Kulinarisch38 trifft Weltkonzern mit regionalen Wurzeln: Jägermeister. Es gibt seit fast 80 Jahren immer einen guten Grund ihn zu trinken.
Astrid van Delden[/image] Das werde ich nicht vergessen. Eine traumhafte Wanderung an der Küste Cornwalls. Die steil abfallenden Hänge, das Aufbrausen und Schäumen des Meeres. Auf einem gewundenen Pfad durch grüne Wiesen und blühenden Ginster, mit Steinmäuerchen umsäumt, befindet man sich nach kürzester Zeit in einem Zustand absoluter Erholung. Ein kleines Fischerdorf und die Aussicht auf eine richtige englische Kneipe. Für unsere Gewohnheiten vielleicht etwas zu dunkel, etwas zu schäbig. Aber vom Hahn wird in aller Gemütsruhe ein Real Ale gepumpt, an das man sich gewöhnen kann. Der Barmann scherzt. Die Stammgäste heißen die Fremden willkommen. Und schließlich gerät da hinter dem Tresen eine grüne Flasche in den Blick. An diesem verlassenen Ort ein Gruß aus der Heimat. »Da komme ich her«, gebe ich dem Mann am Zapfhahn zu verstehen. Denn auf der Jägermeisterflasche steht immer und überall, neben den gemütlichen Versen zum Jägerdasein stets auch die Herkunft. »Ah, Wolfenbuttel«, versucht sich mein Gegenüber mit schwerem Akzent und meint, das müsse ein schöner Ort sein, wo so etwas Feines herkommt.
Jägermeister als kulinarischer Botschafter
Bevor Jägermeister in die grüne Flasche kommt, wird er strengen Qualitätstests unterzogen.[/image] Das geht mir durch den Kopf, als ich mein Auto auf der Jägermeisterstraße abstelle. Vor dem großflächig verglasten Hauptgebäude wehen wieder diverse Flaggen. Wind genug ist da. In dem Gebäude wirkt dagegen alles wie gedämpft. Das ist schon ungewöhnlich: mitten in der Provinz ein Global Player und kulinarischer Botschafter ganz Deutschlands. 2013 setzte die Mast – Jägermeister SE in 100 Ländern der Erde 92,2 Millionen 0,7-Liter-Flaschen ab. Die Marke Jägermeister festigte damit ihren siebten Platz in der maßgeblichen Impact International Rangliste der Top 100 Premium-Spirituosen und ist die einzige deutsche Spirituose unter den Top 90. Hat so ein weltweit agierender Betrieb überhaupt noch einen Bezug zur Region? Das ist meine erste Frage, die ich Astrid van Delden stelle. Van Delden ist Leiterin der Public Relation des Likörherstellers und mit der Antwort zögert sie keine Sekunde: »Eine sehr wichtige! Die Mast-Jägermeister SE ist seit 1878 fest in der Region Wolfenbüttel verwurzelt. Und nach wie vor wird der Grundstoff für Jägermeister nach dem Ursprungsrezept ausschließlich im Hauptsitz Wolfenbüttel hergestellt. Die Heimatregion trägt einen großen Anteil zur Unternehmensidentität bei.«
Qualität und Verantwortung
Über 400 Mitarbeiter in Wolfenbüttel – davon rund 120 in Produktion und Abfüllung. Das ist in der Tat eine Hausnummer. Keine Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer. Das ist das praktische Bekenntnis eines Betriebes, der seine Wurzeln nicht verleugnet. Astrid van Delden nimmt sich Zeit und ist mit ihrer Mitarbeiterin bei der lebendigen Betriebsführung dabei. Jägermeister ist Geschichte mit Zukunft. Das Premiumprodukt aus der ehemaligen Essig-und Weinhandlung mit dem Stammsitz im Großen Zimmerhof der Lessingstadt wird nächstes Jahr 80. »Wir feiern im Jahr 2015 das 80-jährige Bestehen unseres Jägermeisters: Es verging einige Zeit, bis Curt Mast – der fasziniert von der Herstellung von Spirituosen war – die richtige Rezeptur gefunden hatte. Nachdem er 1934 das Rezept für eine neue Kräuterspirituose kreiert hatte, wurde Jägermeister im Jahr 1935 in den Markt eingeführt. Der Name ›Jägermeister‹, das Etikett und der Hubertushirschkopf wurden gleichzeitig als Warenzeichen eingetragen«, berichtet der Guide, der uns durch die Gebäude führt. Das Rezept der streng gehüteten Komposition aus 56 Kräutern, Blüten und Früchten und aus Korn gewonnenem Alkohol hat sich, wie gesagt, in all der Zeit nicht verändert.
