Berlin. In Deutschland zeichnet sich eine Negativ-Trendwende bei den Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte ab. In den ersten drei Quartalen dieses Jahres gab es mit 65 Anschlägen auf solche Unterkünfte erstmals wieder mehr solcher Straftaten als im Vorjahreszeitraum.
Damit wurde fast schon die Zahl des Gesamtjahres 2021 erreicht, als die Behörden 70 solcher überwiegend rechtsmotivierten Anschläge und Sachbeschädigungen auf Unterkünfte zählten. Das geht aus vorläufigen Zahlen des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor, über die "Neue Osnabrücker Zeitung" (NOZ) berichtet. In den kommenden Monaten könnten die Zahlen noch deutlich nach oben gehen. Denn zuletzt mehrten sich Berichte über Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte.
Als Grund gelten die stark steigenden Zahlen von ukrainischen Kriegsflüchtlingen und Asylbewerbern aus anderen Ländern. Ende Oktober hatte insbesondere ein Brand in einer Unterkunft für ukrainische Geflüchtete bei Wismar in Mecklenburg-Vorpommern für Entsetzen gesorgt. Das Haus brannte völlig aus, verletzt wurde dabei niemand. Die Polizei vermutet einen politischen Hintergrund.
Trotz der Trendwende bleibt das Niveau vergleichsweise niedrig. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 wurden 1047 Übergriffe gegen Flüchtlingsunterkünfte verzeichnet. Seitdem ist die Zahl von Jahr zu Jahr zurückgegangen. 2017 waren es noch 284 Taten, 2020 nur noch 84 solcher Straftaten, 2021 dann 70. Die Zahlen zeigen auch, dass insgesamt in Deutschland statistisch gesehen im Schnitt immer noch jeden Tag mindestens zwei Asylbewerber Opfer von Angriffen werden.
Bei etwa jeder fünften Tat handelt es sich dabei um einen physischen Angriff wie etwa Körperverletzung. Von Januar bis September dieses Jahres verzeichneten die Behörden demnach 711 Angriffe gegen Asylbewerber oder Flüchtlinge außerhalb von Unterkünften. Das waren deutlich weniger als im Vorjahreszeitraum mit 965 Vorfällen von Januar bis September. Die meisten Straftaten haben nach Erkenntnissen der Ermittler einen rechtsradikalen Hintergrund.
Meist handelt es sich um Sachbeschädigung, Schmierereien und Propaganda sowie Überfälle und Gewaltdelikte. In einigen Fällen geht es auch um Brandstiftung und gefährliche Körperverletzung. Die fluchtpolitische Expertin der Linksfraktion, Clara Bünger, die die Anfrage gestellt hatte, zeigte sich besorgt. Bünger sagte der "NOZ": "Kaum ein Tag vergeht momentan, an dem man nicht über Angriffe auf Geflüchtete oder Anschläge auf Geflüchtetenunterkünfte liest. Die Situation ist sehr gefährlich."
In der politischen Diskussion würden durch rechte und konservative Politiker Ressentiments gegen Geflüchtete geschürt. Bünger forderte: "Ich erwarte von allen demokratischen Kräften, dass sie sich rechter und rassistischer Gewalt klar entgegenstellen."
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