Kliniken am Limit: Nicht jede Erkrankung gehört in die Notaufnahme

Die Notaufnahmen in der Region sind überlastet. Auch, weil nicht jeder Krankheitsfall in die Notaufnahme gehört.

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Symbolbild | Foto: Rudolf Karliczek

Region. Die Krankenhäuser der Region ächzen unter der derzeit angespannten Lage und kämpfen nicht nur mit Personalmangel, sondern auch mit einem erhöhten Patientenaufkommen. Erst kürzlich berichtete die Stadt Braunschweig über eine angespannte Lage beim Rettungsdienst und den Notfallambulanzen. regionalHeute.de hat bei Kliniken in der Region nachgefragt, wie sich die Situation dort darstellt.



Notfallmedizinisch sei jeder dritte Rettungseinsatz in Braunschweig nicht notwendig, teilten Stadt und Klinikum mit. Im Klinikum Braunschweig seien 50 bis 60 Prozent der konservativen Notfallversorgung ambulante Notfälle, die die Versorgung eines Maximalversorgers größtenteils nicht benötigen und damit wichtige Ressourcen blockieren würden, heißt es in der Mitteilung aus Braunschweig. Man appelliert, dass bei akuten, nicht lebensbedrohlichen Erkrankungen, die keine Krankenhausbehandlung erfordern, der ambulante Notdienst der Kassenärztlichen Vereinigung kontaktiert werden sollte. Auch wenn es dort zu Wartezeiten kommen kann.

Im Klinikum Wolfenbüttel kann man von einer ähnlichen Situation berichten. Auch dort komme es immer mal wieder dazu, dass Patienten in der Zentralen Notaufnahme behandelt werden, die im klassischen Sinne keine Notfallversorgung benötigt hätten. Wie viele dies genau sind, beziehungsweise welchen Prozentsatz diese Patienten ausmachten, lasse sich nicht genau sagen, da man diesbezüglich keine Auswertung vornehme. Es dürfte aber in etwa mit den Angaben aus dem Braunschweiger Klinikum übereinstimmen, sagt Klinikumsprecher Marian Hackert.

"Bagatellverletzungen kosten Ressourcen"


Auch der Landkreis Helmstedt berichtet, dass wegen vieler Bagatellen kaum noch Ressourcen für ernste Notfälle blieben. Der Rettungsdienst im Landkreis Helmstedt sowie die Helios St. Marienberg Klinik in Helmstedt haben daher deshalb die Bevölkerung gebeten, verantwortungsvoll mit dem Notruf umzugehen. In den vergangenen Wochen sei es gehäuft zu einem hohen Patientenaufkommen in der Helmstedter Notaufnahme gekommen, berichtet Klinikgeschäftsführer Matthias Hahn. „Wie die anderen Kliniken in Deutschland arbeiten auch wir momentan an der Kapazitätsgrenze. Diese liegt nicht ausschließlich an einer hohen Belegung, sondern ebenso an der kritischen Personalsituation. Neben dem Personalmangel tragen auch kurzfristige Krankheitsausfälle unserer Mitarbeiter dazu bei. Bürgerinnen und Bürger sollten beachten, dass nicht jede Verletzung und Erkrankung ein Fall für die Notaufnahme ist. Wir bitten jeden mit leichten Verläufen sich zuerst ambulant behandeln zu lassen", so Hahn und verwiest ebenfalls auf den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst.


Dasselbe gelte auch für den Rettungsdienst im Landkreis Helmstedt. Immer wieder würden die ohnehin belasteten Besatzungen der Rettungswagen zu Bagatellverletzungen gerufen, welche die begrenzten Ressourcen zusätzlich derart schmälerten, sodass möglicherweise bei lebensbedrohlichen Notfällen kein geeigneter Rettungswagen zur Verfügung steht.

Gesundheitskompetenz der Menschen stärken


„Aktuell nehmen wir etwa 41 Prozent aller Notfallpatienten stationär zur weiteren Behandlung auf. Das bedeutet aber nicht, dass 59 Prozent anlasslos zu uns kommen, sondern viele haben für sich den Eindruck, stationäre Versorgung zu brauchen. Oder Patienten erreichen keine zeitnahe Versorgung bei niedergelassenen Ärzten oder können nicht selbst kurzfristig einschätzen, welche Fachrichtung sie aufsuchen sollten und suchen deshalb die Notaufnahme auf. Hier sind wir als Gesundheitssystem insgesamt gefragt und müssen dafür Sorge tragen, die Gesundheitskompetenz der Menschen zu stärken, damit offensichtlich unnötige Wege in Notaufnahmen vermieden werden können“, erklärt Wolfsburgs Gesundheits- und Klinikumsdezernentin Monika Müller.

