noch Politik.“