In Deutschland gibt es keine Armut!?

von Sandra Zecchino


Wieso Flaschen sammeln, Hartz IV reicht doch aus ... nicht? Symbolbild: Sandra Zecchino
Wieso Flaschen sammeln, Hartz IV reicht doch aus ... nicht? Symbolbild: Sandra Zecchino

„Hartz IV bedeutet nicht Armut, sondern ist die Antwort unserer Solidargemeinschaft auf Armut“ und „Niemand müsste hungern, wenn es die Tafel nicht gäbe“, mit diesen Sätzen hat unser zukünftiger Gesundheitsminister Jens Spahn nicht nur im Internet eine Diskussion losgetreten. Es gibt in Deutschland also keine armen Menschen?


An dieser Stelle will ich jetzt mal gar nicht erst auf die Menschen eingehen, die aus verschiedensten Gründen durch das soziale Netz fallen und nicht einmal Hartz IV bekommen. Doch diese sind nicht die einzigen, die Flaschen sammeln gehen oder dafür sorgen, dass die Tafeln in Deutschland überlaufen sind. Viele dort sind Hartz IV-Empfänger und scheinbar teilen sie nicht die Auffassung von Spahn, dass das Geld zum Leben ausreichen würde. Aber was wissen die schon? Es ist doch viel wahrscheinlicher, dass jemand, der zukünftig mindestens 15.000 Euro monatlich verdient, besser abschätzen kann, was Armut ist, als die Menschen, die mit 416 Euro im Monat auskommen müssen. Und falls es den Hartz IV-Empfängern nicht klar sein sollte, wie sie ihr Geld am besten aufteilen, bekommen sie netterweise Richtlinien zur Orientierung mitgeliefert.

137,66 für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke... Das macht pro Tag knapp 4,60 Euro. Davon sollen drei Mahlzeiten am Tag finanziert werden. Als bekennende schlechteste Hausfrau der Welt würde mich das vor ein kaum zu lösendes Problem stellen. Schließlich möchte ich nicht nur Nudeln mit Tomatensoße essen. Von ideellen Aspekten, wie Eier sollten mindestens aus Freilandhaltung sein und Fleisch bitte nicht aus der antibiotikaverseuchten Massentierhaltung, mal abgesehen, sollte die Ernährung ja auch ausgewogen und gesund sein. Schließlich sind für Gesundheit lediglich 15 Euro vorgesehen und das wird kaum für Nahrungsergänzungsmittel reichen.

Ich und meine Extrawünsche


Ich kann mir schon vorstellen, wie einige jetzt am liebsten argumentieren würden, dass ich halt bei anderen Bereichen einsparen soll, wenn ich beim Essen so viele Extrawünsche habe. Schließlich bekäme ein Hartz IV-Empfänger insgesamt über 400 Euro.

Doch wo? Bei den 34,60 Euro für Bekleidung und Schuhe? Gute Idee, denn wenn ich die 37,88 Euro für Freizeit, Unterhaltung und Kultur auch noch einspare, brauche ich ja keine Klamotten mehr, da ich nicht weggehen kann. Und den monatlichen Euro für Bildung könnte ich mir auch sparen.

Also ja, ich muss Spahn recht geben, auch ohne Tafel müsste in Deutschland niemand verhungern… wenn er sein sonstiges Leben komplett aufgibt. Für ein Land wie Deutschland mehr als nur ein Armutszeugnis. Grund zur Hoffnung, dass sich was ändert, habe ich wenig. Schließlich wird Spahn Teil der nächsten Regierung sein.


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