Tradition und Fortschritt
Das erscheint dem Besucher des Betriebes als das Besondere und Eindrückliche – abgesehen von der Tatsache, dass Liebhaber guter Aromen auf Ihre Kosten kommen. Im Bereich der Kräuter- und Mazeratlagerung schwelgt man auch geruchstechnisch. Da durchziehen zitronige, herbe oder weihnachtliche Düfte die verwinkelte Produktionsstätte. Tradition und Moderne gehen bei Jägermeister harmonisch Hand in Hand. Modernste Stahltanks stehen neben riesigen Eichenholzfässern, bei denen man glauben könnte, dass man sich nicht in Wolfenbüttel an der Oker, sondern in Rüdesheim am Rhein befindet. Jägermeister ist ein Betrieb, der sich wirtschaftlich auf dem Weltmarkt durchgesetzt hat und der dennoch gute Arbeitsbedingungen in der Region garantiert und auf Qualität bei der Produktion achtet. Zeit ist Geld, und trotzdem ist eben auch Zeit Qualität. Die nehmen sich die Destillateure bei Jägermeister. Das fängt bei den 56 Bestandteilen an, die durch unzählige Qualitätskontrollen gejagt werden, und geht dann in der Produktion weiter bis hin zu einer beeindruckenden Hightech-Abfüllung.
Das Geheimnis der Kräuter
»Die Kräuter Blüten und Früchte werden bei Jägermeister nach ihren Hauptcharakteren zu verschiedenen Kräutermixturen zusammengestellt. Um die Inhaltsstoffe aus den Kräutern herauszulösen, werden diese in einer Mischung aus reinem Alkohol und Wasser eingelegt und über mehrere Wochen schonend, kalt mazeriert. Anschließend werden die Mazerate im Holzfasslager zum tiefdunklen Grundstoff vereint, dem Schlüssel zu jenem Geschmackserlebnis, das Jägermeister so berühmt gemacht hat«, verrät Astrid van Delden. Ein Jahr lang lagert der Grundstoff schließlich in den riesigen Holzfässern, bis er mit den anderen Grundbestandteilen vermischt und abgefüllt wird. Geschmack hat hier Tradition. Man erneuert auf der Jägermeisterstraße nicht aus Prinzip, sondern wenn es nötig ist. Der Erfolg hat dem Betrieb recht gegeben. Das gilt nicht zuletzt für die Produktpalette. Statt immer neue Produkte auf den Markt zu werfen, wurde das Angebot in den Jahrzehnten sogar eingedampft. Diese Reduzierung auf das Wesentliche kommt an. Neben dem Jägermeister ist noch der Schlehenfeuer – ein Likör für Kenner – übrig geblieben. Und seit Kurzem eine saisonale Winterspezialität: Der Jägermeister Winterkräuter. Die Vielfalt der Möglichkeiten hat trotzdem nicht abgenommen.
Pur oder gemixt
Nicht in Rüdesheim am Rhein, sondern in Wolfenbüttel.[/image] Der Erfolg des Jägermeisters ist neben seinem feinen Geschmack die große Variabilität. Man kann ihn pur trinken – das sollte man unbedingt einmal auch bei Zimmertemperatur versuchen. Hier entfalten sich die Aromen erst wirklich. Und er passt zu fast allem. Kreativität darf der Genießer des Kräuterhalbbitters selbst an den Tag legen. Denn es gibt wohl noch nichts, was nicht mit Jägermeister gemischt worden wäre, erzählt der Guide »Aufgrund der sehr komplexen Geschmacksbasis, eignet sich Jägermeister hervorragend für Longdrinks und Cocktails. Charakteristisch sind Spuren von Zitrus, Ingwer und Sternanis, begleitet von einer leicht bitteren Kräuternote. Ganz nach individuellem Geschmack hebt das Mischen mit passenden Zutaten jeweils einen der Hauptcharaktere in Jägermeister hervor.« Insgesamt könne man fünf Bereiche unterscheiden: zitronig / fruchtig – süß – Kräuter / würzig – scharf / erdig – bitter. Warum also zig Produkte herstellen, wenn ein Produkt zig Gesichter bekommen kann?
Das Hauptverwaltungsgebäude von Jägermeister in Wolfenbüttel.[/image] Wenn man unterwegs ist als Wolfenbüttler, verweist man natürlich auf die Bibliothek, das Evangeliar Heinrichs des Löwen. Auf eine wunderschöne Altstadt, die überall eine Geschichte erzählt. Jägermeister kennt am Ende aber fast jeder: ob man sich mit netten Menschen nun in einer grönländischen, chinesischen, australischen oder amerikanischen Bar trifft. Falls jedenfalls mein Cornish-Barmann wirklich einmal nach Deutschland kommen sollte, wird er auf bestimmt Wolfenbüttel besuchen. Und dann werde ich ihm Jägermeister zeigen. Bis dahin gibt es immer einen guten Grund, diese Spezialität aus der Region zu genießen. Bilderquelle: Jägermeister