Braunschweig. Martin Tenge wurde am gestrigen Sonntag von Generalvikar Martin Wilk als Pfarrer und Propst der katholischen Pfarrgemeinde St. Aegidien und zugleich Dechant des Dekanates Braunschweig eingeführt. Während eines feierlichen Vespergottesdienstes hat Wilk dies im Auftrag von Bischof Dr. Heiner Wilmer getan. Tenge ist nun zuständig für die rund 57.000 Katholikinnen und Katholiken in und um die Städte Braunschweig, Wolfenbüttel und Peine. Das berichtet die Katholische Kirche Braunschweig in einer Pressemitteilung.
„Was ich immer an dir geschätzt habe, ist, dass du die Menschen mitnimmst, zuhören kannst, andere motivierst und nach guten Lösungen suchst“, lobt Wilk ganz persönlich Tenge. „Auch wenn du zum ersten Mal Pfarrer bist, ist dir die Aufgabe als Pfarrer nicht fremd. Du hast immer wieder längere Pfarrverwaltungen übernommen, und zwar in Situationen, wo es nicht leicht war.“ Außerdem bringe Tenge langjährige Erfahrungen als Propst und Dechant des Regionaldekanates Hannover mit.
"An vielen Stellen noch fremd und neu"
„Ich möchte mich einfädeln in die Geschichte dieser Kirche, dieser Stadt, dieses Dekanates, dieser Region, die für mich an vielen Stellen noch fremd und neu ist“, spricht der neue Propst im vollbesetzten Liebfrauenmünster St. Aegidien zu den Mitgliedern seiner neuen Gemeinde, seinen Mitarbeitern, Wegbegleitern, Vertretern der Ökumene und anderen Religionsgemeinschaften, der Stadtgesellschaft, Gremien und Verbänden.
Reinhard Heine (rechts) hängt dem neuen Propst von Braunschweig Martin Tenge das Propstkreuz um. Foto: Peter Sierigk
In die wechselvolle Geschichte der Aegidienkirche als Abteikirche des 1115 geschaffenen Benediktinerklosters hat sich Tenge schon gut eingearbeitet. Auch von ihrer Größe ist Tenge angetan: „Selbst der Dom ist kleiner“, sagt er an Martin Wilk gewandt. Tenge meint den Dom in Hildesheim. Ob der Dom in Braunschweig kleiner oder größer sei, wisse er noch nicht.
Altes Kreuz wurde gestohlen
Ein besonderer Höhepunkt des Gottesdienstes war die Übergabe des neuen Propstkreuzes an Tenge durch seinen Amtsvorgänger Reinhard Heine, Propst i. R. „Das Kreuz wurde von der Goldschmiedin Susanne Wittig aus Braunschweig gearbeitet, die sich mit dem neuen Propst darüber ausgetauscht und mit künstlerischer Kompetenz umgesetzt hat“, beschreibt der Generalvikar. Ein neues Propstkreuz war nötig, da das alte vor zehn Jahren gestohlen wurde und seitdem als vermisst gilt.
Auf dem Liederheft ist die Vorderseite des neuen Propstkreuzes mit dem Heiligen Aegidius abgebildet. Foto: Peter Sierigk
Das über 100 Jahre alte Propstkreuz bezog sich auf den Patron der damaligen Propsteikirche St. Nicolai. Diese Kirche wurde 1944 im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört. Nach dem Krieg wurde die beschädigte – jedoch reparaturfähige – Kirche St. Aegidien der Propsteigemeinde übergeben. Vor fast genau 75 Jahren wurde am 8. Dezember dann in der ehemaligen Klosterkirche St. Aegidien die erste Heilige Messe gefeiert. „Das legt nahe, dass das neue Propstkreuz den Patronen der Kirche dem Heiligen Aegidius und der Gottesmutter Maria gewidmet ist“, so Wilk.
"Kirche hat viel Mist gemacht"
„Dieses Kreuz hat für mich eine tiefe Bedeutung, es ist für mich ein Anker der Hoffnung“, so Tenge, der sich intensiv mit der Legende des Heiligen Aegidius auseinandergesetzt hat. Aegidius soll sich im 7. Jahrhundert bei einer Jagd schützend vor eine Hirschkuh gestellt haben, die ihn mit ihrer Milch ernährte. Dabei sei er von einem Pfeil verletzt worden. „Was mich an dieser Legende ganz besonders berührt hat, war die Aussage, dass diese Wunde in seinem ganzen Leben nie geheilt ist.“ Die Wunde, die nie verheilt, symbolisiert auf dem Propstkreuz als roter Punkt ein Granat. „Er hat es für sich gedeutet als Zeichen der Wunde Jesu und mich hat es berührt, weil ich auf einmal an unsere Kirche gedacht habe. Unsere Kirche ist auch verwundet. Viele merken es im Alltag, Kirche ist völlig out, Kirche hat viel Mist gemacht.“
„Kirche trägt eine Wunde und offensichtlich ist es so, dass auch diese Wunde nicht heil werden kann. Kirche ist nicht nur verwundet, sie ist auch verwundend“, spitzt Tenge zu. Er fragt, wieviele Wunden Kirche bei Menschen hinterlassen habe, die nicht heilen werden, wo weder die Zeit noch nette Worte oder irgendwelche Gesten dies ermöglichten. „Die Wunden gehören irgendwie dazu in der verwundeten und verwundenden Kirche“, resümiert der Geistliche.
Tenge resigniert an dieser Stelle nicht und verharrt nicht in der reinen Betrachtung der Schmerzen, er möchte gestalten und hat Hoffnung: „Die Hoffnung ist manches Mal unscheinbar, aber sie ist da.“ Er misst bei seiner Arbeit dem Sprechen miteinander einen hohen Stellenwert zu und zwar innerkirchlich, in der Ökumene, interreligös und in der gesamten Gesellschaft. „Wenn wir im Gespräch bleiben, gibt es Hoffnung, mit den Wunden umgehen zu können“, ist er überzeugt.
Hilfe in entscheidenden Lebenssituationen
Um nicht nur in die Selbstbetrachtung zu kommen, muss der Blick nach vorne gehen. „Wo braucht ihr uns?“, ist die Frage. Hier kommt die Caritas ins Spiel, die Seelsorge und auch das ehrenamtliche Engagement der Gemeinden für Menschen in Not. Ihm persönlich sind außerdem die Spendung der Sakramente und die Segnung von ganz hoher Bedeutung. „Das sind Momente, wo Gottes Gnade den Menschen in ganz entscheidenden Lebenssituationen hilft, angefangen bei der Taufe bis hin zur Zuversicht `dein Leben wird im Leben enden` bei der Krankensalbung“.
Musikalisch gestaltet wurde der Gottesdienst vom Münsterchor von St. Aegidien unter Leitung von Lukas Lattau, dem Chor ProDeo aus St. Christophorus unter Leitung von Dirk Speer sowie dem Blechbläserensemble am Braunschweiger Dom unter Leitung von Witold Dulski. Im Anschluss nahmen zahlreiche Gäste die Einladung zur Begegnung im Leisewitzhaus wahr.
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