Rom. Einer der einflussreichsten Kardinäle in Rom gesteht seine Beschämung über die Verbrechen der katholischen Kirche. "Geschämt habe ich mich, dass auch Priester Minderjährigen durch sexuellen Missbrauch für ihr ganzes Leben schweres Leid zugefügt haben und dass diese Taten oft auch noch vertuscht wurden", sagte Walter Kasper der Wochenzeitung "Die Zeit".
Das widerspreche zutiefst der christlichen Botschaft vom Leben und von der Würde jedes Menschen. "Inzwischen hat der Missbrauch zur tiefsten Krise seit der Reformation geführt." Die Skandale sind diese Woche auch Gegenstand der Beratungen der Deutschen Bischofskonferenz in Dresden. Dort geht es zudem um Reformen und den "Synodalen Weg".
Kardinal Kasper, Wegbereiter des amtierenden Papstes, verteidigt Franziskus gegen Kritik aus Deutschland: "Papst Franziskus will selbstverständlich Reformen." Vielen Anliegen des deutschen Synodalen Wegs könne Franziskus zustimmen, bei anderen habe er jedoch den Eindruck, dass sie die Einheit des Glaubens massiv gefährden. Solche "falschen Reformen" wolle und müsse der Papst bremsen. "Er trägt die Verantwortung für die Einheit der Kirche."
Seit Amtsantritt von Franziskus vor zehn Jahren unterstützt Kasper dessen Reformagenda und machte sich dadurch Feinde unter konservativen Klerikern. Scharf weist der deutsche Kardinal nun Behauptungen zurück, Franziskus sei kein Erneuerer: "Bevor es den Synodalen Weg überhaupt gab, forderte er Synodalität. Alle wichtigen Themen des Synodalen Weges waren längst auf seiner Agenda: die Mitwirkung der Laien, der Abbau des Klerikalismus, die Förderung der Frauen im Dienst der Kirche, die Überwindung der Verbotsmoral und die Stärkung des Gewissens, die Achtung vor gleichgeschlechtlich orientierten Menschen, die Aufklärung des sexuellen und geistlichen Missbrauchs, die Reform des Kirchenrechts und der römischen Kurie." Über den innerkirchlichen Reformstreit sagte Kasper: "Jede Veränderung löst Verlustängste aus. Es gibt keinen Fortschritt, der nicht auch ein Verlust wäre. Das provoziert Widerstände."
Walter Kasper begeht am kommenden Sonntag seinen 90. Geburtstag. Sechs Jahre älter als der kürzlich verstorbene Joseph Ratzinger galt Kasper lange Zeit als dessen liberale Antipode. Jetzt warnt er konservative und progressive Katholiken vor einer Spaltung: "Wir können die ins Wanken geratene Festungskirche nicht dadurch retten, dass wir sie zu einem wohnlichen Schloss oder zu einem einladenden Hotel für alle umbauen. Wir müssen die hochgezogenen Brücken der Festung herablassen, die Gräben zuschütten, uns zuerst selbst bekehren".
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