Kassenärztlicher Bereitschaftsdienst hilft oft schon weiter


Aber auch das Wolfsburger Klinikum appelliert an die Eigenverantwortung der Patienten. Patienten mit einer erkennbar nicht lebensbedrohlichen Erkrankung, die aber ärztlich untersucht werden sollte, sollten sich zunächst an den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst wenden. Dort erhalten Patienten Auskunft über die nächstgelegene Bereitschaftsdienstpraxis, die beispielsweise bei Symptomen wie akute Kopf- oder Rückenschmerzen, Fieber mit Temperaturen von 39 °C, Hals- oder Ohrenschmerzen, Nasenbluten und kleinere Wunden, bei starker Übelkeit mit Brechdurchfall und bei akuten Harnwegsinfekten weiterhilft.

Bei plötzlich auftretenden starken Beschwerden sowie Unfällen und lebensbedrohlichen Situationen sollte dagegen stets der Notruf 112 gewählt oder der direkte Weg in eine Zentrale Notfallaufnahme gesucht werden, so Monika Müller und macht deutlich: "Grundsätzlich werden Patienten, die zu uns in die Notfallaufnahme kommen, als erstes entsprechend ihrer medizinischen Behandlungsdringlichkeit eingeschätzt und damit die Reihenfolge der Notfallbehandlung festgelegt. Durch dieses Verfahren sollen mögliche medizinische Schäden durch längere Wartezeiten vermieden werden." Ganz würden sich aber Wartezeiten nicht vermeiden lassen.

Keine andere Wahl


Auch im Helios Klinikum Salzgitter seien derartige Probleme nicht unbekannt und deckten sich mit denen anderer Notaufnahmen, sagt Dr. med. Bettina Kölling, Leitende Oberärztin in der Notaufnahme. "Erschwerend kommt hinzu, dass Hausärzte kaum noch Patienten annehmen, viele Menschen in Salzgitter mit dem deutschen Gesundheitssystem nicht vertraut sind und somit keine andere Möglichkeit haben, als sich an die Krankenhäuser zu wenden. Zusammen mit dem bestehenden Pflege und Ärztemangel führt dies schnell zu einer Auslastung der Kapazitäten. Kommt dann noch eine Grippe- oder COVID-Welle hinzu, kann es auch zu Versorgungsproblemen kommen. Dies führt dazu, dass Patienten auch über weitere Entfernungen hin verlegt werden müssen." Wer sich in die Notaufnahme begibt sollte wissen, dass die Wartezeiten dort nach Dringlichkeit variieren und somit leichter Erkrankte länger warten müssen, als beispielsweise beim Hausarzt.

Nicht der Zeitpunkt ist entscheidend


Auch in der Asklepios Klinik in Goslar komme es häufig vor, dass Menschen die Notaufnahme aufsuchen, bei denen eine Notfallbehandlung nicht zwangsläufig notwendig wäre. „Wir haben zirka 26.000 Patienten pro Jahr in der Rettungsstelle, dabei waren auch im vergangenen Jahr häufig Menschen mit Beschwerden, die keine akuten ,Notfälle´ darstellen. Die Rettungsstelle eines Krankenhauses hat die Versorgungsaufgabe, Menschen mit wirklichen Notfällen zu helfen. Wir benötigen unsere begrenzten Rettungsstellen-Kapazitäten für genau solche ernsten Fälle, um Menschen in mitunter bedrohlichen Situationen möglichst schnell und umfassend zu behandeln", macht Klinikumsprecher Ralf Nehmzow deutlich und verweist auf die sogenannte Triage, also auf die Behandlungsdringlichkeit von Patienten.

"In unserer Rettungsstelle werden alle Patienten von speziell geschulten Mitarbeitern triagiert. Das heißt, sie nehmen eine Ersteinschätzung vor, wie dringlich die Behandlung ist, um so Patienten mit schweren Erkrankungen schnell helfen und ihnen alle verfügbaren Ressourcen zur Verfügung stellen zu können. Durch dieses effektive und vom Gesetzgeber geforderte Verfahren kann es aber für Patienten mit leichteren Beschwerden oder Verletzungen bisweilen zu längeren Wartezeiten kommen. Hierbei ist es gut zu wissen, dass maßgebend dafür, wann jemand untersucht beziehungsweise behandelt wird, nicht der Zeitpunkt des Eintreffens des Patienten ist, sondern die Dringlichkeit. Dafür bitten wir um Verständnis und mitunter daher auch um etwas Geduld.“


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