Wohnungsgesuche mit schnörkeligen selbstwerbenden Zeilen, die an verzweifelte Partner-gesucht-Inserate erinnern, gehören mittlerweile zum gängigen Straßenbild einer Großstadt. Eine Laterne ohne Hinweis ist verschenktes Potenzial. Wer wirklich einen Mietvertrag unterschreiben will, der muss auch bereit sein, das Privatleben um ein Stück Stahl zu wickeln.
„Charmante 3,5-Zimmer-Altbauwohnung, zwei Minuten fußläufig vom Marktplatz“ – klingt soweit ganz gut. Die Kaltmiete stimmt und einen Balkon verspricht das Inserat außerdem. Wir machen einen Termin. Bereits am Telefon quetscht uns die nette Dame mit der sanft rauchigen Stimme konsequent indiskret aus. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde scheinen wir genehm, dürfen zur Besichtigung erscheinen. Zwei Tage später, wir suchen gerade Hausnummer 38, sehen wir schon von weitem eine Menschentraube vor einem Haus stehen – da muss die Wohnung sein. Wer von früher noch den persönlichen Besichtigungstermin mit Noch-Bewohner, Vermieter und einem Tässchen Kaffee kennt, der zeigt sich bei den typischen Schnell-Durchläufen heute relativ schnell abgegessen. Fünfzig Wohnungssuchende schieben sich in kürzester Zeit durch 75 Quadratmeter. Wenn man ganz viel Glück hat, steht sogar ein Herr im Raum, der einem Informationen zur Wohnung geben kann – meist heißt es aber nur: „Bitte, gehen Sie durch, gehen Sie durch. Fragen sind telefonisch an die Hausverwaltung zu stellen.“
Etwa zwanzig erfolglose Besichtigungen später überlegen wir, ob unsere Ansprüche nicht doch ein wenig zu hoch angesetzt sind. Einen Balkon nutzt man wahrscheinlich gar nicht so häufig und einen Wanne muss ja auch nicht unbedingt sein. Auf die paar Löcher in den Dielen könnte man eventuell Kommode, Regenschirmständer oder Schuhregal stellen.
Nachdem wir also erneut die Anzeigen herausgesucht haben, deren Inserenten nicht 1300 Euro für eine unsanierte 3-Zimmer-Wohnung direkt an der Hochstraße haben wollen, finden wir tatsächlich zwei Objekte, die infrage kommen könnten. Aus Erfahrung wissen wir nun, was auf uns zukommt. Wir brauchen eine Tageskarte eines Copyshops, denn unser gesamtes Finanz-Leben darf nun wiedermal kopiert werden. Einkommensnachweise der letzten drei Monate, unbefristeter Arbeitsvertrag falls vorhanden, Schufa-Auskunft, Kopie vom Pass. Völlig fremde Menschen erhalten unsere ganz persönlichen Daten. Wir biedern uns an, heucheln Zustimmung gegenüber dem Wohnungsmarkt, der aktuell abstossender kaum sein könnte.
Als wir am Abend nach einem unbefriedigenden Besichtigungstermin auf dem Heimweg sind, gehen wir mal wieder an einem Aushang vorbei. Es ist gelber Zettel, der um eine Laterne gewickelt ist. „Gut verdienendes, deutsches Akademikerpaar sucht...“ So weit wollen wir ganz bestimmt nicht sinken. Wir fragen uns, wie es wohl erst den Paaren gehen muss, die weder einen Akademikergrad, ein als gut geltendes Einkommen oder einen deutsch klingenden Namen haben.