Nach der Schiffskatastrophe im April dieses Jahres sagten die Staatschefs eine humanere Flüchtlingspolitik zu. Nun konnte sich die EU nicht mal auf eine für alle gerechtere Verteilung der Hilfesuchenden einigen.
Es sind zwei Monate vergangen, seit dem der UN-Hochkommissar für Menschenrechte Said Raad al-Hussein der EU vorwarf, in der Flüchtlingspolitik komplett zu versagen. Vorhergegangen war ein Massensterben an den EU-Grenzen; etwa 800 Flüchtlinge ertranken im Mittelmeer. Schnell eilten die Regierungchefs nach Brüssel, um einen 10-Punkte-Plan auszuarbeiten. Es hieß, man wolle alles in der Macht stehende tun, um das weitere Sterben auf See zu verhindern. Doch schon der erste Punkt der Agenda, die Seenotrettung, ließ vermuten, dass eher die Grenzen gesichert, als Hilfesuchende gerettet werden sollten.
Die EU-Kommission schlug vor, 40.000 Schutzsuchende nach einem Schlüssel in den europäischen Mitgliedsstaaten zu verteilen – und scheiterte nun, zwei Monate nach dem groß angepriesenen Entwurf, an mangelndem Willen zur Einigung. Die Quote sollte eigentlich Staaten wie Griechenland oder Italien entlasten, Länder in denen die vergangenen Monate besonders viele Flüchtlinge ankamen. „Das Boot ist voll“, sagte nach Medienberichten Ungarns Regierungssprecher Zoltan Kovacs. Weitere osteuropäische Staaten sowie Portugal und Großbritannien wehrten sich bei dem EU-Gipfel am Donnerstag gegen einen verbindlichen Verteilungsschlüssel. Stattdessen verblieb man bei dem Abkommen, man wolle 60.000 Flüchtlinge auf freiwilliger Basis aufteilen.
Der Schlüssel sah vor, dass Deutschland hätte etwa 9000 Asylsuchende aufnehmen müssen, Portugal nur einige Hundert. Im Vergleich dazu beherbergte laut Spiegel Online die türkische Grenzstadt Suruc im vergangenen Herbst innerhalb einer Woche 30.000 Syrer.
Vorerst hat also der nationale Egoismus gesiegt. Die EU-Grenzen werden stärker bewacht und Abschiebungen sollen im Schnellverfahren durchlaufen. Von der angekündigten Solidarität bleibt nur ein rhetorischer Fetzen. Die politischen Situationen in den Herkunftsländern zwingen immer mehr Menschen zur Flucht – und Europa versteckt sich währenddessen unter der Bettdecke. Wenn wir sie nicht sehen, dann sehen sie uns auch nicht?